Kein Zweifel, zum knappen aber deutlichen Scheitern des CO2-Gesetzes haben am Sonntag nicht wenige Parteien und viele verdrehte Schlagworte beigetragen. Doch unabhängig von allen Details bleibt beim Blick auf die wesentlichen Strömungen festzuhalten: Die Freisinnigen waren bei dieser Abstimmung am tiefsten gespalten und tragen deshalb die stärkste Verantwortung für die Niederlage dieser Umweltvorlage. Die Partei hatte sich zwar offiziell für die Ja-Parole entschieden und die Parteichefin Petra Gössi sowie einige Parteigrössen haben im Wahlkampf tapfer, aber wenig effizient für diesen progressiven Umweltkurs gekämpft. Doch eine Reihe von Partei-Matadoren und der grosse Harst der Partei marschierte in die gegenteilige Richtung.
So agitierte der Zürcher Stadtrat Filippo Leutenenegger gegen das Gesetz mit der Behauptung, es handle sich um einen schlechten Kompromiss. Und er war sich nicht zu schade, sein Bild mit auf Propaganda-Inserate zu platzieren, in denen das umwerfende Argument ins Feld geführt wurde, die Schweiz sei ja ohnehin nur für 0,01 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich. Laut einer von Tamedia durchgeführten Nachbefragung haben 63 Prozent der FDP-Wähler gegen das CO2-Gesetz gestimmt. Das spricht nicht für die Glaubwürdigkeit einer Partei mit grünem oder «ökoliberalem Einschlag», wie es die glücklose Parteipräsidentin Petra Gössi dem Publikum schmackhaft zu machen versuchte.
Das Fiasko mit dem CO2-Gesetz ist indessen nur der zweite «Hammerschlag» (NZZ) innerhalb weniger Wochen, der die Verlässlichkeit der FDP als liberale, weltoffene und zugleich ökologisch und sozial engagierte Partei schwer in Zweifel gebracht hat. Auch für das abrupte Versenken des geplanten Rahmenvertrages mit der EU nach siebenjährigen Verhandlungen durch den Bundesrat trägt die FDP eine zentrale Verantwortung. Hätten die beiden FDP-Bundesräte sich gegen diesen Entscheid energisch gewehrt, statt opportunistisch und gegen die ursprüngliche Position der Partei einzuknicken, so hätte sich in dem siebenköpfigen Gremium mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gegenüber der EU flexiblere Haltung durchsetzen lassen.
So aber verhalfen die beiden FDP-Vertreter Cassis und Keller-Sutter im Endeffekt dem kompromisslosen Nein der sturen EU-Gegner von der SVP zum Triumph. Das Gleiche lässt sich zwar auch von den beiden SP-Bundesräten sagen, doch ohne den Flankenschutz der beiden FDP-Vertreter hätten Berset und Sommaruga es möglicherweise nicht gewagt, sich ebenfalls als Steigbügelhalter der Blocher-Partei aufzuführen.
Natürlich gehört es zum Wesen demokratisch organisierter Parteien, dass selbst bei wichtigen Entscheidungen nicht alle Mitglieder und Sympathisanten immer am gleichen Strick ziehen. In der Schweiz gibt es gottlob keine Putin- oder Xi Jinping-Parteien. Und auch beim CO2-Gesetz haben gemäss der erwähnten Tamedia-Umfrage 24 Prozent der SP-Wähler gegen die Ja-Parole der eigenen Partei gestimmt (bei den Grünliberalen waren es 19 und bei den Grünen 11 Prozent). Dennoch bleibt der bestimmende Eindruck: Die FDP ist in entscheidenden Fragen stärker als andere Parteien zerrissen. Sie kann nicht mehr überzeugend sagen, wofür sie steht: Für oder gegen jahrelang im Parlament ausgehandelte Kompromisse zum Umweltschutz? Für oder gegen einen ebenfalls in jahrelangen Verhandlungen zustande gekommenen Rahmenvertrag mit der EU zur Sicherung der allseits gelobten bilateralen Verträge?
Die historisch einflussreichste Partei der Schweiz muss wieder zu einem erkennbaren Profil finden. Einem Profil, mit dem sich auch jene Liberalen, die die Absage des Bundesrates an eine Volksabstimmung über den EU-Rahmenvertrag nicht akzeptieren und die FDP-Verantwortung für das Scheitern des CO-Gesetzes für blamabel halten, identifizieren können. Damit es dazu kommt, braucht es offenbar einen Denkzettel, den die Partei spürt. Die freisinnige Parteipräsidentin Petra Gössi hat die mangelnde Glaubwürdigkeit erkannt und mit ihrem Rücktritt die Konsequenzen gezogen. Dafür verdient sie Respekt.
Für liberale Wähler, die von der FDP mehr Offenheit gegenüber dem Langzeitprojekt eines europäischen Zusammenwachsens und weniger einseitig wirtschaftsliberale Klientelpolitik erwarten, bietet sich als Denkzettel-Lektion bei den nächsten Wahlen die Stimmabgabe für die Grünliberale Partei (GLP) an. Ein GLP-Bundesrat hätte beim Entscheid über den EU-Rahmenvertrag mit Sicherheit eine andere Rolle gespielt als die beiden FDP-Magistraten.