Nicht erst Barack Obama oder George W. Bush - und mit ihnen der ganze Westen - beschuldigten den Iran, an der Entwicklung einer Atombombe zu arbeiten. Zwar hatte die US-Regierung keine Beweise, doch unter der Annahme, der Iran benutze angereichertes Uran nicht nur für zivile Zwecke, äusserte schon Bill Clinton diesen Vorwurf. Diverse Einladungen Teherans, das iranische Atomprogramm zu inspizieren und in Gesprächen die Spannungen mit den westlichen Staaten abzubauen, wies Washington jedoch schroff zurück.
Ausgerechnet zu einem entscheidenden Zeitpunkt in Irans Atomprogramm lehnte das amerikanische Verteidigungsministerium eine solche diplomatische Initiative Teherans ab. Der Iran hatte insgeheim begonnen, Zentrifugen zu testen und eine Urananreicherungsanlage zu bauen.
"Bresche in die Mauer des Misstrauens"
Ende Februar 1998, so enthüllte der iranisch-amerikanische Wissenschaftler Behrad Nakhai, kontaktierte ihn Teherans Vertretung bei den Vereinten Nationen: Der erst kurz zuvor neu gewählte Präsident Khatami und der damalige Chef der iranischen Atomenergie-Kommission, Gholam-Reza Aghazadeh, schlugen ihm vor, eine Gruppe von Nuklearwissenschaftlern zusammenzustellen, die das iranische Atomprogramm inspizieren sollte.
Nakhai war unter der Regierung Schah Reza Pahlewis im Iran aufgewachsen, nach seinem Schulabschluss in die USA gekommen, hatte 1979 als Nuklearingenieur an der Universität von Tennessee promoviert und zum Zeitpunkt der iranischen Kontaktaufnahme am Oak Ridge National Laboratory geforscht.
Die iranische Einladung kam kurz nach einem Interview, das Khatami im Januar 1998 CNNs Christiane Amanpour gegeben hatte. Schon in diesem Interview forderte Khatami, eine Bresche „in die Mauer des Misstrauens“ zwischen den USA und Iran zu schlagen und „den Austausch von Professoren, Schriftstellern, Wissenschaftlern, Künstlern, Journalisten und Touristen“. Zwar hatte Irans religiöser Führer nur kurz darauf öffentlich offizielle Gespräche zwischen Washington und Teheran abgelehnt, doch Kathami schien entschlossen, die Spannungen mit dem Westen abzubauen.
"Anschauen, was sie wollen"
In mehreren Interviews mit dem Inter Press Service (IPS) erinnerte sich Behrad Nakhai an jene Vorgänge vor 14 Jahren. Demnach hatten ihm die Iraner völlig freie Hand bei der Zusammenstellung der Delegation gelassen: „Sie entscheiden, und wir werden die Visa ausstellen.“ Teheran werde für die Kosten aufkommen, es werde keine Restriktionen geben, die Wissenschaftler könnten treffen, wen sie wollten, anschauen, was sie wollten.
Nach diesen Zusicherungen begann Nakhai prominente Nuklearwissenschaftler und –ingenieure zu kontaktieren. Am 5. März rief er Richard Lahey an, den Chefingenieur des Rensellaer Polytechnic Institute, der zuvor schon einschlägige Erfahrungen beim Studium des chinesischen Nuklearprogramms gesammelt hatte. Als Lahey Interesse an dem Projekt zeigte, schickte ihm Nakhai eine Email: „Der für sieben bis zehn Tage geplante Besuch sieht Gespräche mit Regierungsmitgliedern, mit Universitäts- und Labormitarbeitern und Besichtigung von (Nuklear)Einrichtungen vor.“
Wenig später antwortete Lahey ebenfalls mit einer Email: „Ich habe von einer Reihe von Spitzenfachleuten auf dem Gebiet der Nuklearenergie und –Sicherheit gehört, dass sie an einem Besuch zum Informationsaustausch im Iran interessiert seien.“ Prof. Theo Theofanous von der University of California in Santa Barbara, Professor John J. Dorning von der University of Virginia und Dr. Rusi Taleyarkhan vom Oak Ridge National Laboratory hätten ihr Interesse, sich einer derartigen Delegation anzuschliessen, zum Ausdruck gebracht. Zudem, so empfahl Lahey, im State Department um eine formale Genehmigung für die Reise nachzusuchen, so dass die Wissenschaftler nicht Gefahr liefen, ihre Position als Geheimnisträger zu verlieren.
"Die werden euch täuschen"
Mitte März rief Nakhai den für Iran zuständigen Beamten im State Department Christopher Stevens an, der die geplante Reise nach Nakhai’s Angaben für „eine gute Idee“ hielt. Allerdings müsse er die Reise vom Verteidigungsministerium genehmigen lassen. Als Nakhai die für den Nahen Osten und Südasien zuständige Deputy Assistent Secretary of Defense Alina Romanowski anrief, erhielt er eine schroffe Absage. „Die werden euch täuschen und euch auch nicht alles zeigen“, habe Romanowski eingewandt.
„Ich sagte ihr, diese Wissenschaftler liessen sich nicht so einfach täuschen“, bat Nakhai die Dame, die Sache noch einmal zu überdenken. Immerhin habe Lahey schon Erfahrungen auf seiner China-Mission nach Präsident Nixons Peking-Besuch gesammelt.
Das Verteidigungsministerium könne ihnen auch Aufträge erteilen, wo sie suchen sollten und der Delegation einen Experten eigener Wahl zur Seite stellen. Doch auch in mehreren Telefongesprächen habe er Romanowski nicht umstimmen können. Im Mai 1998 habe er schliesslich aufgegeben und das Projekt abgesagt.
"Nützlich, um Druck ausüben zu können"?
Der ehemalige Assistent Secretary of State for Near East and South Asia (1994-1997) und Deputy Assistent Secretary of Defense für die gleiche Region (1983-1985), Robert Pelletreau, zählte IPS mögliche Gründe für die ablehnende Haltung des Pentagon auf: Konkurrenzdenken könnte eine Rolle gespielt haben, ein vom State Department unterstütztes Projekt zu sabotieren, und Misstrauen gegenüber einem iranischen Wissenschaftler, der über keine persönlichen Verbindungen zum Verteidigungsministerium verfügte.
Nakhai glaubt heute, das Resultat einer derartigen Reise in den Iran hätte unter Umständen die von der Regierung Clinton ständig beschworene Gefahr, die von angeblichen iranischen Nuklearwaffen ausging, in Frage gestellt. „Sie hatten erkannt, dass das Nuklearprogramm sehr nützlich sein könnte, um Druck auf den Iran auszuüben“, vermutet Nakhai. „Und sie wollten dieses Druckmittel unbedingt behalten.“
"Achse des Bösen"
Der Eindruck, dass der Westen tatsächlich nie beabsichtigte, die Beziehungen zu Iran zu verbessern, lässt sich nicht von der Hand weisen – zumindest solange dort die Mullahs die Politik mitbestimmen. Auch weitere Bemühungen Teherans blieben darum unbeantwortet.
Nur kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte Teheran ein weiteres Mal dem Westen Avancen gemacht und den USA Kooperation im Kampf gegen al-Qeada und die Taliban angeboten. Ein Report des State Department sprach von „einer wirklichen Gelegenheit“, die Beziehungen mit Iran zu verbessern. Sowohl die CIA als auch das Antiterrorbüro des Weissen Hauses unterstützten diese Auffassung.
Die Aussichten auf eine Verbesserung der Beziehungen verflüchtigten sich am Abend des 29. Januar 2002 jedoch schnell, als Präsident George W. Bush in seiner Rede an die Nation Teherans Kooperation im Krieg gegen den Terrorismus mit keinem Wort erwähnte und stattdessen den Iran neben Irak und Nordkorea zu einem Mitglied der „Achse des Bösen“ machte.
Programmiertes Scheitern
Nicht einmal diese zweite Abfuhr entmutigte die Teheraner Führung. Nur ein Jahr später, Anfang 2003, unternahm Teheran einen dritten Versuch, die Beziehungen zu Washington zu verbessern. In einem Dokument, das sie dem Schweizer Botschafter, der in Teheran die Interessen der USA wahrnahm, überreichten, schlug die iranische Regierung ausführliche Gespräche, ein Ende des „feindseligen Verhaltens“ und der Wirtschaftssanktionen vor.
Die USA sollten Irans Zugang zu friedlicher Nukleartechnologie garantieren und seine „legitimen Sicherheitsinteressen“ anerkennen. Im Gegenzug dazu bot Teheran „völlige Transparenz“ seines Nuklearprogramms und die Beendigung seiner Unterstützung militanter Gruppen im Nahen Osten wie Hisbollah, Hamas und Islamischer Jihad an.
Die Regierung George Bushs lehnte diese weitgehenden Vorschläge rundweg ab und massregelte den Schweizer Botschafter dafür, dass er den Vorschlag überhaupt abgeliefert hatte.
Seit August 2005 hat sich in Teheran eine Regierung etabliert, die den Washingtoner Vorstellungen eher zu entsprechen scheint, und kaum noch unwillkommene Vorschläge macht, um dem westlichen Druck zu entkommen. Der Westen scheint an einer wirklichen Lösung der Frage tatsächlich nicht sehr interessiert oder ignoriert und missversteht die Position Irans, wie Catherine Ashtons Brief an den iranischen Chef-Unterhändler Saeed Jalili vom 6. März dieses Jahres, in dem sie die Ziele zukünftiger Verhandlungen formulierte, zeigt.
In diesem Schreiben verlangte sie „die volle Umsetzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates“ als letztes Ziel zukünftiger Gespräche mit Iran, wohl wissend, dass Teheran in der Forderung, die Urananreicherung einzustellen, eine Missachtung seiner „offenkundigen und fundamentalen Rechte“ aus dem Atomwaffensperrvertrag sieht. Damit ist ein Scheitern der Gespräche programmiert.