Wer in Umfragen zurückliegt, sagt: „Auf Umfragen ist kein Verlass, entscheidend ist der Wahltag.“ Das behauptet jetzt auch Armin Laschet, der CDU-Kandidat, der zurückliegt.
Doch auch die grossen Umfrage-Institute warnen. Ihre Erhebungen seien keine Prognose, sondern eine Momentaufnahme. Noch könne in den kommenden drei Wochen bis zur Bundestagswahl am 26. September viel geschehen.
Gemäss den an diesem Wochenende veröffentlichten Momentaufnahmen hat die SPD ihren Vorsprung weiter ausgebaut. CDU/CSU ist es auch eine Woche nach Beginn des „heissen“ Wahlkampfs nicht gelungen, den Trend zu drehen.
Doch diese Erhebungen müssen stark relativiert werden – auch deshalb, weil die Fehlerquote der einzelnen Umfragen bei bis zu plus/minus 2,5 bis 3,0 Prozent liegt. Die Aussagekraft der Umfragen ist deshalb beschränkt.
Aufgrund der jetzt vorliegenden Befragungen wäre es also durchaus möglich, dass CDU/CSU einige Prozentpunkte vor der SPD zu liegen kommen – und dass die Grünen viel besser abschneiden werden, als die jetzigen Umfragen besagen.
Vorsicht mit Prognosen ist auch deshalb angezeigt, weil gemäss Umfragen 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler sich noch nicht entschieden haben, für wen sie stimmen wollen.
Alchemie
In allen Ländern haben Meinungsforscher mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Bereitschaft der Bevölkerung, an Umfragen teilzunehmen, ist stark gesunken. Zudem machen sich in vielen Ländern viele einen Spass daraus, die Meinungsforscher anzulügen. Viele getrauen sich nicht, offen zu sagen, dass sie für populistische Parteien stimmen werden. Dazu kommt, dass immer mehr Leute keinen Festanschluss mehr haben und telefonisch nur noch schwer erreichbar sind. Online-Umfragen haben ohnehin eine beschränkte Aussagekraft, weil dort nur teilnimmt, wer will.
Dazu kommt, dass das Wahlverhalten der Bevölkerung – nicht nur in Deutschland – sich geändert hat. Man wechselt viel schneller seine politischen Präferenzen. Früher blieben viele ein Leben lang ihrer Partei treu. Das ist bei vielen nicht mehr so.
Kein Umfrage-Institut veröffentlicht die erhobenen „nackten“ Zahlen der Erhebung, denn diese geben mit Sicherheit ein falsches Bild. Die Meinungsforscher „gewichten“ deshalb ihre Ergebnisse. Wie gewichtet wird, sagen die Institute nicht. Da werden Stimmungen im Land berücksichtigt, da wird mit früheren Ergebnissen verglichen, da werden politische Ereignisse, die internationale Lage berücksichtig, und so weiter. Das „Gewichten“ grenzt manchmal fast an Alchemie. Trotzdem erstaunt es, wie nahe die Erhebungen der einzelnen Institute zusammenliegen.
„Auf die Nase gefallen“
Die Institute wiederholen gebetsmühlenartig, dass ihre Erhebungen eben keine Prognosen, sondern Momentaufnahmen seien. In der Bevölkerung jedoch wird das kaum verstanden. Die momentanen Erhebungen werden als feste Voraussagen empfunden. Wenn dann das tatsächliche Ergebnis der Wahl von diesen „Voraussagen“ abweicht, wird den Instituten vorgehalten, sie seien wieder einmal „auf die Nase gefallen“.
Die Geschichte ist voll solcher Beispiele. In Grossbritannien fielen die Institute bei der Brexit-Abstimmung „auf die Nase“. In den USA war ein Sieg von Hillary Clinton in Aussicht gestellt worden. Bei den deutschen Bundestagswahlen 2017 gaben die Meinungsforscher der CDU/CSU 38 bis 40 Prozent der Stimmen. Tatsächlich stürzte sie dann auf 32 Prozent ab.
Noch kann viel bis zum 26. September geschehen. Welchen Einfluss werden die zwei noch ausstehenden TV-Trielle haben? Auch der SPD-Mann Olaf Scholz, der sich bereits als Sieger wähnt, kann einmal Fehler machen.
Psychologischer Effekt
Dennoch sind Umfragen nicht zu unterschätzen. Sie können Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Sie zeigen, dass die SPD im Aufwind ist. Das könnte den Sozialdemokraten zusätzlich Aufwind, zusätzlichen Schub verleihen, denn man befindet sich gerne auf der Seite der Sieger.
Umgekehrt sind CDU/CSU im Abwind. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2017 liegen die C-Parteien laut Umfragen um 11 Prozent zurück. Dieser Abwärtstrend kann einen psychologischen Effekt haben und sich deshalb verstärken.
Die SPD schöpft auch deshalb Hoffnung, weil ihr Kanzlerkandidat immer beliebter wird. Gemäss dem ZDF-Politbarometer vom 3. September baut Olaf Scholz seinen Vorsprung vor Armin Laschet weiter aus. 70 Prozent der Befragten trauen ihm das Kanzleramt zu. Nur 25 Prozent halten Laschet als geeignet, das Bundeskanzleramt zu übernehmen.
Dennoch: Noch ist alles offen. „Auf Umfragen ist kein Verlass, entscheidend ist der Wahltag.“ Sagt Armin Laschet.