Die Italiener schwärmen von der mediterranen Küche. Fisch und Olivenöl sind gesund und verlängern das Leben.
Die Werbung zeigt uns schlanke Grazien, belle ragazze und gutgebaute sportliche Männer. Was für ein schönes Volk.
Doch schön sind immer weniger. Und die gesunde mediterrane Küche genügt vielen nicht mehr.
46,4 Prozent der Italienerinnen und Italiener sind übergewichtig oder fettleibig: 36,2 Prozent sind übergewichtig, 10,2 Prozent sind fettleibig. Dies geht aus dem eben in Rom veröffentlichten Rapport „Osservasalute“ hervor.
Trendwende
Das Übergewicht hat Folgen. Zum ersten Mal seit es seriöse Statistiken gibt, sinkt die Lebenserwartung der Italienerinnen und Italiener.
Im letzten Jahr betrug die durchschnittliche Lebenserwartung einer italienischen Frau 84,7 Jahre. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Rückgang von 0,3 Jahren.
Ein italienischer Mann wurde 2015 im Durchschnitt 80,1 Jahre alt. Das sind 0,2 Jahre weniger als im Vorjahr.
Dank den medizinischen, chirurgischen und pharmazeutischen Fortschritten, war die Lebenserwartung in Italien nach dem Krieg alle vier Jahre um bis zu zwölf Monate gestiegen. Jetzt also die Trendwende.
Doppel so viele Kalorien wie nötig
Ursache ist der ungesunde Lebenswandel. Er sei verantwortlich für „ein stilles Massaker“, sagt Paolo Scraccia, Professor an der „Università Roma Tor Vergata“ und Präsident der „Società italiana dell’obesità“ (SIO).
„Wir essen zu viel, wir sitzen zu viel, wir bewegen uns zu wenig, wir trinken zu viel Alkohol und rauchen zu viel“. Das seien die Killer von heute“.
Die meisten Italiener würden heute doppelt so viele Kalorien als nötig zu sich nehmen. Immerhin treiben 28,2 Prozent der Bevölkerung Sport. Doch der Rest tut meist gar nichts. Scraccia sagt, um gesund zu sein, müsste jeder Mensch jeden Tag mindestens zehntausend Schritte gehen.
Ein Volk auf Diät setzen
Das Übergewicht und die mangelnde Bewegung führen zu Diabetes, Bluthochdruck, Krebs sowie Herz- und Gefässkrankheiten. Dazu kommt, dass die Italiener immer weniger zur Kontrolle zum Arzt gehen. Auch die Impfquoten sinken. Zehn Millionen Italienerinnen und Italiener rauchen.
Beatrice Lorenzin, die italienische Gesundheitsministerin, fordert jetzt mehr Investitionen in die Prävention und in die Aufklärung. Sie möchte das ganze Volk "auf Diät setzen". Doch das wird wohl nicht einfach sein.
Es wird noch schlimmer
Statistiken zeigen zudem ein Nord-Süd-Gefälle. In Sizilien und in Kampanien (mit der Hauptstadt Neapel) lebt man vier Jahre weniger lang als im Norden.
Doch am meisten Darm- und Magenkrebs wird im Norden diagnostiziert: in Ligurien, im Friaul, in der Emilia-Romagna (mit Bologna) und in Rom.
Am fettleibigsten (schweres Übergewicht, Body Mass Index ab 30) sind Menschen vor allem im Süden, und zwar in den Regionen Molise (14,6 Prozent), Abruzzen (13,1 Prozent), Apulien (11,9 Prozent).
Vor allem die Dicken sind es, die immer mehr zu Antidepressiva greifen. Ihr Konsum hat drastisch zugenommen, vor allem in der Toscana, im Südtirol, in Ligurien, der Emilia-Romania und in Umbrien.
Und es wird noch schlimmer: Laut einem Rapport der in Genf beheimateten Weltgesundheitsorganisation werden im Jahr 2030 75 Prozent der Italiener und Italienerinnen übergewichtig oder fettleibig sein.
Ein schwacher Trost bleibt: in manch andern Ländern zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab.