Die „Operation Malaspina 2010“ beginnt am 14. Dezember. Dann starten vom spanischen Cádiz aus zwei hochmoderne Forschungsschiffe: „El Hespérides“ und die „Sarmiento de Gamboa“. Sie werden in den nächsten sechs Monaten 76‘000 Kilometer zurücklegen.
Aufgabe der Expedition ist es, die Auswirkungen des Klimawandels auf das Öko-System der Weltmeere zu erforschen. An 350 Stellen werden Untersuchungen durchgeführt. Insgesamt sollen 70'000 Luft-, Wasser- und Planktonproben analysiert werden. Erforscht werden vor allem „die dunklen Teile der Ozeane“, also die Tiefen zwischen 150 und 200 Metern, sowie jene zwischen 4‘000 und 5‘000 Metern.
Tausende Pflanzen und Tierarten entdeckt
Die beiden Forschungsschiffe folgen der Route, die Alessandro Malaspina di Mulazzo im Jahr der französischen Revolution eingeschlagen hat. Von Cádiz aus segelte Malaspina mit den Fregatten „Descubierta“ und „Atrevida“ zunächst Richtung Westen.
Die Reise brachte sie zum Rio de la Plata, den patagonischen Küsten, den Falkland-Inseln, Chile, Peru, Ekuador, Panama, Nicaracua, Mexiko, den Philippinen und Polynesien. Zusammen mit seinen Forschern sammelte er Berge von Daten. Er entdeckte Tausende botanischer Spezies und beschrieb Hunderte Tierarten aus drei Kontinenten. Er liess auch 900 wunderbare Illustrationen zu Fauna und Flora anfertigen. In Buenos Aires und Montevideo errichteten sie Sternwarten.
In Patagonien beschrieben sie die Urbevölkerung, die „im allgemeinen, auch Frauen und Kinder, von sehr hohem Wuchs sind“. Auf den Falkland-Inseln vertrieben sie englische Jäger, die ohne Erlaubnis Seelöwen jagten. Auf Feuerland sahen die europäischen Forscher zum ersten Mal See-Elefanten, Kormorane und Pinguine.
Noch sind die Ozeane „ein grosses Mysterium“
An der jetzigen Expedition „Malaspina 2010“ beiligen sich 400 Wissenschaftler und Studenten von 35 spanischen und ausländischen Instituten. Dabei sind auch Experten der NASA, der ESA sowie von Universitäten in Kalifornien, Rio de Janeiro, Washington und Wien. Das Unternehmen ist ein interdisziplinäres Projekt. Geleitet wird es vom spanischen „Consejo Seperior de Investigaciones Cientificas“ (CSIC). Die Expedition findet nicht nur im 200. Todesjahr Malaspinas statt; sie beschliesst auch das „Internationale Jahr der Biodiversität“.
Die Ozeane haben eine durchschnittliche Tiefe von 3000 Metern. Sie machen bis zur Hälfte der Erdoberfläche und des Erdvolumens aus. Sie sind das grösste Öko-System. „Und doch sind sie noch immer ein grosses Mysterium“, sagt Pep Gasol, einer der spanischen Forscher. In jedem Hafen, in denen die Schiffe anlaufen, werden Seminare über die Forschungsergebnisse und über die Folgen des Klimawandels durchgeführt.
Finanziert wird die Expedition vom spanischen Ministerium für Forschung und Innovation sowie von der BBVA-Stiftung der „Banco Bilbao Vizcaya Argentaria“, einer der grössten Banken in Spanien und Lateinamerika. Der Verlauf der Expedition kann über www.expedicionmalaspina.es verfolgt werden.
Opfer einer Intrige am Königshof
Malaspina war eine tragische Figur. Geboren wurde er am 5. November 1754 in Mulazzo in der nordöstlichen Toskana, 50 Kilometer nördlich von Pisa. Eigentlich hätte der Marchese Priester werden sollen, doch er wurde Seefahrer in der königlich spanischen Armada.
Als Kommandant der Fregatte „Astrea“ segelte er ab 1775 nach Asien. 1789 begann die erste grosse spanische Forschungsexpedition, die so schlecht endete und ihn berühmt machte. Nach fünf Jahren kehrte er am 21. September 1794 via Peru nach Spanien zurück – und wurde ins Gefängnis geworfen.
Malaspina war Opfer einer Intrige am spanischen Königshof. Manuel Godoy war Ministerpräsident unter König Karl IV. Godoy fürchtete den Einfluss Malaspinas. Der Italiener hätte umstürzlerische Ideen und wolle den Königshof schwächen, behauptete Godoy. SEchs Jahre lang sass Malaspina im Gefängnis. Sein umfangreiches wissenschaftliches Material wurde beschlagnahmt. Erst über hundert Jahre später tauchte es wieder auf; erst dann wurde der Wert der Studien erkannt.
Im März 1802 wurde Malaspina endlich freigelassen – offenbar auf eine Intervention von Napoleon. Malaspina kehrte über Genua in seine Heimat zurück und liess sich in Pontremoli in der Toskana nieder. Die Amerikaner haben ihm immerhin ein Denkmal gesetzt: Der grösste nordamerikanische Gletscher heisst Malaspina-Gletscher.
Am 9. April 1810 starb der Adlige zurückgezogen, vergessen und verbittert mit 56 Jahren – er, der die Europäer mit 14‘000 neuen Pflanzen und 500 Tierarten bekannt gemacht hat.