Mit seinen politischen Gegnern springt er nicht zimperlich um; selbst als Präsident des Europäischen Parlaments schlug er hin und wieder verbal über die Stränge. Und als Kanzlerkandidat der SPD gefällt es ihm ganz offensichtlich, den Volkstribun zu geben, der gegen soziale Ungerechtigkeit wettert und die „selbsternannten Eliten“ das Fürchten lehren will.
Für seine politischen Gegner wäre das alles halb so wild, wenn Martin Schulz der SPD nicht einen kräftigen Vitaminstoss verpasst hätte. Plötzlich scheinen die Genossinnen und Genossen wieder zu spüren, was es heisst, Sozialdemokrat zu sein. Das nennt man ansteckende Begeisterung. Inzwischen sollen 10‘000 Parteieintritte registriert worden sein. Die Spitzenkandidatin der CDU – die CSU hat sich jetzt nolens volens für Angela Merkel ausgesprochen, hält sie aber ersichtlich nicht für spitze – wirkt seit dem Antritt von Schulz nur noch verbraucht und ideenlos.
Und Schulz rührt die Trommel. Die Agenda 2010 gehört für ihn auf den Müllhaufen der Geschichte, auch wenn er es nicht ganz so krass ausdrückt. Wenn jetzt die Ärmel aufgekrempelt werden, dann auch, um „denen da oben“ einmal zu zeigen, wo es lang geht. Schulz muss aufpassen. Wenn er die Begeisterung für sich durch das Schüren von Ressentiments steigern will, dann wird er die Geister, die er rief, kaum wieder los. Auffällig an ihm ist, dass er mehr und mehr in einen unangenehmen Predigerton verfällt. Die „soziale Gerechtigkeit“ nimmt bei ihm quasireligiöse Züge an. Schulz ist ein gebildeter Mann. Er müsste wissen, dass er mit dem Feuer spielt.