In der Kürzestversion zeigt die Ostergeschichte aus dem Neuen Testament zwei absolut gegensätzliche Momente. Sie umreissen ein Geschehen mit den Polen Tod und Auferstehung. Hier ist die wohlbekannte Erzählung:
Nachdem die religiösen Autoritäten Jesus von Nazareth bei der römischen Besatzungsmacht als Aufrührer denunziert haben, wird er verurteilt und auf dem Hügel Golgatha vor den Toren Jerusalems gekreuzigt. Am dritten Tag danach finden Frauen aus seiner Gefolgschaft das Grab leer. Jesus „erscheint“ zuerst ihnen, dann sukzessive weiteren Angehörigen seines Kreises. Für sie heisst das: Er lebt. Die Nachricht von der Auferstehung des getöteten Jesus verbreitet sich und wird zur Basis des Glaubens an ihn.
Kenntnisse der damaligen religiösen Vorstellungen können zu einem historisch-kritischen Verständnis dieser Geschichte beitragen. Dazu muss man wissen, dass zum grösseren Rahmen der Erzählung von Passion und Auferstehung die allgemeine Überzeugung gehörte, das Weltende sei nahe. In dieser Endzeit würden die Toten auferweckt, damit sie vor dem Jüngsten Gericht ihr endgültiges Urteil empfangen: als Erlöste – oder Verdammte. Vor diesem Hintergrund erschien der aus dem Tod erweckte Jesus als Vorläufer des Kommenden. Damit war er quasi Garant für die in der apokalyptischen Weltsicht ausgedrückte Wahrheit, nämlich, dass Gott die Guten – und mit ihnen das Gute – ins Recht setzen werde.
Zur Glaubenssache geworden
Im Lauf der Christentumsgeschichte entschwand die Apokalyptik aus dem religiösen Common Sense. Das ursprüngliche breite Panorama einer buchstäblich zu Ende gedachten Welt ging damit verloren. Der Begriff der Auferstehung wurde zum isolierten und zentralen Kennzeichen der Christusgeschichte. An diesem Wort sollten sich die Geister scheiden. Die Auferstehung war zur Glaubenssache geworden: Entweder man glaubte an sie – und war ein Christ, oder man bestritt sie – und war keiner.
Glaube, verstanden als Ja-Nein-Entscheidung, konstituiert die binäre Struktur einer autoritären Religion. Es ist die gleiche Struktur, die einer rationalen Religionskritik alle nur wünschbaren Angriffsflächen darbietet. In deren Sicht ist die Annahme einer Auferstehung unplausibel und stempelt den Glauben zur leeren Behauptung. Eine solche trotz wohlbegründeter Einwände aufrecht zu erhalten, entspringt aus nichtgläubiger Sicht etwa der gleichen Haltung wie das sattsam bekannte Insistieren auf „alternativen Fakten“.
Nicht ob, sondern wozu
Lebendig geworden – ja oder nein? So fragt, wer sich – als Gläubiger oder als Nichtgläubiger – der binären Struktur von Religion unterwirft. Doch die Frage war ursprünglich eine andere: Nicht ob da einer lebendig geworden sei, sondern wozu. Ein Film von 1969 hat diese vorwärts statt rückwärts gerichtete Frage im Rahmen einer ganz anderen Geschichte zum Thema gemacht.
Constantin Costa-Gavras’ „Z“ erzählt die Geschichte um den politischen Mord am griechischen Arzt und Friedensaktivisten Grigoris Lambrakis. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges kämpfte dieser gegen die Stationierung von Atomwaffen in seinem Land. Nach einer Protestdemonstration 1963 in Saloniki wurde er von Auftragsmördern überfahren und zu Tode geprügelt.
Dem unbeugsamen jungen Untersuchungsrichter Christos Sartzetakis (gespielt von Jean-Louis Trintignant) war es zu verdanken, dass der Fall trotz aller Interventionen mächtiger Hintermänner zunächst nicht vertuscht werden konnte. Das vier Jahre dauernde Verfahren brachte vielmehr immer neue Machenschaften an den Tag. Selbst das Verschwindenlassen von Zeugen gehörte dazu. Erst nach der Machtübernahme der Militärs 1967 wurde die in der Öffentlichkeit mit Leidenschaft verfolgte Untersuchung abgewürgt. Sartzetakis kam unter dem Obristenregime in Gefangenschaft und wurde gefoltert.
Zeichen des Widerstands
Nach dem politischen Mord und erst recht unter der Fuchtel der Diktatur waren Lambrakis und der mutige Sartzetakis Symbolfiguren der zunehmend verfolgten Opposition. „Z“ erzählt die Geschichte des Widerstands gegen Willkürherrschaft und Diktatur. Der Film folgt dabei dem gleichnamigen Tatsachenroman von Vassilis Vassilikos. „Z“ – für altgriechisch Zei, er lebt – war unter dem Obristenregime die Devise und das Erkennungszeichen der Unbeugsamen. Alle wussten, dass „Z“ sich auf den ermordeten Lambrakis bezog. Dieses „er lebt“ signalisierte: Der Widerstand lebt.
Niemandem wäre eingefallen, dieses „Z“ auf seine Faktizität hin befragen zu wollen. Ein solches Zeichen lässt sich nicht aus neutraler Warte examinieren, sondern es ist dasjenige, welches fragt – nämlich: Auf welcher Seite stehst du?
Auf diese Frage gaben übrigens die am Film Mitwirkenden eine klare Antwort. Costa-Gavras setzte trotz immenser Schwierigkeiten alles daran, dieses Projekt zu verwirklichen. Er musste eigens eine Produktionsgesellschaft gründen und den Film in Algier drehen. An der Finanzierung beteiligten sich auch die Stars Yves Montand, Jean-Louis Trintignant, Irene Papas und andere, indem sie auf Honorare verzichteten.
Bewegendes Politdrama
Der Film „Z“ inszeniert die auf historischen Fakten basierende Geschichte spannend und aufwühlend. Costa-Gavras hat damit nicht nur sein wichtigstes Meisterwerk, sondern auch einen stilbildenden Klassiker im Genre des Politdramas geschaffen. Der mit zwei Oskars und vielen weiteren Preisen ausgezeichnete Film wirkte weltweit als Fanal gegen die griechische Militärdiktatur und war nicht nur in Griechenland, sondern in auch anderen ähnlich geknebelten Ländern verboten: Spanien, Portugal, Brasilien.
„Z“ wurde weit über Griechenland hinaus zum stimulierenden Aufruf für Freiheitskämpfe. Es heisst auch, das gewaltige Echo des Films sei einer der Gründe dafür gewesen, dass die griechischen Obristen auf internationalem Parkett isoliert blieben und es nie schafften, als legitime Herrscher akzeptiert zu werden.
So verschieden die Geschichten des Grigoris Lambrakis und des Jesus von Nazareth sind, haben sie doch klare Parallelen in ihren Wirkungen. Die Leben der beiden erschöpften sich nicht in biografischen und politischen Fakten, sondern haben Echos erzeugt und Bewegungen ausgelöst, die nach dem gewaltsamen Tod weitergegangen sind.
„Z“ oder „Christus ist auferstanden“, beides behauptet nicht die unmögliche Tatsache eines rückgängig gemachten Todes, sondern appelliert, dem Tod nicht das letzte Wort zu überlassen. Es scheint Situationen zu geben, in denen der Sinn solch eines „Er lebt!“ wie von selbst verstanden wird.