Bersani ist am Sonntag in einer Stichwahl der italienischen Linken deutlich in seinem Amt bestätigt worden. Rund drei Millionen Sympathisanten der Linken haben an der Wahl teilgenommen. Seit 2005 wählt die italienische Linke in Primärwahlen ihre Galionsfigur.
Bersani erreichte am Sonntag laut ersten Prognosen 61,8 Prozent der Stimmen. Auf seinen Gegenkandidaten, Matteo Renzi, den bald 38-jährigen Bürgermeister von Florenz, entfielen demnach 38,2 Prozent. In 19 der 20 italienischen Regionen hat Bersani gewonnen, einzig in der Toscana gewannt der Bürgermeister von Florenz. Renzi kommentierte seine Niederlage so: "Es war schön, es war richtig, uns zu provozieren." Er gratulierte Bersani zu seinem Sieg.
Auftrieb für die Linke
Laut bürgerlichen Kommentatoren hat mit Bersani die alte, klassische, ideologisch gefestigte Sozialdemokratie gewonnen. Renzi, ein Spring-ins-Feld, der auf neuen Geleisen fahren und alte Polit-Praktiken „verschrotten“ wollte, war manchen suspekt. Viele Linke fürchteten gar, er könnte mit Berlusconi zusammenspannen, um an die Macht zu gelangen. Berlusconis kürzliche Lobeshymne auf Renzi, hat diesem wohl mehr geschadet als genützt. Renzi hatte zudem das Handicap, dass die starken Gewerkschaften auf Seiten Bersanis standen.
Die Linke hat in den letzten Wochen weiter an Zustimmung gewonnen. Die Primärwahlen mit den verschiedenen Fernsehdebatten und den vielen Medienberichten haben der Linken innerhalb einer Woche drei zusätzliche Stimmenprozent eingetragen. Aber auch der Schwächeanfall der übrigen Parteien hat die Linke gestärkt.
Laut einer im „Corriere della sera“ veröffentlichen Meinungsumfrage sprechen sich heute 35,8 Prozent der Italienerinnen und Italiener für den linken „Partito Democratico“ und die Schwesterpartei SEL (Sinistra Ecologia Libertà) aus. Eine Umfrage des Instituts SWG besagt, dass die Berlusconi-Partei mit 14,3 Prozent erstmals unter die 15 Prozent-Marke gerutscht ist. Verluste muss erstmals auch die Bewegung „5 stelle“ des Komikers Beppe Grillo hinnehmen. Grillo kommt auf 19,5 Prozent, bleibt aber zweitstärkste Kraft in Italien.
Bersani, stark, aber nicht stark genug
Normalerweise wird der Anführer der stärken Partei auch Ministerpräsident. Wird also Pier Luigi Bersani neuer italienischer Regierungschef?
Politische Auguren in Rom sind sich fast einig: Entweder Bersani oder erneut Mario Monti. Bersani hat den Nachteil, dass seine Partei trotz ihrer Stärke nicht stark genug ist, um die Mehrheit im Parlament zu erobern. Selbst wenn der Partito Democratico mit den Mitte-Parteien zusammenginge, würde es wohl nicht reichen.
So könnte man sich, als Übergangslösung, wieder auf Monti einigen – einigen müssen. Dieser ist zwar, sowohl bei der Rechten wie auch bei der Linken, immer mehr zum Buhmann geworden. Über 60 Prozent der Italiener haben heute eine schlechte Meinung von ihm. Ihm wird vorgeworfen, dass er nur die Steuern erhöht hat und kaum strukturelle Verbesserungen umsetzen konnte.
43,2 Prozent der jungen süditalienischen Frauen sind arbeitslos
Montis Ruf leidet zudem unter den schlechten Wirtschaftszahlen. Noch nie gab es in Italien so viele Arbeitslose wie jetzt. Laut den am letzten Freitag veröffentlichten Zahlen sind 36,5 Prozent der italienischen Jungen (unter 25-Jährige) ohne Arbeit und Ausbildung. Das sind 5,8 Prozent mehr als vor einem Jahr.
In Süditalien beträgt die Arbeitslosigkeit bei den jungen Frauen gar 43,2 Prozent. Insgesamt sind 2,87 Millionen Italiener ohne Arbeit. Innerhalb eines Jahres sind 280‘000 dazugekommen. Zwei zusätzliche Millionen sind gezwungen, Teilzeit zu arbeiten. Im nächsten Jahr, so prophezeien die Ökonomen der Gewerkschaften, werde alles noch schlimmer. All das wird jetzt Monti angehängt, obwohl die Ursachen für die Krise weit in die Berlusconi-Jahre zurückreichen.
Wütend sind die Italiener auch auf Monti, weil er gerade jetzt, vor Weihnachten, seine Landsleute erneut zur Kasse bittet. Bis zum 17. Dezember müssen sie eine weitere, gesalzene Tranche der neuen Immobiliensteuer bezahlen. „Der 13. Monatslohn, sollte ihn jemand noch haben, ist futsch“, kommentiert die Zeitung „La Nazione“. Für viele werde es ein trauriges Weihnachtsfest.
Schäbiges Schauspiel der Rechten
Trotzdem wird man nach den Wahlen, die im März oder April stattfinden sollen, vielleicht nicht um Monti herumkommen. Denn auch die Rechte ist keine Alternative.
Die Berlusconi-Partei leistet sich zurzeit ein schäbiges Schauspiel. Auch sie wird wohl nicht genug Parlamentssitze erobern, um den Ministerpräsidenten zu stellen.
Im Frühjahr hatte Berlusconi verkündet, er wolle nicht mehr kandidieren. Im Sommer wechselte er die Meinung und erklärte sich zum alleinigen Retter des Landes. Im Oktober dann gab er bekannt, er werde „definitiv“ nicht kandidieren. Jetzt will er vielleicht doch wieder. Das zerreisst seine Partei und setzt sie der Lächerlichkeit aus. Dazu gehören die jüngsten Streiterein zwischen Berlusconi und seinem Dauphin, Angelino Alfano.
Parteispaltung?
Vorgesehen war, dass der PdL – analog zur Linken – am 16. Dezember in Primärwahlen seinen Spitzenkandidaten küren wollte. Doch jetzt ist Berlusconi dagegen. Solche „basisdemokratischen Unarten liegen nicht in den Genen des Meisters“, sagt ein PdL-Delegierter.
Doch Alfano kämpft weiter für diese Urwahl, für die er kandidieren will. Nach einem Treffen mit Berlusconi am Samstag in Mailand wurde Alafano gefragt, ob Berlusconi kandidiere: Antwort: „Das ist sein Entscheid.“ Würde Alfano den Mut haben, gegen den Meister zu kandidieren? Viele in der Partei wünschen sich das, doch glauben nicht daran.
Berlusconi erklärt, er wolle jetzt eine neue Partei mit neuem Namen gründen. Viele einstige seiner Freunde schütteln nur den Kopf und wünschen sehnlichst seinen endgültigen Abgang. Eine Parteispaltung ist nicht ausgeschlossen.
Vielleicht wird dann Berlusconi doch nicht kandidieren. Für ihn gäbe es wohl nichts Schlimmeres, als seine jahrzehntelange politische Karriere mit einer Niederlage und einer Ohrfeige beenden zu müssen.
Es ist erstaunlich, mit welcher Geduld die Italiener Berlusconi ertragen. Er hat nicht nur das Land ruiniert: jetzt ruiniert er auch seine Partei.
Siehe auch: "Der Philosoph und der Verschrotter - Klicken Sie HIER