Das Problem ist viel dramatischer. Diese Kanzlerin steht an der Spitze der angeblich grössten Wirtschaftsmacht Europas: Deutschland. Und es ist die weitaus grösste politische Macht Europas, jedenfalls, wenn man den politischen Klagen der Südeuropäer glaubt. Deutschland steht immer noch über allem, aber die Kanzlerin ist unter die Stühle gekrochen.
Sie müsste führen, aber sie sieht nur Probleme. Ihr geht es wie dem Panther von Rainer Maria Rilke, der aus seinem Käfig heraus nur Stäbe sieht, aber keine Welt. Macron ist der erste französische Staatspräsident von Statur in ihrer Amtszeit. Er will Europa, er stösst in seinem Land energisch Reformen an. Keiner weiss, wie weit er kommen wird. Aber ein starker Rückenwind aus Berlin würde ihm Schub verleihen. Doch da findet er nur eine matte Mutti, die alles schon gesehen hat und an nichts mehr glaubt.
Und Trump? Da schickt die matte Mutti ihre Minister vor. Wäre es nicht Sache der Bundeskanzlerin, einmal den Wert von Freihandelsabkommen so zu erklären, dass auch der durchschnittliche Fernsehkonsument ein Aha-Erlebnis hat? Jetzt werden ihm in den Nachrichten nur die Tweets von Trump präsentiert. Es gab einmal einen deutschen Kanzler, der sich nicht zu schade war, Ökonomie zu erklären.
Und Südeuropa? Seit Jahren geistert dort Deutschenhass herum. Da stünde es einer deutschen Kanzlerin gut an, mit beherzten Worten darauf einzugehen, anstatt das Wort einem Kommissionspräsidenten zu überlassen, der sichtlich nicht nur von seinem Amt gezeichnet ist. Oder einem halbseidenen Kommissar Oettinger aus Schwaben.
Angela Merkel hat eines nicht begriffen: Führung besteht nicht darin, einfach nur der Drift zu folgen. Führung erfordert Geist und den Mut, sich auf die Kraft des Geistes zu verlassen. Man kann das Charisma nennen. Wer das nicht hat, taugt nicht zum Kapitän, sondern bestenfalls zum Steuermann.