Farbige Redewendungen und Metaphern machen Texte lebendig – wenn’s gutgeht.
«Wie gross soll das Auge sein, das der Staat auf das Internet und seine Benützer werfen darf?» Der Satz steht in der Bildlegende des NZZ-Artikels vom 12. August über das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf). Eine trockene Materie, ein korrekt informierender Bericht. Am folgenden Tag wird die nationalrätliche Rechtskommission das Büpf behandeln. Da sollen die Leser voraus Bescheid wissen, um das Ergebnis der Kommissionsarbeit dann einordnen und werten zu können. Überschriften und Lead wecken Interesse, und der Text leistet, was er soll. Gute Platzierung und ein Symbolfoto verschaffen dem Beitrag Aufmerksamkeit. Alles perfekt.
Bloss bei der Bildlegende wollte es jemand allzu gut machen, wollte ein bisschen Emotion reinbringen in die mit viel Technik und Juristerei befrachtete Story. Doch die schöne Redensart verfehlt hier das Ziel. Zwar stimmt sie insoweit, als es beim Streit ums Büpf um das Ausmass der von Strafverfolgern begehrten Kontrollen geht. Begehrlichkeit ist zwar auch das Thema der verwendeten Redensart, doch die in der Bildlegende herausgehobene Grösse des geworfenen Auges spielt beim Begehren keine Rolle. – Der bildhafte Satz ist ins Auge gegangen.
Das Beispiel ist typisch. Viele Schreiber und Redner stopfen ihre Texte voll mit bildhaften Redensarten und Metaphern. Sie wollen sich ansprechend, unterhaltsam und originell äussern. Manchmal hat man allerdings den Verdacht, sie benützten solche rhetorischen Fertigteile, um die eigene Denkarbeit abzukürzen. Die bildhafte Sprache mit ihrer Eigenlogik kann solche Mängel vielleicht auf den ersten Blick etwas kaschieren. Doch die Camouflage ersetzt klare Aussagen nicht.
Eine andere Art von metaphorischen Betriebsunfällen – und hierzu gehört unser Beispiel – rührt daher, dass Sprachbilder verwendet werden, die sich flüchtig oder nur vermeintlich mit dem Gegenstand berühren. Das passiert dann, wenn der Sinn einer Redensart oder Metapher nicht beachtet oder nicht verstanden wird.
Bildhafte Ausdrücke stammen aus bestimmten Sach- und Sinnwelten und können nicht beliebig verpflanzt werden. Ihr Reiz liegt gerade darin, dass sie stets ihren ursprünglichen Kontext mit sich führen. Wer beispielsweise «vor Ort» sagt, knüpft an die Sprache der Bergleute an; und wenn diese Reminiszenz gar nicht passt, ist der Ausdruck eigentlich fehl am Platz – eigentlich, denn «vor Ort» ist längst zur beliebigen Allerweltsfloskel geworden.
Wie aber merkt man, dass ein Ausdruck zu den fest geprägten bildhaften Wendungen gehört, die ihren eigenen Sinn haben? Die richtige, aber hochnäsige Antwort ist: Man muss es halt wissen. Doch damit blamiert sich garantiert jedermann. Die behelfsmässige Auskunft heisst: Es gibt Indizien, die einen veranlassen können, die Sache zu überprüfen. Klingt ein Ausdruck im Standarddeutsch etwas fremd, sieht er wie eine stehende Formel aus und taucht immer mal wieder auf, dann besteht Verdacht: Es könnte eine überlieferte Redewendung sein, die einen ganz bestimmten Sinn hat. Und dann schaut man halt mal nach.
Das klassische Hilfsmittel dafür war «der Büchmann» (Georg Büchmann, Geflügelte Worte). Heute sind Wortbedeutungen im Internet mit Suchmaschinen leicht zu eruieren. Empfehlen kann man ferner die Wikipedia-Liste der deutschen Redewendungen, den Redensarten-Index oder die Site Redensarten.net. Auch Zwiebelfisch, Bastian Sicks Sprachkolumne auf «Spiegel-online», erleichtert mit einem alphabetischen Register das Auffinden passender Einträge.