Als eine der wenigen Massnahmen wurden systemrelevante Grossbanken nach dem Desaster der Finanzkrise 1 dazu verpflichtet, in einem «Testament» aufzuzeigen, wie eine Abwicklung im Krisenfall möglich wäre, ohne den Steuerzahler zu belasten. 11 Banken, darunter UBS und Credit Suisse, müssen US-Behörden seit 2012 darlegen, was sie im Falle eines Kollapses zu tun gedenken. Die Schweizer Aufsichtsbehörde FINMA sagt keinen Ton dazu, in den USA werden immerhin die Ergebnisse öffentlich kommentiert.
Versemmelt
Das Urteil der US-Aufsichtsbehörden FED und FDIC ist vernichtend: Die Annahmen für einen Krisenfall seien «unrealistisch» und «inadäquat», zudem wurden nicht genügend Veränderungen an den Firmenstrukturen vorgenommen, um eine allfällige Abwicklung zu vereinfachen. Es wird nun darüber nachgedacht, die versemmelten Testamente als «nicht glaubwürdig» zu erklären. Das könnte für die betroffenen Banken mit einer Bilanzsumme von insgesamt rund 10 Billionen (10'000 Milliarden) Dollar Folgen haben.
Aber gemach. Die USA haben zwar ihren Bankensektor entschieden tatkräftiger aufgeräumt als die EU. Oder die Schweiz. Viele Banken wurden dort abgewickelt, während in Europa noch jede Menge Zombie-Banken umherwanken, wie sich gerade im Fall der portugiesischen «Banco Espirito Santo» zeigte. Und die Resultate des nächsten europäischen Bankenstresstests werden von vielen Geldhäusern mit Bangen erwartet.
Aber weder hüben noch drüben des grossen Teichs ist auch sieben Jahre nach der Finanzkrise 1 erkennbar, dass irgend etwas unternommen wurde, um das Grundproblem des Bankensystems anzugehen: die Leverage. Das bedeutet, dass alle Grossbanken weiterhin mit viel zu geringem Eigenkapital viel zu grosse Bilanzräder drehen, mit Hebeln bis zum Fünfzigfachen. Animiert durch kriminelle Flutung mit Gratisgeld durch die Notenbanken. Sobald sie systemrelevant sind, werden sie zudem geschützt durch die Garantie des Steuerzahlers, ihnen notfalls unter die Arme zu greifen.
Verloren im Dschungel
In den USA fand kürzlich ein Hearing statt, in dem es um die Frage ging, wie es eigentlich um den aktuellen Wert der Multimilliarden Steuergelder stehe, die während der Finanzkrise 1 und danach in wankende Banken gepumpt wurden. Zur Berechnung wurden, kein Scherz, 42 verschiedene Modelle mit jeweils anders gewichteten Variablen verwendet. Überraschungsfreies Resultat: Das kann man so oder so sehen; positiver Wert, negativer, neuraler, nicht bestimmbarer.
Noch wichtiger: Es wurde immerhin die Frage gestellt, zu welchem Betrag eigentlich die implizite Staatsgarantie für Grossbanken, die «too big to fail» sind, verzinst werden müsste. Also welche Risikoprämie der Steuerzahler dafür erhalten sollte, dass er im Ernstfall sein Geld ins Feuer stellt. Da wurde die nicht unrealistische Zahl von 15 Prozent in die Runde geworfen. Was natürlich weltweit von keiner Bank abgeliefert wird.
Risikofreude
Zudem ist es völlig klar, dass ein Unternehmen umso risikofreudiger handelt, umso sicherer es sein kann, dass ihm die Todesstrafe im Kapitalismus, der Bankrott, nicht droht. Ein weiterer Triebsatz für unverantwortliches Risikoverhalten besteht in der weitgehenden Abkoppelung von Incentives, vulgo Bonus, für leitende Manager vom nachhaltigen Ertrag ihrer Handlungen. Die anhaltenden Bonus-Orgien trotz gigantischer Vernichtung des Aktienwerts bei UBS und CS sind dafür nur ein Beispiel.
Bei all dem ist nicht einmal berücksichtigt, dass sich die meisten Grossbanken den wenigen Eingriffen der Regulatoren schon längst durch den Aufbau von Schattenbanken und Dark Pools entzogen haben. Diese völlig unregulierten dunklen Zwillingsbrüder der offiziellen Bankenstrukturen beherrschen beispielsweise in den USA bereits mehr als die Hälfte des klassisch-langweiligen Hypothekargeschäfts. Und um störenden Bestimmungen offizieller Börsen zu entgehen, wird in weitgehend regellosen und staatlich völlig unkontrollierten Dark Rooms gehandelt und geschachert.
Puppenspiele vor dem Vorhang
Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wird durch vermeintlich energische Massnahmen gegen Steuerhinterziehung abgelenkt. Fatca, Automatischer Informationsaustausch, eine Flut von Bestimmungen und Regeln täuscht Aktivität vor. Kaum einem fällt dabei auf, dass die eigentlichen Steueroptimierer, multinationale Konzerne, davon überhaupt nicht betroffen sind. Kaum einem fällt auf, dass die weltweiten Grossbanken heutzutage ein noch viel grösseres Risiko für das internationale Finanzsystem darstellen als weiland 2007.
Kaum jemandem fällt auf, dass deren Risiken für die ohnehin verlumpten Industriestaaten unvergleichlich gefährlicher sind als reiche Schweinebacken, die sich ihrer staatsbürgerlichen Pflicht der Ablieferung von Steuern entziehen wollen. Oder konkret: Alleine der Schaden, den die völlig unkontrolliert über Jahre vor sich hinwurstelnde Holding der «Banco Espirito Santo» anrichten konnte – und wir sehen da mal wieder zurzeit nur die Spitze eines Eisbergs – ist unvergleich grösser als alle Verluste durch Entziehung von Steuersubstrat von vermögenden Portugiesen.
All die Gegenmassnahmen zur Bekämpfung von unheiligem Schwarzgeld sind nur Puppenspiele vor dem Vorhang. Zur weiteren Unterhaltung des Publikums tanzt auch der russische Bär über die Bühne und verbreitet Erschauern und Entsetzen. Während es hinter dem Vorhang lichterloh brennt. Und die Staatsfeuerwehr meint, mit Fluten von Gratisgeld kann man das schon unter Kontrolle halten.