Die Fotos von Mark Peterson sind schrill und werfen Schlaglichter auf einen Wahlkampf, von dem in erster Linie die verbalen Entgleisungen im Gedächtnis bleiben dürften. Kaum war der Wahlkampf vorbei, beeilten sich beide Seiten zu betonen, dass man sich von nun an zusammenraufen wolle. Worte sind volatil, Bilder bleiben.
Die Bilder bleiben
Dieser Bildband ist kurz vor Schliessung der Wahllokale erschienen. Darin liegt eine grosse Leistung des Steidl Verlags. Derartig aktuelle Bilder wird man selten in einem anspruchsvollen Band finden, der auf Monate im Voraus geplant, angekündigt und vertrieben werden muss. Allerdings vertraute man Mark Peterson, der als Fotograf eine sehr gute Referenzliste vorweisen kann.
Die Pointe dabei liegt darin, dass diese Bilder überdauern werden. Man hat sich inzwischen sattgelesen und sattgehört von den tausenderlei Interpretationen dieses unerwarteten Wahlausgangs. Und schon jetzt deutet sich an, dass die Interpretationen von gestern nach und nach Deutungen weichen, die dem bösen Trump mindestens Entwicklungschancen einräumen.
Beweise für Faktizität
Oder es ist alles nicht so gemeint gewesen. Hillary Clinton gab sich nach der Niederlage versöhnlich, Donald Trump nach seinem Sieg auch. Beide haben auf ihre Weise Theater gespielt, aber der Beifall für Trump war um einiges grösser.
Früher galten Fotos als Beweise für Faktizität. Das ist schon lange vorbei. Gute Fotos zeigen heute Authentizität. Sie zeigen die Akteure eines Theaterspiels in dem, was sie wirklich sind. Der Fotograf muss dabei einen Blick für das haben, was nicht ganz stimmt – ein falsches Lächeln zum Beispiel oder lächerliche Plakate – oder was nur zu sehr stimmt – wie fanatisches Publikum, die Repression seitens der Sicherheitskräfte oder die Vernarrtheit in Waffen, zu der schon Kinder erzogen werden.
Der Niedergang
Das alles hat Mark Peterson auf seinen Reisen während des Wahlkampfs festgehalten. In einem kurzen Essay beschreibt der amerikanische Autor John Heilemann die Atmosphäre der Polarisierung und des Hasses, die sich seit 2008, als es um Barack Obama ging, dramatisch gesteigert hat. Aber die Hintergründe dafür sind kein Theater. Es handelt sich vielmehr, wie Heilimann betont, um lange Prozesse wirtschaftlichen Niedergangs, Verarmung ganzer Regionen bei gleichzeitiger Arroganz der sogenannten Eliten in Wirtschaft und Politik.
Der Verlag hat sich entschieden, alle Bilder in Schwarzweiss und im Querformat zu drucken. Es fehlen Seitenzahlen und Bildlegenden. Quasi als Motto steht am Anfang von George Orwell: „Journalism is printing what someone else does not want printed: everything else is public relations.“
Nicht jedes Bild erschliesst sich auf den ersten Blick. Denn es erscheinen nicht nur die bekannten Protagonisten, sondern auch Helfer in den Kulissen, Publikum, Fans und Polizisten. Manche Bilder entfalten einen unwiderstehlichen ästhetischen Reiz, andere sind einfach nur so brutal wie der Blick durch ein Vergrösserungsglas.
Und der Fotograf gibt den Betrachtern seiner Bilder eine Frage auf: Wer spielt eigentlich Theater? In der Vielzahl der Bilder sind die Protagonisten, also Clinton, Trump und Sanders, in der Minderzahl. Dazu kommen die zahllosen Helfer und Statisten, die Waffenfanatiker, die Demonstranten und Fans, die Polizisten und – ja – die Plakate, Aufkleber und Gadgets.
Das politische Theater ist vielschichtiger, als die Berichte der Journalisten nahelegen. Der Band „Political Theatre“ illustriert das äusserst beeindruckend.
Mark Peterson, Political Theatre
Book design: Mark Peterson, Bernard Fischer, Gerhard Steidl
120 pages 29 x 20.3 cm / 11.5 x 8 in, Tritone
Hardback, Steidl, Göttingen 2016