Aber es geht doch. Und nach und nach kommt heraus, dass die NSA und andere Geheimdienste der USA viel mehr und viel intensiver auch in Deutschland Daten ausforschen, als man noch im letzten Sommer angenommen hatte. Was offensichtlich wirklich nicht geht, ist, den Freund an seinem Tun zu hindern. Das hat die Kanzlerin inzwischen wohl erfahren müssen.
Der Vizekanzler Gabriel wiederum attackiert deswegen seine Chefin in aller Öffentlichkeit und stellt auch noch ihre Glaubwürdigkeit in Frage. Er habe sie zweimal „gefragt“ – soll heissen: zur Rede gestellt -, zweimal habe sie Verdächtigungen amerikanischer Industriespionage zurück gewiesen. Er, Gabriel, habe „keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln.“ Das heisst im Klartext: Wer ihr glaubt, kann selig werden.
Das bisschen Koalitionskrach, den Gabriel zelebriert, verdeckt den fundamentalen Skandal des Rechtsstaates. In diesem Skandal geht es um Sein oder Nichtsein der Demokratie. Kann die Demokratie dulden, dass in ihr übermächtige Organisationen operieren, die sich jeder Kontrolle entziehen, indem sie sich auf ihren modus operandi der Geheimhaltung berufen?
Geheim ist geheim, und wer am Geheimnis rührt, zerstört den Schutz, der nur durch die Wahrung des Geheimnisses aufrecht erhalten kann. Demnach wäre die Demokratie der Störfall der Geheimdienste. Aus Sicht der Demokratie müsste entgegnet werden: Freiheit wird verteidigt, indem man sie gebraucht. Die Demokratie wird verteidigt, indem sie ihre Rechte wahrt und Macht kontrolliert. Geheime Verfahren mögen notwendig sein, sind aber Grenzfälle, die ganz besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.