Besiedlungsspuren reichen bis in die Zeit um 5000 v. Chr. zurück. Gross wurde Ephesus als Hafenstadt – musste aber deswegen im Laufe seiner Geschichte immer wieder umziehen, um die Gefahr verlandender Hafenbuchten und versumpfender Ufer zu parieren. Die Einwanderung ionischer Griechen im letzten vorchristlichen Jahrtausend schob die Entwicklung von Ephesus zu einer der reputiertesten Städte an der Westküste Kleinasiens an. Die Stadt beherbergte das Artemision, ein Heiligtum der Göttin Artemis (Diana), das in der Antike zu den sieben Weltwundern zählte. Und als sie kurz nach dem Tod Alexanders des Grossen wieder einmal umziehen musste, war Ephesus schon eine Grossstadt mit 200’000 Einwohnern.
Seine Hochblüte erreichte Ephesus in der römischen Kaiserzeit als Sitz des Statthalters der römischen Provinz Asia. Die Stadt prunkte mit öffentlichen und privaten Bauten – unter ihnen eine kolossale Marktbasilika, ein Bibliotheksgebäude, Tempel und andere Sakralbauten, ein Versammlungshaus für den Stadtrat, prachtvolle Säulenarkaden und Portale, monumentale Brunnen- und Badeanlagen, luxuriöse Wohnhäuser für betuchte Epheser ebenso wie das Grosse Theater für 25 000 Zuschauer (unser Bild). Zum baulichen Erbe aus der Römerzeit gehören auch Aquädukte und Tunnels zur Fernversorgung mit Brauch- und Trinkwasser. Nach einem zerstörerischen Erdbeben 262 n. Chr. und einem ebenso zerstörerischen Plünderungszug der Goten rappelte sich die Stadt mit Mühe nochmals auf. Erst im Mittelalter büsste sie allmählich Bedeutung und Prosperität ein und verkam schliesslich zu einem blossen Ruinengelände im Osmanischen Reich.
In Ephesus gedieh eine der ersten christlichen Gemeinden. Der Apostel Paulus machte dort auf dem Rückweg von seiner zweiten Missionsreise erstmals Halt und verbrachte später Jahre in der Stadt, zum Teil im Gefängnis. In Ephesus verfassste er die Mehrzahl seiner Briefe, auch einen an die Epheser. In seinen Predigten las er offenbar unter anderem auch den Devotionalienhändlern, die Artemis-Souvenirs verkauften, die Leviten. Die Silberschmiede, die angesichts schwindender Verkäufe ihr Gewerbe bedroht sahen, demonstrierten im Grossen Theater mit dem Kriegsruf: „Gross ist die Diana der Epheser!“ Ephesus wurde trotzdem ein christlicher Wallfahrtsort. Gemäss der Legende lebte die Gottesmutter Maria vor ihrer Himmelfahrt an der Seite von Johannes in Ephesus. Johannes baute ihr ein Haus. Maria wurde später mit einer Kirche geehrt; über dem angeblichen Grab von Johannes entstand am Hügel von Selçuk die Basilika, die jetzt der Ruhm des christlichen Ephesus ist. In der Marienkirche tagte 431 das dritte Ökumenische Konzil.
Ein britischer Eisenbahningenieur begann 1863 im Auftrag des British Museum nach dem Artemision zu suchen. Selçuk war damals nichts als eine Ansammlung erbärmlicher Hütten. J.T. Wood stocherte jahrelang auf dem Gelände herum. Als er schliesslich am Ende des Jahrzehnts Überreste des einstigen Weltwunders verortet hatte, waren das Interesse seiner Auftraggeber an weiteren Sondierungen erlahmt und die Geldquellen erschöpft. Der Wiener Ordinarius für Klassische Archäologie, Otto Benndorf, sprang 1893 in die Lücke und beantragte bei seinem Cultus-Ministerium die Grabung in Ephesus. Den Zeitaufwand für die Freilegung der Stadt schätzte er auf etwa fünf Jahre. Die „fünf Jahre“ dauerten (mit weltgeschichtlich begründeten Unterbrechungen) bis jetzt mehr als 120 Jahre. Und das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) wird aller Voraussicht nach weiter eine halbe Ewigkeit dranbleiben.
Als die Unesco Ephesus im Juli 2015 auf die Liste des Welterbes setzte, war die Genugtuung in Wien womöglich noch grösser als in Ankara. Und das mit Recht. Die Wissenschaftler des ÖAI haben aus Ephesus die eingänglichste, besucherfreundlichste Sehenswürdigkeit Ioniens gemacht, auch dank vielen geglückten Wiederherstellungen nach den Grundsätzen der Anastylose. So wurde etwa die Fassade der Bibliothek des Celsus mit herumliegenden originalen Bauteilen wieder aufgebaut. 1,5 Millionen jährliche Besucher sind die Belohnung dieser bewundernswerten Anstrengung; allerdings ist es möglich, dass bei ihrer Arbeit gestörte Wissenschaftler so viele Besichtiger gelegentlich auch als Strafe verbuchen. Die Auszeichnung als Welterbe gilt einer in jeder Hinsicht beispielhaften Jahrhundertgrabung – vorbildlich bis zu der ausführlichen Berichterstattung darüber im Internet. – Jahr des Flugbilds: 2002. (Copyright Georg Gerster/Keystone)