Woher stammt der enorme Reichtum der Familie Sawiris? Im Gespräch mit TV-Moderator Kurt Aeschbacher erklärt Samih Sawiris, dass bereits sein Grossvater, der in Ägypten ein erfolgreicher Anwalt war, ein Familienvermögen begründet hatte. Das grosse Geld kam aber durch seinen Vater Onsi zusammen, einst der grössten Bauunternehmer des Landes. Das Unternehmen brachte viel Geld ein und wurde deswegen verstaatlicht. Der Vater hat unter dieser Erfahrung seine drei Söhne zum Studium ins Ausland geschickt. Samih baute zuerst eine Bootsfabrik auf. „Hier verdiente ich jenes erste Taschengeld, das mir mein Vater nie gab.“
Milliardenunternehmen Orascom
Samih und seine beiden Brüder sind alle so erfolgreich, dass mittlerweile ein Milliardenvermögen zusammengekommen ist: Der eine startete erneut mit einem Bauunternehmen, der andere ist in der Telekommunikation tätig und Samih gründete das Siedlungs- und Hotel-Unternehmen „Orascom Development“, dessen Hauptaktionär und Verwaltungsratspräsident er ist. „Der Zusammenhalt in unserer Familie ist unheimlich wichtig. Jeder von uns weiss, dass sowohl mein Vater und meine Brüder jederzeit zusammenstehen und wir uns alle helfen würden, wenn etwas schief geht.“
Erstes grosses Projekt von Orascom war das Tourismus-Resort „El Gouna“ („Die Lagune“) am Roten Meer, das Samih Sawiris in eine unberührte Wüstenlandschaft stellte. Mittlerweile ist aus „La Gouna“ eine Stadt mit vollständiger Infrastruktur für 25'000 Menschen geworden. In der Nähe von Kairo baute er später in Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden die Siedlung „Haram City“, im Endausbau 50'000 Wohneinheiten für Bewohner mit unteren Einkommen, während weitere Siedlungen in Ägypten (Taba Height), in den Vereinigten Arabischen Emiraten (The Cove) und in Oman (Jebel Sifah) stehen. In Montenegro ist neustens ein weiteres Tourismus-Resort in Planung.
„Andermatt für uns ein kleines Projekt“
Wie kam Sawiris auf die Idee, ausgerechnet in Andermatt ein Tourismusprojekt zu realisieren? „Der damalige Schweizer Botschafter in Kairo erzählte mir, dass das VBS sich sorge, was aus dem Bergdorf Andermatt werden soll, wenn die Armee immer weiter abbauen muss.“ Bei einer Besichtigung haben es ihm die markanten Berge und die imposante Schöllenen-Schlucht angetan. „Das Dorf ist sehr alt und dank der Armee blieb es primitiv und beständig. Dieser karge Stand, aber zugleich die besonnte Südlage ist – speziell für Menschen, die Berge nicht gewohnt sind – sehr beeindruckend. Vor allem hat es keine Nachbarn in unmittelbarer Nähe. Bei uns sagt man: 'Die Nachbarn sind deine Feinde – lass sie so weit wie möglich'."
Erst nach Jahren „cashpositiv“
Ist das Milliarden-Projekt mit 1,4 Quadratkilometern Fläche, 490 Wohnungen in 42 Häusern, über 20 Villen und sechs Hotels mit insgesamt 844 Zimmern für hiesige Verhältnisse nicht eine Schuhnummer zu gross, will Aeschbacher wissen. „Das ist für uns ein kleines Projekt“, schmunzelt Samih Sawiris. Aber klar sei, dass sowohl der Grossteil der Einheimischen wie auch die Behörden hinter solch einem Projekt stehen müssen. Anders lasse sich das nicht realisieren. „Da muss ich ehrlich sagen, dass das Projekt Andermatt ohne die Hilfe von Franz Steinegger nie zustande gekommen wäre. Er war rasch von unserer Vision begeistert.“
Der Hauptdenkfehler der meisten Menschen sei, dass sie zu kurzfristig denken. Jeder frage, wie etwas in zwei, drei Jahren rentieren wird. Sawiris suchten langfristige Projekte, in die sich kaum jemand zu engagieren wagt. Alles Geld, das in den ersten Jahren zurückkommt, werde gleich reinvestiert. „Wir rechnen damit, dass ein investierter Dollar erst in 10, 15 Jahren cashpositiv wird, d.h. mehr Geld bringt, als verbraucht.“ Das Credo der Sawiris: „Wir waren alle drei erfolgreich, weil wir immer langfristig denken und wir keine Angst vor der Zukunft haben.“
Andermatt „auf dem Silbertablett geliefert“
Weshalb ist Samih Sawiris vom Erfolg seiner Vision „Andermatt Swiss Alps“ (ASA) derart überzeugt? Dass Andermatt noch keinen Ruf als Tourismusort habe, sei wesentlich. So könne man es von Grund auf neu aufbauen. „Wichtig ist, dass alle, die dereinst nach Andermatt kommen, dort alles vorfinden, was zu einer Tourismus-Destination gehört. Es braucht mehr als bloss Wohnungen und Häuser: Jetzt gibt es eine Golfanlage, einzigartige Wellness-Möglichkeiten, Restaurants für alle Ansprüche, es wird echt ein Nachtleben geben und alles verknüpft mit dem Thema Wintersport und einem grossen neuen Skigebiet. Die heutigen Bergbahnen kann man ja direkt ins Museum schicken…“
Und im Gegensatz zu seiner Wüstenstadt El Gouna: „Hier im Urnerland hatte es bereits Strassen, Bahnen, ein Dorf mit Unterkünften und vor allem Menschen, die bereits seit Jahrhunderten hier leben – das alles ist tausendmal leichter als in der Wüste, wo noch absolut nichts war. Ich muss jeweils lachen, wenn ich immer wieder höre, Andermatt sei ein schwieriges Projekt. Hier wird mir alles auf dem Silbertablett geliefert.“
Gästemix über Marketing steuern
Welche Touristen sollen denn dereinst Andermatt bevölkern? Vor allem Ägypter? „Wenn Sie in einer Destination erfolgreich sein wollen, dürfen Sie nie eine bestimmte Touristengruppe in der Überzahl haben. Weder was die Nationalität, Alters- oder Einkommensgruppe betrifft. Wenn dort nur noch Ägypter sind, laufe ich selber weg.“ In La Gouna haben wir Erfahrungen gesammelt, wie man über Marketingmassnahmen den richtigen Gästemix steuern kann.
Ist die Zweitwohnungs-Initiative ein Stolperstein? „Die Zweiwohnungs-Initiative war für mich eine der wenigen Überraschungen. Sie hat aber für uns keine Wirkung. Wir leben hier ja nicht in einer Bananenrepublik, wo man mitten im Spiel die Spielregeln ändert. Nach 250 investierten Millionen kann ja nicht jemand kommen und sagen ‚Zurück auf Feld eins’. Ich hätte eher Angst gehabt, wenn wir nicht bereits mit dem Bau begonnen hätten. Es gibt ja einen Gestaltungsplan und für viele Bauten stehen bereits die Fundamente. Ich gehe davon aus, dass wir in jedem Fall eine Regelung für die Realisierung des gesamten Projekts finden werden.“ Zudem sei mit der Gemeinde abgemacht, dass ein Teil des verbleibenden Baulands für Erstwohnungen vorgesehen ist.
130-Millionen-Skiarena
Zur wohl wichtigsten Attraktivität von „Andermatt Swiss Alps“ gehört der Wintersport bzw. der massive Ausbau des Skigebiets zwischen Andermatt, Oberalp und Sedrun/Tujetsch. Die geplante Skiarena umfasst die Verbindung der beiden Skigebiete mit einer Skischaukel, die Erneuerung und Errichtung von einem Dutzend Bahnen, weiteren Beschneiungsanlagen und mehrerer Bergrestaurants für insgesamt 130 Millionen Franken. „Aber ich wusste, dass das ein schwieriges Thema ist. Ich habe mehrmals gesagt: Wenn es mir gelingt, die Sedruner und die Andermatter zusammenzubringen, dann gehe ich in den Nahen Osten und versuche, Israeli und Palästinensern zusammenzubringen…“, frotzelt der 55-jährige Ägypter.
Seit dieser Woche können Aktien für die Bahnen gegen neue zum vierfachen Wert getauscht oder 40 % über dem Nominalwert verkauft werden. Sawiris steigt aber nur ein, wenn er auf beiden Seiten des Oberalppasses die Aktienmehrheit erhält. Dazu hat die Bevölkerung von Sedrun/Tujetsch allerdings noch ein gewichtiges Wort zu sagen: 51 % der Sedruner Bahnen sind im Besitz der Gemeinde und über einen Verkauf muss am 1. Juli zuerst noch abgestimmt werden. Sawiris gibt sich zuversichtlich, dass er auch hier Zustimmung findet.
Nicht schwierig – nur langsam
An einer Orientierungsversammlung dieses Wochenende jedenfalls haben sich fast nur positive Stimmen zu Wort gemeldet. Kritischer sehen es Pro Natura und Umweltverbände. Hier ist von „planerischem Wirrwarr, unvollständigen Grundlagen und auferlegtem Zeitdruck“ die Rede. Neben wirtschaftlichen müssten vermehrt auch ökologische Interessen berücksichtig werden.
Sawiris seinerseits betont, er habe nie am Projekt gezweifelt oder gar in Betracht gezogen, jemals aufzugeben. „Wann haben Sie - nach der ersten Anfangseuphorie – gedacht: Diese Schweizer sind schwierige Partner?“, will Kurt Aeschbacher von seinem Gast zum Abschluss wissen. Sawiris: “Nie. Die Schweizer sind nicht schwierig – nur langsam.“ Befreiendes Gelächter im Saal.