Worüber wird am 5. Juni eigentlich abgestimmt? Gemäss Initianten über eine Idee, einen Kulturimpuls für die Schweiz, eine neue Wirtschaft und Gesellschaft. Auf ihrer Website nennen sie als Zeithorizont für die Umsetzung das Jahr 2050. Mitinitiant Oswald Sigg ist sogar der Meinung, eine Einführung des BGE sei im nationalen Alleingang unmöglich. Davon steht jedoch nichts im neuen Verfassungsartikel.
Dieser legere Umgang mit der eigenen Initiative verrät, dass die Urheber an einen Sieg in der Volksabstimmung nicht nur nicht glauben, sondern diesen anscheinend nicht einmal erhoffen. Sie betrachten das Plebiszit als Etappe auf dem langen Weg der Verwirklichung einer kühnen Idee. Da sie freimütig zugeben, Ausgestaltung und Finanzierung des BGE seien erst noch zu erfinden, brauchen sie sich einstweilen mit den Kontra-Argumenten nicht gross zu beschäftigen. Auch eine Bereinigung der bisher sogar bei ihnen selbst konträren Ansätze – Finanzierung mit Mehrwertsteuer oder Finanztransaktionssteuer – scheint sich bislang nicht aufzudrängen.
Vor dem Hintergrund von «Industrie 4.0» und «Künstlicher Intelligenz» gibt es sicherlich Gründe, Ideen wie das BGE zu entwerfen und zu prüfen. Wissenschaftlich-technische Entwicklungssprünge haben stets die Welt verändert – wenn auch meist nicht so, wie von den Visionären angekündigt. Die menschlichen Verhältnisse sind zu komplex und lebendig, als dass sie sich kontrolliert umkrempeln liessen. Ehrgeizige Eingriffe haben die Gesellschaft eigentlich stets nur zugrunde richten können. In der Idee des BGE steckt die Utopie vom neuen Menschen, mit der man in der Geschichte nicht die besten Erfahrungen gemacht hat.
Doch selbst ein denkbarer Erfolg der BGE-Vision wäre kein Anlass zur Beruhigung. Im Versprechen der Befreiung vom Zwang zur Erwerbsarbeit und der bedingungslosen lebenslangen Existenzsicherung stecken auch Gefahren. Mit dem BGE befreit der Staat die Menschen nicht nur; er hat sie auch in der Hand. Politische Mehrheiten können die Bedingungen der bedingungslosen Daseinssicherung jederzeit ändern. Der dadurch mögliche politische Durchgriff auf die Existenz der Menschen ist eine ungemütliche Vorstellung.
Nun werden wir also abstimmen. Wer ein Ja einlegt, glaubt vielleicht, ein BGE sei die Lösung für bestehende und kommende Probleme; vielleicht soll es aber nur zum Ausdruck bringen, die Gesellschaft benötige eine Grundlagendebatte und einen Aufbruch.
Das Nein wiederum kann die grundsätzliche Absage an die Idee eines BGE bedeuten; es kann aber auch signalisieren, dass man die Zweckentfremdung des Instruments Volksinitiative ablehnt. Denn in der Tat wird es hier missbraucht für die Lancierung eines in den Kinderschuhen steckenden Jahrhundertprojekts.
Von den genannten Bedeutungsvarianten ist die letzte die einzig solide. Es empfiehlt sich daher ein Nein aus eben diesem Grund.