Was wir von Geheimdiensten wissen, ist das, was nicht geheim geblieben ist. Und das ist, nimmt man die amerikanischen als Massstab, in letzter Zeit nicht gerade wenig gewesen. Beinahe täglich gab es Lecks. Frühere Geheimdienstler äusserten sich öffentlich in einem Ausmass, das man nicht wirklich gewohnt ist und in einer Deutlichkeit, die unschwer erkennen liess, dass da auch ein paar offene Rechnungen beglichen werden sollten.
Da Donald Trump die Geheimdienste verschiedentlich, also eigentlich immer, wenn ihm das persönlich zu dienen schien, als unfähig bezeichnete, braucht er sich so recht eigentlich nicht zu wundern, wenn diese nun zurückschlagen und wenig geheim sein lassen, was vielleicht gar nie geheim hätte sein sollen.
„Ohne einen starken, gewitzten, aufmerksamen Geheimdienst können Präsidenten und Generäle blind und handlungsunfähig werden. Aber niemals in ihrer Geschichte als Supermacht haben die Vereinigten Staaten über einen solchen Nachrichtendienst verfügt“, schreibt Tim Weiner in „CIA. Die ganze Geschichte“. Dazu kommt, dass Geheimdienste oft nicht einmal in der Lage sind, ihre eigenen Leute zu schützen. Erst vor kurzem hat China, laut verschiedenen Berichten, etliche CIA-Quellen umgebracht. Ob ein Maulwurf dahinter steckt, ist noch nicht klar.
Mit Hilfe von Fledermäusen Tokio zerstören
Dass es kompetente, der Sache verpflichtete Geheimdienstler gibt, ist nicht auszuschliessen, doch in die Führungsetage schaffen es, wie in anderen Organisationen auch, natürlich eher die, welche die herrschende politische Macht und Meinung bestätigen und bereit sind, jeden von der politischen Führung angeordneten Unsinn (die angeblichen Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein) und jede Abscheulichkeit (von Waterboarding bis zu Überführungen von Gefangenen in Länder, deren Regierungen keine Mühe mit Folterungen zu haben scheinen) auszuführen.
Wer sich ein Bild davon machen will, was für Leute sich so in Geheimdiensten tummeln, wird in Tim Weiners CIA-Geschichte vielfältig fündig. So äusserte sich etwa David K. E. Bruce, in den 1940er Jahren die rechte Hand des damaligen US-Geheimdienstchefs General Donovan, wie folgt über diesen: „Er spielte mit Einfällen. Wenn er aufgeregt war, schnaubte er wie ein Rennpferd. Wehe dem Agenten, der ein Vorhaben ablehnte, weil es auf den ersten Blick lächerlich oder zumindest ungewöhnlich schien. Ein paar qualvolle Wochen lang habe ich unter seinem Kommando prüfen müssen, ob es möglich wäre, mit Hilfe von Fledermäusen, die man aus ihren Massenquartieren in den Höhlen des Westens holen wollte, Tokio zu zerstören.“ Die Idee war offenbar, so Weiner, ihnen Brandbomben auf den Rücken zu schnallen und sie in der Luft auszusetzen.
Dusseligkeit und Ignoranz
Ziemlich abgedrehte Vorstellungen und Aktivitäten sind offenbar nicht nur bei den Geheimdiensten, sondern auch beim Special Forces Command Center der amerikanischen Armee in Fort Bragg, North Carolina, gang und gäbe. So berichtet der Dokumentarfilmer und Autor Jon Ronson in seinem „The men who stare at goats“ unter anderem von Major General Albert Stubblebines erfolglosen Versuchen, durch Wände zu gehen. Stubblebine war Chef der US Army Intelligence in den frühen 80er Jahren und machte sich für den Einsatz psychischer und telepathischer Kräfte im Krieg stark, weshalb er auch als „spoonbender“ (Uri Geller wurde offenbar auch beigezogen) bekannt war.
Leuten ausgeliefert zu sein, denen man so ziemlich gar kein Vertrauen schenken mag, ist ja schon schwer genug. Kommt dann aber noch dazu, dass da einem fast täglich vorgeführt wird, dass diese Leute offenbar noch unfähiger sind, als man eh schon ausreichend Gründe hatte zu befürchten, lässt den Verdacht aufkommen, ihre Dusseligkeit und Ignoranz sei womöglich gefährlicher als alle Terroristen zusammen.
Vorbereitete Antwort ablesen
Das neueste Leck betrifft die unerlaubte Weitergabe des Namens des Selbstmordattentäters sowie von Fotos vom Anschlag in Manchester seitens der amerikanischen Geheimdienste. Aus britischen Regierungskreisen verlautete, das sei „komplett inakzeptabel“ und Theresa May habe dies Donald Trump am Brüsseler Nato-Gipfel unmissverständlich klar gemacht, worauf dieser, so „Spiegel online“, das US-Justizministerium und andere relevante Behörden angewiesen habe, der Sache auf den Grund zu gehen. Ob Trump die richtige Adresse für so eine Klage ist, scheint einigermassen fraglich. Einerseits leidet er schliesslich selber unter Lecks, andererseits gibt er ja selbst Geheiminformationen nach Belieben (sei es an Sergey Lavrov, sei es an Rodrigo Duterte) weiter. Ja, es ist noch nicht lange her, dass er Russland gar öffentlich aufforderte, Hillary Clintons verschwundene E-Mails ausfindig zu machen.
Ob Donald Trump sich bei ihr für die Lecks entschuldigt habe, wurde Theresa May von einer britischen Journalistin anlässlich ihrer Pressekonferenz in Taormina gefragt. Sie umging die Frage, wie das Politiker eben so tun, und ich fühlte mich, wie so oft bei den Frage- und Antwort-Spielen bei Pressekonferenzen, an Henry Kissinger erinnert, der einen solchen Anlass einmal grinsend wie folgt einleitete: Auf welche Fragen von Ihnen soll ich meine vorbereiten Antworten ablesen?