Der in Sils wohnende Norbert Bruggmann, ein Freund unseres Autors Dieter Imboden, ist kürzlich mit seiner Frau vom Silsersee nach Blänca gewandert. Mit untenstehender poetischer Bildstrecke hat er – mit Erfolg – Dieter Imbodens Heimweh nach dem Engadin geweckt.
Dieter Imboden (Text) und Norbert Bruggmann (Bild und Text)
(Bild links: Nobert Bruggmann)
Ciao Dieter, Barbara und ich sind kürzlich vom Silsersee nach Blänca (Blaunca) gewandert. Du kennst den Weg, bist ihn aber, wie du uns sagtest, lange nicht mehr gegangen. Also höchste Zeit, sich an ihn zu erinnern. Deine Augen haben uns begleitet. Schaue selbst, was daraus geworden ist. So gegen acht sind wir in Plaun da Lej (1798 m ü. M.) am Ufer des Silsersees auf dem kleinen Strässchen durch einen lichten Lärchenwald Richtung Grevasalvas (1940 m) losgezogen. Viele der älteren Generation kennen den kleinen Weiler, der den Bauern von Soglio im Bergell seit je im Sommer als Alp diente, als Drehort des 1978 entstandenen Heidifilms .
Von dort führt das Strässchen dem offenen Hang entlang weiter nach Blaunca (2034 m). Oberhalb der Doppelkehre von Müret Suot kann man noch immer die Schutthalden und einige verschüttete Stolleneingänge des Bergwerkes sehen, wo im 17. Jahrhundert Eisen, Kupfer und Mangan abgebaut worden ist. Aber nicht das habe ich für deine Augen eingefangen, auch nicht die spektakuläre Aussicht, die man von Blänca auf den Silsersee und auf die Halbinsel Chastè hat, wo Nietzsche einst wandelte. Nein, es sind die vom Schmelzwasser weiss schäumenden Bergbäche und die Blumen, welche in dieser Jahreszeit unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen. Ihre Zeit ist knapp bemessen: Ab Mitte August ist es mit der Farbenpracht weitgehend vorbei, und die Natur bereitet sich bereits auf den ersten Schnee vor …
Caro saluto, Norbert
Lieber Norbert,
Du scheinst mein Heimweh nach dem Engadin geahnt zu haben! Deine poetische Bildstrecke kommt wie gerufen. Unser diesjähriger Aufenthalt am Hochrhein und die Besuchsreise bei Freunden in Deutschland waren zwar sehr interessant, aber eine richtige Geschichte wollte diesmal nicht wirklich werden. Deine Bilder sind die geeignete Sprache für einen Sommer, der uns bisher nicht nur viel Regen, sondern auch eine aussergewöhnliche pflanzliche Vielfalt geschenkt hat. Zudem wecken sie Erinnerungen an eine Wanderung vor bald vier Jahrzehnten, als ich mit meiner Frau und unseren zwei Kindern von Bivio über den Septimer- und Lunghinpass zu Freunden nach Grevasalvas gewandert war. Mit weit leichterem Gepäck gehe ich heute mit dir ein Stück weit in umgekehrter Richtung. Mehr Worte braucht deine Geschichte nicht.
Herzlichen Dank, lieber Freund, Dieter