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Oper

Zauberflöte in Paris

23. März 2014
Dagmar Wacker
Woran liegt es, dass diese Oper seit über zweihundert Jahren bezaubert und ergreift? In der Pariser Aufführung lag es an Mozarts Musik, die manche für sein grösstes Werk halten.

Mit grosser Begeisterung wurde in Paris Mozarts Zauberflöte aufgenommen in einer Inszenierung, die bereits an den Osterfestspielen 2013 in Baden-Baden zu sehen war. Schöpfer dieser Fassung, die von zeitgenössischen Kostümen und Bühnenbauten «entrümpelt» ist, um die Musik in den Mittelpunkt zu stellen, ist Robert Carsons, der heute allgemein als Regiegenie gefeiert wird.

Der Kanadier mit dem Aussehen und Habitus eines Nerds hatte die Zauberflöte vor zwanzig Jahren schon einmal inszeniert fürs Festival in Aix en Provence mit William Christie und seinem Musikerensemble «Les Arts Florissants». Nun habe er das Werk wieder aufgenommen, sagte Carsen in einem Interview, da es sich zu jeder Lebenszeit anders präsentiere und man immer mehr in dessen Tiefe komme: Von der Kindheit an, in der man es als Märchenoper rezipiere, bis zum Stadium, in dem man sich Gedanken über das Leben und den Tod mache, biete es immer wieder neue Weisheiten.

Auseinandersetzung mit dem Tod

Die Zauberflöte ist eine äusserst komplexe Initiationsgeschichte, mit der man nie fertig ist. Ihre Inszenierung hat denn auch von Baden-Baden im letzten Jahr bis heute bei Carsens eine erneute Evolution erfahren. Ganz speziell fasziniert den Regisseur diesmal Mozarts Obsession mit dem Tod. Er weist darauf hin, dass es zwei grosse Szenen versuchten Suizids gebe, die von Pamina und jene von Papageno. Dann zwei Szenen versuchter Morde: nämlich als die Königin der Nacht ihre Tochter Pamina dazu anstiften will, ihren Rivalen Sarastro zu töten, sowie als der Mohr Monostatos Pamina zu töten versucht, nachdem sie sich seinen Annäherungsversuchen widersetzt.

Pavol Breslik (Tamino) und Julia Kleiter (Pamina), © Opéra national de Paris/Agathe Poupeney, 2014
Pavol Breslik (Tamino) und Julia Kleiter (Pamina), © Opéra national de Paris/Agathe Poupeney, 2014

Alle handelnden Figuren ausser Papagena werden mit dem Tod konfrontiert. Bezeichnenderweise hat Mozart diese Oper in seinen letzten Lebensmonaten geschrieben in einer Zeit, in der er sich mit dem eigenen Verschwinden auseinandersetzte und den berühmten Brief schrieb mit den Worten: «Der Tod ist unser bester Freund.»

Zärtlichkeit für die Geschöpfe

Tod und Auferstehung stehen auch im Zentrum von Carsens Sicht, doch wird daraus keinesfalls ein düsteres Stück, sondern ein Versprechen für ein besseres Danach. Die Figuren interagieren lebhaft und natürlich miteinander, wobei es sicher hilft, dass die Zauberflöte sowohl gesungen als auch gesprochen ist – ein Geniestreich des Bühnen- und Theatermenschen Emanuel Schikaneder, des Librettisten Mozarts.

Schikaneder als Schauspieler wusste, wie man die beste Bühnenpräsenz erzielt. Er hat grossen Anteil daran, dass die Oper für jedermann verständlich ist und einen sinnstiftenden Inhalt hat. Dazu kommt, dass Mozart seine Figuren nie negativ zeichnet, was immer scheinbar Schreckliches sie auch tun. Er verurteilt seine Bühnengeschöpfe nicht. Im Gegenteil, er zeigt alle mit grösster Zärtlichkeit. 

Auch Robert Carsen hat als Schauspieler begonnen und weiss um die einschlägigen Techniken. Bereits als Schüler spielte er im Theater Männer- und Frauenrollen, studierte dann in England an der Bristol Old Vic Theater School. Dort wurde er von einem Lehrer auf sein Talent als Regisseur aufmerksam gemacht. So wurde er Regieassistent im Royal Opera House in London wie an der Glyndebourne Festival Opera und dem Spoleto Festival in Italien. Dann schuf er eigene Produktionen, zuerst in Kanada und ab 1987 am Grand Theatre von Genf. In jüngster Zeit wurden vor allem seine Inszenierungen des «Ring des Nibelungen» in Köln, des «Eugene Onegin» in New York und des «Tovatore» auf der Bregenzer Seebühne gefeiert.

Akzent auf dem  Schauspielerischen

Die schauspielerischen Leistungen der Sänger, die er dabei jedes Mal gefordert hat und die auch bei dieser kargen Produktion der Zauberflöte stark zum Tragen kommen, stachen allerdings bei der Aufführung in Baden-Baden stärker hervor. Sie brachten mehr Lebhaftigkeit und Komik ins Stück als in Paris. Gerade die in Baden-Baden hochbesetzten drei «Hexen» zeigten komödiantisches Talent und hatten offensichtlich einen Spass miteinander, der sich aufs Publikum übertrug.

Daniel Schmutzhard (Papageno), © Opéra national de Paris/Agathe Poupeney 2014
Daniel Schmutzhard (Papageno), © Opéra national de Paris/Agathe Poupeney 2014

Der Slovake Pavol Breslik sang und spielte in beiden Aufführungen den Tamino. Er überzeugte stimmlich, blieb jedoch als Figur ziemlich blass. Ähnlich verhielt es sich in Paris bei Regula Mühlemann (Papagena), Franz Josef Selig (Sarastro) und Daniel Schmutzhard (Papageno). Die Spielfreude des Papageno, die gerade in der Baden-Badener Aufführung die ganze Truppe zur Höchstleistung animierte, fehlte hier. Einzig Sabine Devieilhe als Königin der Nacht zeigte mit ihrer ausstrahlungsstarken Stimme eine fesselnde Präsenz.

Mozarts grösste Musik

So konzentrierte sich denn alles auf die Musik. Und diese war bei beiden Aufführungen fantastisch. Sowohl die der Berliner Philharmoniker unter dem  Dirigat von Sir Simon Rattle wie auch das Orchestre National de Paris mit ihrem künstlerischen Leiter Philippe Jordan liefen zu grossen Höhen auf. Beide Dirigenten wissen, dass Mozart kein Komponist lieblicher Leichtmusik ist, als die sie oft fälschlicherweise aufgeführt wird. Vielmehr reicht diese Musik in Tiefen, die den Zuhörer alle Nuancen menschlicher Empfindungen erfahren lässt.

Jordan bezeichnet Mozarts letzte Oper sogar als dessen grösstes Meisterwerk, seine tiefste und weiseste Musik, deren kompositorische Klarheit für alle Lebenszeiten, vom Kind bis zum reifen Erwachsenen, attraktiv sei, ja sogar heilen könne. Vom Applaus her zu urteilen, hat sie wirklich alle ergriffen.

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