In der Regel auf der Frontseite, mit dem Hinweis auf ein grosses Interview im Inneren des Blattes mit dem Verursacher der Absonderungen. Das grosse Interview wird dann unterstützt mit einem grossen Bild des Herrli, der in letzter Zeit auf diesen Fotos häufiger eine auf einer Auslandreise kostengünstig erworbene russische (bzw. sowjetische) Pelzmütze trägt.
Je absurder, desto Sonntags Zeitung
Die jüngste Absonderung vom Herrliberg ist „eine neue SVP-Volksinitiative, welche obligatorische Sprachtests für Zuwanderer vorsieht“. Zuwanderer sollen künftig „mit einem Sprachtest auf einer Schweizer Botschaft schon vor der Einreise nachweisen, dass sie eine der vier Landessprachen beherrschen“. So berichtet die letzte „Sonntags Zeitung“ auf der Frontseite. Das Interview folgt wie erwartet auf Seite 7; sogenannte „kritische“ Fragen geben dem Herrli vom Berg die Möglichkeit, den Vorschlag als Lösung aller einschlägigen Probleme darzustellen und sich auch anderweitig zu verbreiten.
Wer gelegentlich seinen gesunden Menschenverstand einschaltet, übergibt das Blatt mitsamt dem Vorschlag direkt der Altpapiersammlung. Eine ernsthafte Auseinandersetzung ist für einen vernunftbegabten Menschen nicht möglich.
Anders in den Tamedia-Organen.
Rechtsnationaler Boulevard
Damit gewiss niemand der Absonderung entgeht, greift der mittlerweile weitgehend gleichgeschaltete „Tages-Anzeiger online“ das Thema der „Sonntags Zeitung“ mit einer eigenen, prominenten redaktionellen Story auf. Und zur Verstärkung bietet die online-Redaktion auch noch eine kleine Umfrage. Einen Tag später liefert dann die Druckversion des „Tages-Anzeigers“ das Umfrageergebnis (Seite 2 – ein paar eifrige SVP-Sektionen geben den gewünschten Dreh), und der Inhalt der Absonderung wird auf Seite 5 (Schweiz, Nachrichten) nochmals in Kurzform verdichtet wiedergegeben. All das kann durchaus als Werbemassnahme für den Absonderer und für die Trägermedien „Sonntags Zeitung“ und „Tages-Anzeiger“ verstanden werden. In den Führungsetagen der Tamedia wird diese Zusammenarbeit sicher gerne gesehen.
Das Boulevardkonzept verlangt in der Regel, das Thema noch einige Tage und Wochen am Köcheln zu halten. Das klappt in diesem Fall leider nicht ganz, weil die Politik schon Weihnachten feiert und die Reaktionen fehlen. Die selbsternannten Mitte-Parteien haben deshalb noch nicht besorgt festgestellt, dass dem weltweit verbreiteten Ausland diese Absonderungen vielleicht langsam stinken, auch wenn sie die durchaus berechtigten Ängste eines grossen Teils des Schweizer Volkes vor Fremdsprachen aufgreifen. FDP, Economiesuisse und der Wirtschaftsflügel der CVP konnten deshalb auch noch keine vereinfachte Pauschalprüfung für ausländische Top-Manager von Schweizer Weltkonzernen verlangen.
Die SP-Fraktion konnte sich folglich – trotz erheblicher Bedenken – bisher auch nicht einer gemässigten Gegen-Absonderung anschliessen (Ausrichtung der Prüfung an den Regeln des Duden bzw. der Académie Française etc.). Die Jusos haben auch noch keine Sprachprüfung (deutsch bzw. italienisch) für Erwachsene in jenen Kantonen gefordert, die die Minarett- und die Ausschaffungsinitiative angenommen haben, damit bei Einwanderern die richtigen Vergleichs-Massstäbe angelegt werden können. Und auch die Grünen haben die Absonderungen vom Herrliberg noch nicht als politische Umweltvergiftung gebrandmarkt; man kann aber davon ausgehen, dass sie sowohl die Absonderung als auch die Gegen-Absonderung ablehnen, weil beide zur Kultur-Verschmutzung beitragen.
Aus dem Ausland liegen noch keine Reaktionen vor. Weder Herr Sarrazin noch Herr Steinbrück haben bisher zur Frage Stellung genommen, ob Deutschland gegebenenfalls eine parallele Deutschprüfung für einreisende Schweizer einführen wird.
Praktische Massnahme: Sprachschild für Ausländer
Eines dürfen wir aber nicht übersehen: In unserer viel zu global vernetzten Wirtschaft und Gesellschaft haben auch absonderlichen Massnahmen durchaus praktische Vorzüge. Kompromisslose Durchführung tut allerdings not. So müssten alle, bei denen körperliche Merkmale wie Hautfarbe, Augenform oder Nasengrösse unmittelbar erkennen lassen, dass sie nicht zu unserer Herrli-Rasse gehören, ein Namensschild oder doch wenigstens ein Sprachschild tragen. Nur so können wir vermeiden, dass es uns weiterhin den Angstschweiss auf die Stirne treibt, weil wir nicht wissen, ob wir den/die dunkelbraune Schöne/n an der „Starbuck“-Kasse oder im Migros auf Züritütsch oder auf Bärndütsch ansprechen sollen.
Wenn damit alle Ängste vertrieben und alle Probleme gelöst wären, bliebe nur noch eine Frage offen: Welchen Gewinn die Tamedia-Presse sich daraus verspricht, jeden Furz vom Herrliberg mit ihren Organen in die hintersten Winkel der deutschen Schweiz zu verbreiten. Offenbar liegt das auf der Linie des Tamedia-Verlegers, der sich so gerne öffentlich für „Qualitätsjournalismus“ stark macht?