Seine Ausbildung genoss er am französischen Lycée in Saigon, in China und in Frankreich. Danach war er König, Ministerpräsident, Aussenminister, Repräsentant seines Landes bei den Vereinten Nationen, Staatsoberhaupt, Präsident einer Exilregierung, Präsident eines Nationalrats und wieder König.
Er wurde gestürzt und wieder eingesetzt, als Gefangener erniedrigt und als Halbgott angebetet, trat zurück und kam wieder. Er war eine der schillerndsten Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts, überlebte das Kolonialsystem, amerikanische Destabilisierungsversuche, einen Militärputsch, Krieg, Intrigen und eine Revolution.
Trotz seiner immensen persönlichen Eitelkeit und seines oftmals unberechenbaren, sprunghaften Verhaltens ermöglichten ihm sein Status in der Tradition einer göttlichen Monarchie und die endemische Zersplitterung in kleine und kleinste Gruppen, die seine Gegner nie überwinden konnten, über sechzig Jahre lang die politischen Geschicke seines Landes zu dominieren. Er repräsentierte das einzige Symbol Kambodschas, das so etwas wie eine nationale Einheit darstellte.
Kein König von Frankreichs Gnaden
Samdech Preah Norodom Sihanouk wurde am 31. Oktober 1922 in Phnom Penh in die über 1200 Jahre alte königliche Familie Kambodschas geboren. In der Annahme, ein verzogener Teenager sei leichter beeinflussbar, übergingen Vichys Kolonialvertreter seinen Vater und krönten ihn nach dem Tod seines Grossvaters im April 1941 zum König.
Doch nach dem Krieg spielte der Jüngling ein neues Spiel. Er setzte auf die nationalistische Karte und gab damit sowohl den Franzosen als auch rivalisierenden republikanischen wie sozialrevolutionären Gruppierungen das Nachsehen. Am 8. November 1953 erklärte er die Unabhängigkeit Kambodschas, die 1954 auf der Genfer Indochina-Konferenz bestätigt wurde. Zwei Jahre später dankte er zugunsten seines Vaters als König ab und übernahm die Regierungsgeschäfte, die er bis zu seinem Sturz 1970 unnachgiebig gegen jede Opposition führte.
Personenkult und andere Eitelkeiten
Als sein Vater 1960 starb, ernannte er sich zum Staatsoberhaupt einer Monarchie ohne Monarch. Fortan entwickelte er einen Kult um seine Person, vergleichbar nur mit Chinas Mao-Kult. "Sihanouks Bild hing überall in der Stadt", schrieb Michael Leiffer, Professor für Internationale Beziehungen an der London School of Economics und Autor diverser Bücher über die Region: "Gerahmt in jedem Klassenzimmer, in Geschäften und Büros, in Uniform mit einem Schwert, im Anzug, in Mönchsrobe, in weiss und kahlgeschoren wie ein Achar, auf Postern oder auf Notizblöcken."
Sihanouk gab eigens ein Magazin heraus, in dem er sich als Bauer darstellte, als Inspekteur der Truppe, als Filmemacher, als Politiker oder Choreograph des königlichen Balletts. Er verfasste Theaterstücke und beschrieb sich ironisch als Korrespondent des französischen Le Canard Enchaîné. "Im Radio hörten wir seine Reden, und ein Jahr lang, als er sich für Gesang begeisterte, konntest Du seine Lieder über zehnmal am Tag hören."
Neutralität mag Washington nicht
Als "kindischen Showman, der gerne von seinen sexuellen Erfolgen prahlte", beschrieb ihn der renommierte US-Journalist William Shawcross ("The Sideshow"). "Doch gleichzeitig verfügte er über enorme politische Fähigkeiten, Charme, Zähigkeit und Intelligenz." So versuchte er hartnäckig, sein Land mit einer strikt neutralen Politik aus dem wachsenden Südostasien-Konflikt herauszuhalten, was ihn schon früh mit Washington in Konflikt brachte.
Als er den Beitritt zu dem südostasiatischen Verteidigungsbündnis SEATO ablehnte, schlossen die beiden Nachbarländer Thailand und Südvietnam auf Betreiben der Dulles-Brüder ihre Grenzen, womit Kambodschas Handel nahezu völlig zum Erliegen kam. Thai-Truppen überschritten die Grenze, CIA-finanzierte Söldner und oppositionelle, von Green Berets trainierte, finanzierte und geführte Khmer Serai griffen von Südvietnam aus an, ohne ihn verdrängen zu können.
Im Tausch dafür, dass sich Hanois Unterstützung für die Roten Khmer in Grenzen hielt, durften die Vietnamesen von Basen innerhalb Kambodschas aus operieren. Doch dieses Geheimabkommen, mit dem er 15 Jahre lang einen fragilen Frieden für sein Land erhalten konnte, bot Washington und seinen innenpolitischen Gegnern schliesslich den Vorwand, gegen ihn vorzugehen.
Putsch und Exil
Die USA überzeugten (manche US-Historiker sagen sogar: "zwangen") General Lon Nol, gegen den unbequemen Prinzen zu putschen. Sihanouk ging ins chinesische Exil, wo ihn Nordvietnams Ministerpräsident Pham Van Dong und Chinas Zhou En-lai überredeten, mit den Khmer Rouge eine vereinigte Oppositionsfront und Exilregierung aufzubauen.
Gleichzeitig intensivierten die USA ihre Luftangriffe auf Kambodscha. In vier Jahren warfen die B-52-Bomber über eine halbe Million Tonnen Bomben über einem Land ab, das sich nicht im Kriegszustand mit den USA befand - mehr als die doppelte Tonnage, die im II. Weltkrieg auf Japan regnete. "Die Intensität des US-Bombardements war grösser als sie je in Vietnam war", berichtet der Historiker David Chandler, "500 000 Soldaten und Zivilisten wurden getötet. Zwei Millionen Menschen flohen vom Land in die Hauptstadt."
Nach ihrer Machtübernahme folgten die Khmer Rouge der Jahrhunderte alten Tradition Südostasiens, wonach die Sieger die Städte der Besiegten entvölkerten, und führten diese Flüchtlinge in langen Hungermärschen aufs Land zurück.
Repräsentant und Gefangener der Roten Khmer
Mit dem Sieg der Roten Khmer 1975 wurde Sihanouk wieder als Staatsoberhaupt eingesetzt. Praktisch jedoch stand er unter Hausarrest, während sechs seiner 14 Kinder und mindestens 15 Enkelkinder in Pol Pots "pativattana" ("Rückkehr zur Vergangenheit" der glorreichen alten Khmer-Kultur), in der wohl mehr als zwei Millionen Menschen umkamen, verschwanden. Ein Jahr später trat er von seinem Amt zurück und floh nach dem vietnamesischen Einmarsch im Januar 1979 nach Nordkorea. Drei Jahre später übernahm er widerstrebend das Präsidentenamt in einer Koalitionsregierung im Exil aus Roten Khmer, einer anti-kommunistischen Nationalen Volksbefreiungsfront sowie seiner neutralistischen FUNCINCEP (Nationale Einheitsfront für ein unabhängiges, neutrales, friedliches und kooperatives Kambodscha).
Im Oktober 1991 kehrte er nach der Internationalen Kambodscha-Konferenz in Paris nach beinahe 13 Jahren Exil zurück. Nach den UN-finanzierten und -organisierten Wahlen 1993 stellte Kambodschas Nationalversammlung die Monarchie wieder her, und am 24. September desselben Jahres wurde Sihanouk zum zweiten Mal zum König gekrönt. Elf Jahre später, an Diabetes, Prostatakrebs sowie einem schweren Magengeschwür leidend, gab er die Krone an seinen Sohn, Prinz Norodom Sihamoni, weiter.
Der Mythos verblasst
Der Mythos Sihanouk, dem sich Kambodschas Volk und die internationale Gemeinschaft nach den schmerzhaften, turbulenten Jahren als einigende Kraft zugewandt hatten, war verblasst. Er war ohnehin immer eher ein Herrscher als ein Regierender gewesen. Der Pomp und die Etikette der Regierung schienen ihm wichtiger als der Inhalt der Politik. Dies war sicherlich Teil seiner eigenen und der kambodschanischen Tragödie, die bis heute nicht überwunden ist.
"Pathetisch sucht er immer noch Macht", beschrieb ihn 1994 der australische Botschafter in Phnom Penh, "obwohl geplagt von Krebs, hat er die Regierung herabgesetzt, die regierenden Gruppen zu spalten versucht und alle Bemühungen der Regierung, die Roten Khmer zu verbieten, beiseite gewischt. Unberechenbar und gefühlsbetont ist er auf seiner kleinen Bühne herum gestolpert und hat den negativen Einfluss verlängert, den er in den vergangenen Jahren ausgeübt hat."
In den Morgenstunden des 15. Oktober starb Sihanouk in einem Krankenhaus in Beijing.
Noch ist unklar, ob Kambodschas Monarchie seinen Tod überlebt. Sihanouk hat die Gefahr wohl gesehen. "Sie wollen jemanden, der sehr flexibel ist, ein Lamm, ein Lamm! Ein Kätzchen! Oder einen gehorsamen Hund als König", hatte er der "Far Eastern Economic Review" schon 1995 geklagt, "Und das ist nicht gut. Das ist überhaupt nicht gut."