In einer sechsminütigen Fernsehansprache zur besten Sendezeit sagte Präsident Joe Biden: «Es gibt in Amerika keinen Platz für diese Art von Gewalt, für jegliche Gewalt. Punkt. Keine Ausnahmen. Wir können nicht zulassen, dass diese Gewalt normalisiert wird.» Biden sprach wenige Stunden vor Beginn des Republikanischen Parteikongresses in Milwaukee, an dem Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden soll. Beobachter sind sich einig, dass das Attentat auf den Ex-Präsidenten der Kandidatur Bidens zusätzlich schaden wird.
Biden erklärte in seiner Fernsehansprache, er werde für eine weitere vierjährige Amtszeit kämpfen. Doch der Druck auf die Demokraten, Biden auszuwechseln, hat nach dem Attentat in Pennsylvania stark zugenommen. «Trump ist jetzt ein Märtyrer», heisst es auch in demokratischen Kreisen, «seine Wahl gegen einen schwachen Biden ist so gut wie sicher.» Trumps erhobene Faust, seine Blutspritzer auf dem Gesicht und seine Worte «kämpft, kämpft, kämpft» würden zur Ikone des Wahlkampfes werden. Erst Umfragen zeigen eine weitere Popularitätszunahme des Ex-Präsidenten.
Nach dem Attentat gab Trump der New York Post ein Interview. Er zeigte dem Reporter eine grosse Prellung an seinem rechten Unterarm, die er sich nach eigenen Angaben zugezogen hatte, als Agenten wie «Linebacker» auf die Bühne stürmten, um ihn zu schützen. Der ehemalige Präsident trug während des Interviews einen «losen, grossen weissen Verband, der sein rechtes Ohr bedeckte», und seine Mitarbeiter sagten der Post, dass die Zeitung keine Fotos von ihm machen könne.
«Ich sollte nicht hier sein, ich sollte tot sein», sagte Trump. «Durch Glück oder durch Gott, viele Leute sagen, es ist durch Gott, dass ich noch hier bin.» Trump sprach die Fotos an, auf denen er mit Blut im Gesicht die Faust hebt und «Fight!» sagt. «Viele Leute sagen, es sei das ikonischste Foto, das sie je gesehen haben», sagte Trump. «Sie haben Recht, und ich bin nicht gestorben. Normalerweise muss man sterben, um ein ikonisches Bild zu bekommen.»
Trump sagte der Zeitung, er wollte nach der Schiesserei weiter sprechen, aber der Secret Service habe darauf bestanden, dass er ins Spital gehe.
FBI-Beamte erklärten, sie hätten keine Anzeichen dafür gefunden, dass der 20-jährige Schütze, der als Thomas Matthew Crooks aus Bethel Park, Pennsylvania, identifiziert wurde, Teil eines grösseren Komplotts gewesen sei. Ebenso seien keine Beweise dafür gefunden worden, dass der Schütze psychische Probleme hatte. In seinem Besitz soll sich auch ein «rudimentärer Sprengsatz» befunden haben. Die Familie des Schützen kooperiere bei den Ermittlungen, erklärt das FBI.
FBI-Beamte bestätigten, dass der Vater des Schützen das halbautomatische Gewehr vom Typ AR-15 gekauft hatte, das in der Nähe der Leiche gefunden wurde – ein Waffentyp, der bei vielen Massenerschiessungen verwendet wird. Unklar ist, ob der Vater das Gewehr dem Schützen gegeben hat oder ob es Thomas Matthew Crooks unerlaubterweise an sich genommen hatte.
Eine Analyse von Videos der Veranstaltung durch die New York Times legt nahe, dass der Schütze acht Schüsse vom Dach eines kleinen Gebäudes abfeuerte, das nur wenige hundert Meter von der Bühne entfernt war, auf der Trump sprach.
Laut CNN war Thomas Matthew Crooks Mitglied des Clairton Sportsmen’s Club in Pennsylvania, der nach Angaben des Anwalts des Clubs einen Schiessstand von 200 Yards hat. Er machte keine Angaben darüber, wann Crooks den Club das letzte Mal besucht hat oder ob er den Schiessstand benutzt hat.
Er machte vor zwei Jahren seinen Abschluss an der örtlichen High School, war gut in Mathematik und Naturwissenschaften, wie eine Auszeichnung beweist, und wird als «einsam» und mit wenigen Freunden beschrieben, der keine Gefühle zeigt und offenbar gemobbt wurde.
Biden sagte, er habe den Secret Service angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen für den Parteitag der Republikaner zu überprüfen. Er versprach, «jede notwendige Ressource und Schutzmassnahme zur Verfügung zu stellen, um seine (Trumps) Sicherheit zu gewährleisten».
«Wir müssen uns als eine Nation vereinen», sagte Biden. «Wir müssen uns als eine Nation vereinen, um zu zeigen, wer wir sind.»
Beim Attentat in Pennsylvania starb der 50-jährige Corey Comperatore. Verletzt wurden ein 57-Jähriger und ein 74-Jähriger. Beide liegen noch immer im Spital.