Erleichterung macht sich breit und die Ankommenden werden mit Jubel begrüsst. Spass und Ernst vermischen sich hier an den Climate Games in Basel. Die Polizei – das Blaue Team – wird dabei nicht als Gegner, sondern als Mitspieler gesehen, der mit Planung und Geschicklichkeit ausgetrickst werden muss. Ernst sind dagegen die Gründe, warum die Teilnehmenden ihre Freizeit mit Aktionen und Protest verbringen. Angst vor dem Klimawandel und der Umweltzerstörung, Verzweiflung über die Untätigkeit der Mehrheit und Wut auf Politiker und Konzerne, die Probleme ignorieren oder kleinreden, wird häufig genannt, wenn man nach den Gründen für die Teilnahme fragt. Aktivisten aller Altersgruppen kommen aus der ganzen Schweiz und dem umliegenden Ausland. Einige sind sehr erfahren und schon seit Jahren dabei, viele sind jedoch erst kürzlich durch den beschleunigten Klimawandel, die Hitze, Dürre und Waldbrände oder auch die Flüchtlingskatastrophen für die Problematik sensibilisiert worden.
Neue Protestform in der Schweiz
Um das Blaue Team zu überraschen, war man am Freitag, entgegen den Ankündigungen, schon in der Nacht aufgebrochen und hatte die Zielorte mit rund 150 Personen auf verschiedenen Pfaden erreicht. Die Blockierung einer grossen Infrastruktur-Einrichtung in diesem Ausmass hat es in der Schweiz seit den AKW-Protesten der 80er Jahre nicht mehr gegeben. Es ist dementsprechend Neuland, sowohl für die Klimaschützer, die Polizei und auch den Ölhafen. Offensichtlich haben die offiziellen Stellen auf Deeskalation gesetzt, denn weder die Polizei, noch private Sicherheitskräfte griffen ein, als die Aktivisten die Zufahrtswege zum Hafengelände mit Fahrrädern und Sitzblockaden versperrten und damit den Tanklastwagen ein Durchkommen verunmöglichten. Mitarbeiter, umliegende Betriebe und auch Anwohner reagierten entgegen der Erwartungen verständnisvoll und versorgten die Umweltschützer sogar mit Kaffee, Wasser und Kuchen. Das war bei ähnlichen Aktionen in den Braunkohletagebau in Deutschland ganz anders, wo Angestellte und Sicherheitskräfte Teilnehmer beschimpften und sogar tätlich angriffen. Anderthalb heisse Tage und eine Nacht dauert die Blockade, bis dann am Samstag sehr geordnet der Rückzug ins Camp beginnt. Die Umweltschützer stellen dabei sicher, dass kein Abfall, ja nicht einmal eine Zigarettenkippe zurückbleibt.
Das Camp als Ideenschmiede
Auf dem Gelände herrscht eine entspannt optimistische Stimmung. Das Camp, welches von der Zentrale Pratteln zur Verfügung gestellt wurde, ist professionell organisiert: Ein Zeltplatz, auf dem sich über 60 Zelte drängen. Eine Kochgruppe, die dreimal am Tag für veganes Essen sorgt. Komposttoiletten, in denen kein Wasser verschwendet wird. In grossen Zelten finden Workshops über verschiedene Themen statt, z.B. klimabewusstes Essen, Nachhaltigkeit und Vernetzung. Nach der monatelangen Planung und den Aktivitäten der letzten Tage geniessen die Protestierenden die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten und den Erfolg. Pia aus dem Medienteam betont: „Ich glaube, es ist uns gelungen, durch die Blockade und die Medienarbeit das Bewusstsein für die drohenden Gefahren des Klimawandels zu stärken.“
Die Erholung dauert nicht lange, schon kurz nach der Aktion geht es weiter. Eine Gruppe von Aktivisten will noch in die Innenstadt und die Proteste mit einem Improvisationstheater näher an die Menschen bringen. Persönliche Kontakte mit der Bevölkerung hatte es nämlich in den abgelegenen Ölhäfen nur wenige gegeben. Parallel werden noch weitere Workshops angeboten – unter anderem wie man persönlich mit den Höhen und Tiefen eines klimabewussten Lebens umgehen kann. Spontan bricht eine Teilnehmende in Tränen aus, als sie erzählt, dass ihre Freunde, Kollegen und sogar die Familie gleichgültig, zum Teil sogar ablehnend reagierten, als sie anbot, mehr über die Klimabewegung zu berichten. Andere hatten schon Ähnliches erlebt und man spürt die Verzweiflung über die Trägheit und Gleichgültigkeit der Mitmenschen angesichts der drohenden Klimakatastrophe und der Zerstörung unsere Lebensgrundlagen. Der elfjährige Fabian ist mit der eigenen und einer befreundeten Familie da. Er war schon auf einigen Demonstrationen und findet die Aktionen mit Freunden und das Camp-Leben cool. Angst hat er dabei keine, obwohl er die Polizei schon manchmal unheimlich findet, vor allem, wenn viele Polizisten in Kampfmontur auftreten. Auf die Frage, wie er für die Umweltprobleme sensibilisiert worden ist, antwortet er klar: „Von den Eltern und der befreundeten Familie. In der Schule ist der Klimaschutz weniger Thema.“ Mit seinen Mitschülern und auch Lehrern will er deshalb eher nicht über das Camp sprechen, auch er erwartet wenig Verständnis und Interesse für diese Themen.
Zentrale Forderung: Klimagerechtigkeit
Die Klimaaktivisten wissen, dass die Blockade der Öl-Lieferungen in die Schweiz nur symbolischen Charakter hat. Solange Menschen Öl für Autofahrten oder fürs Heizen brauchen, wird es weiterhin Firmen geben, die dieses liefern. Es gilt also die Nachfrage zu verringern Kommunikationsbeauftragte Pia erklärt: „Wir haben lange über die genaue Formulierung der Forderungen diskutiert und konnten diese im Konsens mit dem ganzen Camp festlegen. Zentral ist dabei die drastische Reduktion der Treibhausgas-Emissionen, wobei uns wichtig ist, dass der Ausstieg sozialverträglich und gerecht zu gestalten ist.“ Als Beispiel nennt sie kostenlosen öffentlichen Verkehr und Divestment, also der Abzug von Investitionen aus klimaschädlichen Firmen und Anlagen. Sie betont: „Klimagerechtigkeit muss herstellt werden. Denn vergleichsweise wenige Länder sind für den Grossteil der Emissionen verantwortlich, während zukünftige Generationen und Menschen in Entwicklungsländern stark betroffen sind. Aus diesem Grund haben wir uns für den Slogan CLIMATE JUSTICE entschieden.“
Das spielerische Format kommt gut an, so haben einige grosse Medien, unter anderem sogar das Schweizer Fernsehen, über diese neue Protestform berichtet. Angeregt durch den Erfolg plant das junge, rund zwanzigköpfige Organisationsteam schon die Klimaspiele im nächsten Jahr. Denn um die immer stärker werdende Erderwärmung in den Griff zu bekommen, ist schnelles und drastisches Handeln nötig.