«Wir geben Feedbacks, wir verteilen keine Noten.» So erklärt die Abteilungsleiterin einer Wirtschaftshochschule Sinn und Zweck von Quality Management. Und die Zeitung, die eine Bewertung der Arbeit der Bundesratsmitglieder eingeholt hat, titelt: «Parlamentarier verteilen Noten».
Manche Unternehmen, die ihre Angestellten nach Leistung entlöhnen, sind dazu übergegangen, für deren Qualifikationen Quoten vorzugeben. Dies soll dem Hang von Vorgesetzen, ihre Untergebenen allzu gut einzustufen, entgegenwirken. Die Quoten widerspiegeln die Vorstellung, Qualitäten seien statistisch immer etwa gleich verteilt; es gebe überall je zwanzig Prozent Hervorragende und Ungenügende sowie einen grossen Rest von flauem Durchschnitt.
Nur wer so denkt, kann Noten «verteilen». Das Verteilen ist ein Vorgang, bei dem Teile einer vorhandenen Menge von Dingen (oder eben Noten) bestimmten Empfängern zugewiesen werden. Wenn alle Top-Qualifikationen schon verteilt sind, gibt es eben keine mehr; wer noch nicht dran war, muss mit einer anderen Note Vorlieb nehmen.
Wenn Noten jedoch die individuelle Leistung abbilden und nicht ein statistisches Muster reproduzieren sollen, so werden sie nicht «verteilt», sondern «erteilt». Das Erteilen meint einen Entscheid, einen autoritativen Akt. Es bezeichnet stets ein Gefälle vom Erteilenden zu demjenigen, dem erteilt wird. Das Verteilen hingegen ist eher der Vollzug eines anderweitig festgelegten Handelns; es kann völlig getrennt vom Entscheid erfolgen.
Das Verteilen von Noten ist eine überaus beliebte Formel. Sie hat stets einen ironischem Unterton: Es hat sich mal wieder jemand als Schulmeister aufgespielt. Mit dieser Formel jedoch stellt die Ironie sich selbst ein Bein. Sie stolpert über das eigene Unvermögen, sprachliche Feinheiten zu unterscheiden. Denn schulmeisterlich ist ja wohl einzig das Erteilen von Noten.