Palästinensische, meist jugendliche, Individualtäter, gehen mit Messern gegen israelische Zivilisten oder Soldaten vor. Sie werden regelmässig von israelischen Sicherheitskräften erschossen.
Angriffe mit Messern
Seit Monatsbeginn versuchen arabische Jugendliche nahezu täglich, jüdische Zivilisten oder Militärs in Israel mit Messern anzugreifen und zu erstechen. Ihre Angriffe sind oftmals tödlich. Doch die Angreifer werden regelmässig von israelischen Sicherheitskräften während oder kurz nach ihren Angriffen erschossen. Die Vorkommnisse haben schwere Spannungen in Israel ausgelöst, in erster Linie in Jerusalem wo arabische Palästinenser und jüdische Israeli nah zusammen wohnen - auch in den besetzten Territorien der Westbank und in dem von Israel abgeriegelten Gebiet des Gazastreifens. In diesen Gebieten sorgt die die Erregung für Sympathiekundegebungen für die eine oder für die andere Seite.
Auf palästinensischer Seite sind es meist halbwüchsige Demonstranten, die oftmals Steine werfen. Auf der israelischen sind es die Siedler, die sich Übergriffe gegen ihre palästinensischen Nachbarn erlauben. Dies führt zu Gegenmassnahmen durch die israelische Armee, die oft tödlich verlaufen, wenn sie sich gegen Palästinenser richten, aber mehr die Natur von Ermahnungen annehmen, falls überhaupt, wenn es um die Übergriffe der Siedler geht.
Wie lange noch und wie intensiv?
Tote und Verletzte auf beiden Seiten, sowie im Falle der Palästinenser grosse Zahlen von Festgenommenen, mit oder ohne Gerichtsurteile, sorgen dafür, dass die Spannungen nicht nur anhalten, sondern weiter anwachsen. Zur Zeit weiss niemand, wie lange diese Zustände andauern werden, und daher ist auch nicht vorauszusagen, ob sie an Frequenz und Schwere weiter anwachsen oder abklingen werden.
Die Israelis können auf einen gewaltigen Machtapparat zählen, der es
ihnen ermöglicht, die Niederhaltung ihrer Gegner nötigenfalls bis zur
völligen Vernichtung allen Widerstandes zu steigern. Doch dies würde
letzten Ende bedeuten, dass sie mehr als fünf Millionen Palästinenser
entweder umbringen, oder des Landes verweisen oder soweit entmutigen
müssten, dass sie den israelischen Staat widerstands- und widerspruchslos über sich verfügen lassen.
Mehr Palästinenser als Israeli
Die Zahl von "über 5 Mio" setzte sich im Stichjahr 2004 zusammen aus 1,3 Mio Palästinensern in Israel; 2,4 Mio in dem besetzten Westjordanland; 1,4 Mio in Gaza; 237 185 Palästinensern in Jerusalem. Die Zahl der in Israel lebenden Juden war bereits 2004 etwas kleiner als die Gesamtzahl der Palästinenser, nämlich 5,2 Mio. Die Zahlen stammen vom State Department der USA
Ungleicher Blutzoll
Die bishrige Bilanz der jüngsten Unruhewelle ist (vom 1. Oktober bis zum 20.) 9 tote Israeli und mindestens 42 tote Palästinenser. Dies ist nicht vergleichbar mit den gewaltigen Zahlen von palästinensischen Todesopfern, welche die drei Gazakriege der Israeli hervorgebracht haben. Doch es handelt sich um eine neue Art von "Krieg". Er wird von Adoleszenten mit Messern geführt. Ob und wie er sich weiter entwickelt, ist ungewiss, weil es bisher nichts Vergleichbares gegeben hat.
Wie es dazu kam
Antworten auf die Frage, warum eine solche blutige Konfrontation neuer Natur entstanden ist, geben mögliche Hinweise darauf, wie es mit ihr fortgehen könnte. Doch diese Frage wird sehr unterschiedlich beantwortet. Die israelische Regierung neigt offensichtlich dazu, die Messer stechenden jungen Leute als "Aufgehetzte" zu sehen. Sie glaubt oder erklärt, sie glaube, es seien die palästinensischen Politiker und Meinungsmacher, welche diese jungen Leute aufhetzten. Sie kann in der Tat auf den Beifall hinweisen, den die Hamas Sprecher und Websites den messerstechenden Mördern zollen.
Abbas zwischen den Fronten
Wenn Ministerpräsident Netanjahu behauptet, Mahmud Abbas, der Präsident der palästinensischen "Entität", gehöre auch zu den "Hetzern", ist dies allerdings unglaubwürdig. Abbas hat die "Sicherheitszusammenarbeit" mit den israelischen Sicherheitskräften bis heute nicht aufgekündigt, obwohl ihm diese Zusammenarbeit viel Kritik von Seiten der Palästinenser einträgt und seiner Glaubhaftigkeit bei allen Palästinensern schadet. In den Augen seiner palästinensischen Mitbürger und Untertanen erweist er sich durch diese Kollboration als ein Regierungsinstrument der Israeli.
Friedensgespräche? - In Endlosschlaufe?
Netanyahou fordert Abbas auf, einmal mehr "Friedensgespräche" zu führen und rechnet es ihm als "Aufhetzung" an, wenn er sich solchen entzieht. Doch Abbas weiss, und die ganze Welt ist sich dessen über die letzten 22 Jahre (seit dem Oslo Abkommen von 1993) langsam bewusst geworden, dass "Friedensgespräche" in der Sicht der israelischen Rechtsregierungen bedeuten: "das Land Palästina für uns, und für Euch 'Frieden' ohne eigenes Land und ohne politische Eigenständigkeit! "
Hoffnungslose Gewalt
Trotzdem bleibt Abbas der Meinung, dass Gewalt nicht zum angestrebten Ziel eines eigenen Staates für die Palästinenser führen könne. Ja, er hält dafür, das Gewalt gegenüber den so unendlich viel mächtigeren Israeli die Lage seines Volkes nur verschlimmern könne. Er ermahnt daher die palästinensische Bevölkerung, alle Gewalt zu unterlassen. Er kann darauf hinweisen und er weist darauf hin, dass die Gewaltpredigt und die wenig wirksamen Gewaltversuche von Hamas in Gaza ohne Zweifel zur Verschlechterung der Lage der Gazioten geführt haben.
Reaktionen auf Niederhaltung
Wenn die Israeli die gegenwärtige Entwicklung mit der Hetze und dem Hass der Palästinenser erklären, steht ihrer Sicht gegenüber jene der Palästinenser. Sie sehen die Härte und die Gewalt, die Israel gegen sie einsetzt, als die wahre Ursache der gegenwärtigen Lage. Sie verweisen darauf, das es Jugendliche sind, die bereit sind, ihr Leben zu verlieren, wenn sie dafür nur klar machen können, dass sie Israel und sein Verhalten gegen sie selbst und ihr Volk radikal ablehnen. Die Jugendlichen, von denen einige heute zu den Messern greifen, sind aufgewachsen unter den langen Jahren des Drucks auf die Palästinenser.
Er bedeutete, das viele ihrer Väter aus ihren Betten und unter den Augen ihrer Familie abgeholt und in die Gefängnisse abgeführt wurden, nicht ohne Schläge in den meisten Fällen. Ein Drittel aller männlichen Palästinenser der Westjordangebiete hat in den Jahren seit 1967 das Innere der israelischen Gefängnisse gesehen, wenn es nicht israelische Folterkammern waren. Die Jugendlichen selbst wissen, sie sind bedroht. "Ich werde Dir Nummer vier zeigen", wird ihnen oft bei der Festnahme mitgeteilt. "Weisst Du was Nummer vier ist? - Nummer vier ist, wo Du auf zwei Füssen hinein gehst und wieder herauskommst auf vier." Dem ist wohl in den Augen von manchen, gerade sehr jungen, Personen ein Messerstich ihrerseits, beantwortet durch einen einmaligen und definitiven Schuss, vorzuziehen.
Diplomatische Formulierung
Etwas diplomatischer hat Ban ki-Moon die gleiche Lage geschildert: "Ich würdige", sagte er den Israeli, "eure echte Sorge um Frieden und Sicherheit. Ich verstehe auch den Ärger mancher Israeli. Aber Trennmauern, Strassensperren, harte Massnahmen durch Sicherheitkräfte und Zerstörung von Wohnhäusern können Frieden und Sicherheit nicht verbürgen, wie Ihr sie benötigt und haben solltet."
Frieden oder Zerstörung?
Dies ist die Grundfrage, die aus der doppelten Sicht der heutigen Lage in Israel hervorgeht: Können immer gesteigerte Sicherheitsmassnahmen und Niederhaltungsschritte zum Schluss Frieden bringen? - Friedhofsfrieden vielleicht? - Oder führen sie auf lange Sicht und immer anwachsend letztlich zu ebenfalls wachsenden Unruhen und Blutvergiessen, wenn gleich in unausgeglichenen Proportionen: einige Tote hier und viel mehr Tote dort, Tote jedoch und Abertote für Beide?
Die Schuld liegt nicht nur im ersten Schritt
Die Frage nach: Wer hat begonnen? ist müssig. Es ist natürlich immer der Andere durch den einfachen Mechanismus, wo man die Zählung beginnt. Eine Untat der anderen Seite kann immer als Ursache und Entschudigungsgrund der eigenen Untat angeführt und auch gesehen werden. Dies durch den einfachen Schritt, dass man als die erste Untat jene der anderen ansetzt. Sie sei vorausgegangen. - Doch wann fand die erste statt? In der britischen Zeit, oder schon davor in der Osmanischen, als die ersten Siedler ankamen?
Wohin führt der Weg?
Die Frage wohin das führt, ist mehr relevant, wenngleich auch sie in doppeltem Sinne beantwortet wird. Führt dies zu erfolgreicher, fortdauernder Niederhaltung der Palästinenser - oder führt es zum Schluss zu einem Zustand der blutgetränkten Ausweglosigkeit des jüdisch-palästinensischen Staates, wie wir ihn heute in Syrien, im Irak, in Jemen, in Libyen, in Somalien und an anderen vergleichbaren Orten des Staatszerfalls kennen?
Die Niederhaltung kann noch lange dauern. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass sie permanent wirksam bleiben wird, ist gering.