Kein anderer „homme de lettres“ liebte es so sehr, seine Zeitgenossen und die Nachwelt zu verwirren, zu provozieren und zu schockieren.
François-Marie Arouet, alias Voltaire, einer der genialsten Denker, Philosophen und Schriftsteller, ist am 21. November 1694 geboren. So steht es in jedem Lexikon. Doch ist er wirklich an diesem Datum geboren? Eine wasserdichte Geburtsurkunde gibt es nicht.
Voltaire selbst machte sich neun Monate älter. Er sagte, er sei am 20. Februar 1694 geboren worden.
Nicht genug der Verwirrung. Voltaires Vater war der Jurist François Arouet, ein Mann aus dem Bürgertum. Seine Mutter Marie Catherine Daumart de Mauléon stammte aus dem Adel.
Voltaire wäre gerne ein Adliger gewesen. Er hätte lieber einen adligen Vater als eine adlige Mutter gehabt. So dichtete er seiner lebenslustigen Mutter gleich zwei adlige Liebhaber an. Und von denen würde er abstammen. Der brave bürgerliche Jurist François Arouet wäre also der Gehörnte.
Voltaire behauptete, entweder der Sohn eines adligen schöngeistigen Edelmanns zu sein, der immer wieder in der Familie auftauchte. Oder besser: der Sohn von Abbé de Châteauneuf, ein aristokratischer Priester. Der Philosoph, der immer wieder auf der Flucht vor der Obrigkeit war, liebte es, die Kirche zu verspotten. Ganz besonders gefiel es ihm, glauben zu machen, er sei der Sohn eines aristokratischen Abbé.
Seine Mutter, die wohl am besten wusste, wer sein Vater ist, konnte nicht mehr befragt werden. Sie starb, als Voltaire sieben Jahre alt war. Reaktionen der angeblichen Väter sind nicht bekannt. . Wieso dieses Verwirrspiel? Aus Freude am Verwirren, aus Freude am Niederreissen von Konventionen. Sein Biograf Georg Brandes bezeichnet das Rundum-Genie als grössten Schriftsteller „seit Cicero“. Vor allem liebte es Voltaire, den Klerus, die Fürsten und die schmarotzenden Adligen zu verhöhnen.
(hh)