Zwei Richter eines Berufungsgerichts in San Francisco retteten das Pentagon und zahlreiche seiner Zöglinge vor Mobbing. Mit ihrer Klage hatten misstrauische Menschenrechtsvertreter unter Berufung auf den Freedom of Information Act das US-Verteidigungsministerium zwingen wollen, die Namen der Offiziere preiszugeben, die es am Western Hemisphere Institute for Security Cooperation (WHINSEC) schulte.
Streit um Namensnennung
Am WHINSEC, bekannter unter seinem früheren Namen Escuela de las Américas mit dem amerikanischen Akronym SOA (für School of the Americas), bildeten US-Offiziere ihre Kameraden aus dem amerikanischen Hinterhof aus. Und die wollten nicht, dass ihre Namen in irgendwelchen Gazetten veröffentlicht würden. Armee-Anwälte hatten Sicherheitsbedenken geäussert und erklärt, „internationales Personal (der Schule) müsste dasselbe Recht auf den Schutz der Privatsphäre haben wie US-Personal“.
Zwar sind die Namen Dutzender Absolventen auf den Erinnerungsplaketten zu lesen, die die Wände von WHINSECs Roy-Benavidez-Halle schmücken, die Facebookseiten der Schule zeigen sogar Fotos von Lehrgangsteilnehmern. Doch Richterin Sandra Ikuta folgte der Argumentation der Army und wies die Klage zurück mit der Begründung, „die Herausgabe (der Namen der Lehrgangsteilnehmer) könnte zu Belästigungen führen.“ Zudem achte das Verteidigungsministerium darauf, dass die Lehrgangsteilnehmer später die Menschenrechte einhielten. Es gebe keine Hinweise, dass diese nicht eingehalten würden.
Keine Ausnahme
In seiner abweichenden Meinung warf Richter Paul Watford seinen Kollegen vor, den „Fuchs zum Hüter der Hennen“ zu machen. Denn „ohne die Namen jener zu kennen, die an der Schule zugelassen würden, hat die Öffentlichkeit keine Möglichkeit, zu prüfen, ob die Lehrgangsteilnehmer vor Kursbeginn korrekt überprüft wurden, oder ob sie nach Schulabschluss in ihren Ländern gegen Menschenrechte verstossen.“
Eine Gruppe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Laufbahnen der WHINSEC-Absolventen zu beobachten, hatte die Klage eingereicht. SOA Watch war 1989 nach dem Massaker von El Mozote, als das Atlacatl-Elitebataillon in drei Weilern im Osten El Salvadors 800 Alte, Frauen und Kinder abschlachtete, gegründet worden. Damals war herausgekommen, dass mindestens 19 der beteiligten Soldaten einschliesslich des Kommandeurs, Oberst José Domingo Monterrosa, Kurse an der SOA absolviert hatten.
„Dieser Zwischenfall war keine Ausnahme“, führte Richter Watford in der Begründung seiner abweichenden Meinung aus. „SOA-Absolventen waren an der Ermordung von Erzbischof Oscar Romero, an der Hinrichtung von vier amerikanischen Nonnen beteiligt. 1990 wurde ein guatemaltekischer Oberst nur sechs Monate nach Abschluss eines SOA-Kurses angeklagt, einen amerikanischen Gastwirt ermordet zu haben. 1992 waren sechs peruanische SOA-Absolventen in die Ermordung von neun Studenten und einem Professor verwickelt. Der salvadorianische Führer einer Todesschwadron Roberto D’Aubuisson, Boliviens Diktator Hugo Banzer, Panamas Manuel Noriega, die argentinischen Diktatoren Roberto Viola und Leopoldo Galtieri, die gegen ihr eigenes Volk einen ‚schmutzigen Krieg‘ führten, waren Absolventen der School of the Americas.“
Putschisten, Massenmörder und Drogenhändler
Die Escuela de las Américas war 1946 gegründet und in Fort Gulick in der Panama-Kanalzone eingerichtet worden. Dort wurden bis heute über 60'000 Offiziere aus allen Ländern Lateinamerikas in antikommunistischer Aufstandsbekämpfung trainiert, wobei das Curriculum auch die Einführung in Folterpraktiken beinhaltete. Dabei war das Wort Kommunist, wie der Anthropologe Lesley Gill in seinem Buch „The School of the Americas: Military Training and Political Violence in Latin America“ schrieb, „ein äusserst dehnbarer Begriff, der beinahe auf jeden Kritiker des Status quo angewandt wurde.“ Es waren wackere zuverlässige Antikommunisten, die das Pentagon an dieser Militärakademie heranzog:
Da putschte sich 1982 in Guatemala der „wiedergeborene“ Sektenprediger, General und Absolvent des 1950er Jahrgangs der SOA Efraín Ríos Montt an die Macht, um in den folgenden zwei Jahren zig Tausende Mayas in sogenannten Wehrdörfern einzusperren und Tausende als „Subversive“ umzubringen. US-Präsident Reagan rühmte ihn als „Mann von grosser Integrität“ und wusste, „dass er die Lebensqualität aller Guatemalteken verbessern und soziale Gerechtigkeit fördern will.“ Eine internationale Wahrheitsfindungskommission warf ihm und seinen Truppen Massenvergewaltigungen, Folter, aussergerichtliche Hinrichtungen und Genozid vor.
Auslieferung verlangt
Nach dem von Medellíns Kokainbaron Juan Matta Ballesteros finanzierten sogenannten Kokainputsch von 1978 regierte in Honduras General Policarpio Paz García, der 1956 und 1959 den Unterricht an der SOA besucht hatte und wie Boliviens Hugo Banzer sogar in die „Hall of Fame“ der SOA aufgenommen wurde. (Bis 2001 gab es diese tatsächlich.) Unter ihm „war die ganze honduranische Regierung tief in den Drogenhandel verstrickt“, urteilte damals die US-Antidrogenbehörde DEA. Die CIA baute ihm eine geheime Todesschwadron auf, das „Bataillon 3-16“, die für Ruhe im Lande sorgte und den antisandinistischen Contras in ihrem Kampf gegen Nicaraguas Sandinisten beistand.
In North Carolina sitzt derzeit Oberst Inocente Orlando Montano in Haft, ein Absolvent des SOA-Jahrgangs von 1970. In den USA wurde er als illegaler Immigrant festgenommen. Nicht verfolgt wird er dort wegen seiner Beteiligung an der Ermordung von sechs Jesuiten-Professoren der katholischen Simeón-Cañas-Universität sowie ihrer Köchin und deren Tochter im November 1989 in San Salvador. Im Zusammenhang mit diesem Verbrechen sucht Spanien seine Auslieferung.
Der guatemaltekische Oberst Pedro Pimentel Ríos, schaffte es sogar, nach seiner Verurteilung zu 6060 Jahren Haft wegen der Beteiligung an der Ermordung von 201 Menschen seine Fähigkeiten als Lehrer an der SOA an junge Offiziere weiterzugeben. SOA-Schüler waren auch Ecuadors Guillermo Rodriguez und Perus Juan Velasco Alvarado, die beide in ihren Ländern demokratisch gewählte Regierungen stürzten. Oder Miguel Krassnoff Martchenko, einer der berüchtigtsten Folterspezialisten Augusto Pinochets; oder José Guillermo García, der in den frühen achtziger Jahren als Verteidigungsminister enge Verbindungen zu El Salvadors Todesschwadronen pflegte und sich – nachdem seine Zeit abgelaufen war – in den USA niederliess.
Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. Zahlreiche SOA-Absolventen putschten später gegen ihre Regierungen. Darum war die School of the Americas im lateinamerikanischen Volksmund berüchtigt als „Escuela de los Golpistas“ (Schule der Putschisten).
„Den Kopf abschneiden“
Am 21. September 1984 musste die Schule in Fort Gulick im Zuge der Umsetzung der Panamakanalverträge, die eine Übergabe der Kanalzone an Panama vorsah, schliessen und zog nach Fort Benning in Georgia um, wo sie dem Army Training and Doctrine Command angegliedert wurde. Mit dem Ende des Kalten Krieges beschäftigten die USA ihre Soldaten zunächst im Krieg gegen die Drogenkartelle. Die Kommunisten wurden nun von „Narcoguerillas“ ersetzt, doch wenig später traten an deren Stelle die noch ominöser klingenden „Terroristen“. Nun wurde alles, was sich militant einer etablierten Ordnung widersetzte, zu Terrorismus.
1997 verabschiedete der Kongress das sogenannte Leahy-Gesetz, mit dem Reformen eingeleitet und Menschenrechtsverletzungen mit der Streichung jeglicher US-Hilfe bestraft werden sollten. Es half nicht, der Ruf der SOA war ruiniert. 1999 wollte der Kongress die Militärakademie sogar schliessen. Inzwischen war bekannt geworden, dass einige der einstigen Schüler weit gefährlicher waren als die sogenannten „Narcoguerillas“. Unter den Offiziersstudenten der SOA fanden sich Drogenhändler wie der bolivianische General Luis Arce Gómez, der 1989 die christdemokratische Präsidentin Lidia Gueiler aus dem Amt putschte und inzwischen wegen Drogenhandels eine 30-jährige Haftstrafe in Miami absitzt. Oder die Gründer des mexikanischen Drogenkartells der Zetas, Heriberto „der Scharfrichter“ Lazcano und Arturo „Zeta Uno“ Guzmán Deceno.
Auch Manuel Contreras, der Chef des mörderischen chilenischen Geheimdienstes DINA der Diktatur Pinochets, lernte sein Handwerk an der SOA, und seltsamerweise auch der Präsident Gambias, Yahya Abdul-Aziz Jemus Junkung Jammeh, der allen Schwulen und Lesben in seinem Land drohte, den „Kopf abzuschneiden“, Immigranten und demonstrierende Studenten gelegentlich einfach erschiessen, angebliche Zauberer und Hexer verfolgen und unliebsame Widersacher verschwinden lässt.
Drohendes Ende
2000 kam schliesslich das Ende, zumindest schien dem so. Das „Nationale Verteidigungsgenehmigungsgesetz“ für das Fiskaljahr 2001 sah die Schliessung der berüchtigten Ausbildungsstätte vor. Nur kurz vor der Abstimmung im Kongress erstattete ein Oberst Mark Morgan dem Verteidigungsministerium Bericht über die Bedenken, die die Abgeordneten gegenüber der School of the Americas hegten, und schlug als Lösung vor: „Wir ändern den Namen.“ Und so geschah es. Präsident Bill Clinton unterschrieb ein Gesetz, und schon im Januar 2001 wuchs wie Phoenix aus der Asche aus der School oft he Americas die Nachfolgeinstitution: The Western Hemisphere Institute for Security Cooperation.
Offizielles Wappen des WHINSEC
Doch auch das WHINSEC geriet schnell in die Schlagzeilen. 1999 wurde der bolivianische Hauptmann Filiman Rodriguez von einem Gericht für die Entführung und Folterung des Direktors der bolivianischen „Volksversammlung für Menschenrechte“, Waldo Albarracín, verantwortlich gemacht. 2002 nahm er an einem 49 Wochen dauernden Ausbildungskurs für Offiziere am WHINSEC teil.
2014 berichteten Menschenrechtsgruppen, dass zwölf der 25 kolumbianischen WHINSEC-Absolventen der Jahre 2001 bis 2003 angeklagt worden seien wegen „schwerer Verbrechen, oder weil sie Einheiten befehligten, die zahlreiche aussergerichtliche Hinrichtungen vorgenommen hatten“. Laut Vorschrift sind Kolumbiens Offiziere verpflichtet, Trainingskurse an der US-Schule zu durchlaufen.
Im Juli dieses Jahres, nur Tage vor dem Kongress der Demokratischen Partei in Philadelphia, forderte darum ein Parteikomitee in Orlando (Florida), einen Beschluss auf Schliessung der Militäreinrichtung in das Parteiprogramm aufzunehmen. Repräsentanten der Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton stimmten dem Vorschlag zu, ihr parteiinterner Konkurrent Bernie Sanders unterstrich die Bedeutung des Beschlusses: „Unsere Unterstützung für Demokratien und zivile Regierungen in der Westlichen Hemisphäre schliesst unseren Glauben ein, dass sich deren Militärs und Polizeibehörden niemals in den politischen Prozess einmischen sollten. Darum sollten wir das Mandat des Kongresses aus dem Jahr 2000, die School of the Americas – heute bekannt als WHINSEC – zu schliessen, wieder aufleben lassen.“(1) Mal sehen, was die Zukunft bringt.
Die Globalisierung des Systems
Sicher scheint nur, dass das US-Militär keinesfalls daran denkt, auf seinen Einfluss auf fremde Offizierscorps, den solche Programme ermöglichen, zu verzichten. Längst haben sie zahlreichen Ersatz geschaffen. Auf dem Soto Cano Luftwaffenstützpunkt in Honduras bilden Nationalgardisten aus Georgia unter Aufsicht des Southern Command (SOUTHCOM) einheimische Soldaten aus, die dort und in den Nachbarstaaten die Narcoguerillas oder Narcoterroristen bekämpfen sollen – mit dem Ergebnis, dass sich die USA mit einer zuvor nie gekannten Welle von Kindern konfrontiert sehen, die ohne Begleitung Erwachsener der Gewalt Mittelamerikas zu entkommen suchen. (Gemessen an der Zahl ihrer Einwohner sterben in Honduras und El Salvador mehr Menschen eines gewaltsamen Todes als in Irak oder Syrien. San Salvador gilt mit durchschnittlich 25-30 Morden am Tag als die Mord-Hauptstadt der Welt.)
Inzwischen gibt es zahlreiche amerikanische Ausbildungszentren für ausländische Truppen auf allen Kontinenten. Vor allem afrikanische Offiziere werden in der US Special Operations and Forces University in Tampa, Florida, trainiert.
Die damalige Aussenministerin Hillary Clinton richtete gemeinsam mit Verteidigungsminister Bill Gates den Global Security Contingency Fund ein, um die Erfahrungen und das Wissen der diversen Ministerien zusammenzulegen und damit Partnerstaaten in Sicherheitsfragen zu assistieren.
„Geheimer Afrika-Plan“
Das Regionally Aligned Force Program nutzt Ausbildung und Assistenz, um ein Netzwerk von kleinen US-Einheiten besonders im Bereich von US Africa Command (AFRICOM) aufzubauen und mit lokalen Partnern zu verknüpfen.
Das International Military Education and Training (IMET) des State Department wurde geschaffen, „um die regionale Stabilität durch effektive Beziehungen zwischen den Militärs zum gegenseitigen Nutzen zu fördern“.
Auf Präsident Obamas Vorschlag geht der Counterterrorism Partnership Fund zurück, der verschiedene Aufgaben zu erfüllen hat: „Die Ausbildung der Sicherheitskräfte des Jemen, die offensiv gegen al-Qaida vorgehen; die Unterstützung einer multinationalen Streitmacht, um in Somalia den Frieden zu erhalten; die Zusammenarbeit mit europäischen Alliierten, um in Libyen einen funktionierenden Sicherheitsverband und Grenzpatrouillen zu trainieren; die Unterstützung französischer Operationen in Mali.“
Die New York Times berichtete zudem von einem „geheimen Afrika-Plan“, der „zum Teil mit Millionen Dollar aus geheimen Kassen des Pentagon finanziert und von Ausbildern aus den Reihen der Green Berets und Delta Force durchgeführt wird. Das Programm der Ausbildung und Ausrüstung Hunderter ausgewählter Kommandotruppen wurde 2013 in Libyen, Mali, Mauretanien und Niger begonnen.“ (2)
Zwar schaffen die weltweiten Konflikte bislang in der Geschichte unerreichte Flüchtlingsströme. Dennoch – so wird versichert – dienen diese militärischen Einrichtungen natürlich ausschliesslich der Sicherheit, dem Erhalt des Friedens und dem Schutz unserer Demokratien.
(1) Brett Wilkins, „School of the Americas/WHINSEC Closure Included in Democratic Party Platform“, Daily Kos, 14. 7.2016; http://www.dailykos.com/story/2016/7/14/1548258/-School-of-the-Americas-WHINSEC-Closure-Included-in-Democratic-Party-Platform, abgerufen: 14.9.2016
(2) Eric Schmitt, „Elite U.S. Troops Helping Africans Combat Terror”, New York Times, 27.5.2014