Bei Karl Jakob Wegmann, 1928 im glarnerischen Haslen geboren, 1997 in Zürich gestorben, stimmte alles. Nur etwas stimmte nicht. Mit dieser Stimmigkeit und Unstimmigkeit setzt sich die von Gabrielle Boller kuratierte Ausstellung "Aufbruch zu neuen Spielen" im Kunstmuseum Winterthur auseinander. Sie wurde zeitgleich mit dem Erscheinen des Buches "Karl Jakob Wegmann: Die Signatur der Ehrlichkeit" von Ludmila Vachtova eröffnet. Es geht um ein Werk von künstlerischer Kraft und Frische und das unerforschliche Schalten und Walten des Kunstbetriebs.
Entwicklung von Moll zu Dur
Auf dem Weg zu Bedeutung und Berühmtheit stimmte alles: Wegmann war ein unverwechselbarer und insofern auch ein solitärer Künstler, als er sich der Leichtigkeit entzog, in einer Schublade versorgt zu werden. Er konnte bei Max Bollag in Zürich ausstellen, im Kunsthaus Glarus, im Aargauer Kunsthaus, im Zürcher Helmhaus und im Smithsonian Institute in Washington. Zu seinen Auszeichnungen gehörten der Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis und der Glarner Kulturpreis. 1959 wurde Wegmann von Manuel Gasser im "Du" zu den zwölf wichtigsten Nachkriegshoffnungen der jungen Schweizer Kunst gezählt. Er galt als Kultfigur. Alle Voraussetzungen stimmten. Heute ist Wegmann gerade noch einem kleinen Kreis bekannt.
Als wie ungerecht sich das Vergessen darstellt, führt das Kunstmuseum Winterthur vor Augen. Die Farben singen hell und satt. In den Bildern ist ein lässiger Schwung. Die weissen Flächen verschaffen Luft. Witz blitzt auf. Je jünger die Arbeiten sind, desto spielerischer werden sie. Es scheint, die Entwicklung verlaufe von Moll zu Dur.
Das Buch von Ludmila Vachtova, auf seine Art auch eine "Signatur der Ehrlichkeit", ist schön schlicht. Es dokumentiert in chronologischer Abfolge die wichtigsten Bilder. Fotos illustrieren die Biografie. Der knapp erläuternde Text ist kenntnisreich, schnörkellos und freundschaftlich direkt. Die Worte geben den Bildern die kunstgeschichtliche Kontur, der Person des Künstlers Licht, Schatten, Spannung.
Täuschungslose Energie
Trotz aller querdenkerischen Interessanz Wegmanns und der Qualität des Oeuvres blieb seine Resonanz zu Lebzeiten auf Zürich beschränkt und verringerte sich nach seinem Tod gegen Null. Mäzene ermöglichten Wegmann das freie Arbeiten. Gegen den Kunstbetrieb sperrte er sich. Nur im Abstand mehrerer Jahre stellte er aus. Der Kunstbetrieb seinerseits insistierte offenbar nicht, dem Einzelgänger die Wirkung zu erhöhen. Gegen diese Tatsache der bescheidenen Beachtung werden post mortem weder die Winterthurer Ausstellung noch die Monographie nachhaltig etwas auszurichten vermögen.
Wollten wir es bedauern, würden wir die Bedeutung eines Künstlers letztlich nur an seiner Fähigkeit, wenn nicht gar an seiner Willfährigkeit messen, sich der kunstbetrieblichen Resonanzmaschine clever zu bedienen. Das wollte und konnte Wegmann nicht. Er generierte keine Auktionspreise, die uns dem Atem verschlagen, aber uns im Zweifel lassen, ob wir über eine künstlerische Leistung staunen oder über das Geschick des Kunstmanagements.
Bei Wegmann sind wir sicher, keiner Täuschung zu erliegen. Unser Blick geht direkt auf die Bilder, die uns mit ihrer eigenen Energie in den Bann ziehen. So betrachtet stimmte bei Wegmann alles. Es gibt ein Recht aufs Einzelgängertum. Diese Bestätigung ist das grosse Verdienst der Ausstellung und der Monographie.
Kunstmuseum Winterthur, bis 6. April 2015
Ludmila Vachtova, Karl Jakob Wegmann: Die Signatur der Ehrlichkeit. 192 S., 150 farbige und 10 s/w Abbildungen, Verlag Scheidegger & Spiess. CHF 59.–