Es schneit auf die Frühlingsbouquets, die Baden Baden zur Feier seiner Osterfestspiele und zur Begrüssung der Berliner Philharmoniker auf die Strassen gestellt hatte. Die ‚Berliner’ haben hier zum ersten Mal als ‚residierendes Orchester’ Quartier genommen, nachdem sie Ostern 45 Jahre lang an den von Herbert von Karajan gegründeten Festspielen in Salzburg verbracht hatten.
Rätsel lösen, Prüfungen bestehen
Sie spielen nun in der Bäderstadt in Sälen, Theatern und Hotels, erzählen vom Musikerleben, und haben als spezielle Ostergabe für die Erwachsenen eine Neuinszenierung der ‚Zauberflöte’ , für Kinder sogar eine eigene interaktive Version, mitgebracht.
Diese Kinderversion bietet sich an, wenn man bedenkt, dass die Form dieser Oper und ihr Libretto den Wiener Kasperl-und Zauberopern des 18. Jahrhunderts entstammen; Singspielen mit Geistern, Zauberern, wilden Tieren, und guten und bösen Mächten. Wie in Kindermärchen soll das Gute über das Böse siegen. In dieser Version geht es darum, Rätsel zu lösen und Prüfungen zu bestehen. Das kindliche Publikum wird also immer wieder zur Mitarbeit gefordert, damit das Singspiel weitergehen kann.
Doch nicht nur den Kindern gab die Oper Rätsel auf. Auch der kanadische Regisseur Robert Carsen, Betreuer der ‚Erwachsenenversion’, bezeichnet als seine schwierigste Aufgabe die Frage zu lösen: Worum geht es hier eigentlich?
Carsen: ‚Die Zauberflöte bedeutet so viel auf so vielen Ebenen. Sie ist komplett um Gegensätze konstruiert: Tag und Nacht, Hass und Liebe, Mann und Frau, der Held Tamino und der einfache Papageno, Singen und Sprechen...’
Vielleicht inszenierte er deshalb ganz ohne die üblichen zauberhaften Bühneneffekte. Seine Inszenierung ist modern, im besten Sinne ‚abgespeckt’, und lässt in ihrer spartanischen Klarheit Raum für Reflexionen. Die verwinkelte Handlung kommt so klar zutage. Vor allem aber glänzt die Musik, deren einzelne Arien in ihrer Bekanntheit schon fast Gassenhauercharakter haben.
Wohltuende Kargheit
Die Sänger bewegen sich zur Hauptsache auf einem rund um den Orchestergraben ausgelegten Rasen vor Videokulisse. Nur bei Szenen, die das Reich des Sarastro betreffen, wird auch die Tiefe des Bühnenraums bespielt. Auch dies schlüssig; liegt hier über dem vordergründigen Gedankengut der Märchen, das tiefsinnigere des Freimaurertums.
Diese Inszenierung verlangt wegen ihrer Kargheit sowohl der Darstellungkraft wie der Gesangskunst der Sänger viel ab. Doch dem werden die meisten gerecht.Der Slowake Pavol Breslik gibt einen durchaus prinzlichen Tamino. Die Londonerin Kate Royal überzeugt in ihrer fragilen Mädchenhaftigkeit und dem reinen Sopran als Pamina.
Grossen Spass hat offenbar Michael Nagy als Papageno, der Rolle, die sich Librettist und Theaterdirektor Emanuel Schikaneder damals auf den eigenen Leib geschrieben hatte. Nagy gibt mit Papagena Regula Mühlemann ein Paar von schwerbeladenen Rucksacktouristen. Ganz grosse Klasse sind auch die drei Damen verkörpert von Annick Massis, Magdalena Kozena und Nathalie Stutzmann. In der Tradition Karajans wurden diese Damen nicht mit Zweitbesetzungen, sondern Stars besetzt, die sich sängerisch einen fröhlichen Wettstreit bieten.
Detailtreue und Präzision
Auch gut, wenn auch etwas weniger überzeugend, Sarastro Dimitry Ivashchenko, der sein Debüt in diesem Festspielhaus feierte, sowie Ana Durlovski als Königin der Nacht. Diese Rolle war eigentlich für Simone Kermes vorgesehen, die leider wegen Krankheit ausfiel. Die starke Bühnenpräsenz dieses Vollweibs und ihre Riesenstimme, die sogar Barockarien temperamentvoll von der Bühne rockt, hätten dieser durchwegs qualitätsvollen Produktion noch den elektrisierenden Tupfer gegeben.
Denn auch das Orchester überzeugte, geführt von Sir Simon Rattle in seiner ersten ‚Zauberflöte’. Die berühmte technische Brillianz der ‚Berliner’ war da, die Detailtreue, die Präzision. Der Orchesterklang war kristallen ohne kalt zu wirken, und rundete somit die Klarheit dieser gelungenen Produktion atmosphärisch ab.
Das Publikum feierte Orchester, Sänger, und Inszenierung. Der Grundstein für eine lange, fruchtbare Periode von Osterfestspielen in Baden Baden mit den Berliner Symphonikern scheint gelegt.
Nächste Daten:
‚Zauberflöte für Kinder’ Samstag 30.3.2013
‚Zauberflöte’: 29.3., 1.4.2013