Um es vorwegzunehmen: Das Resultat könnte durchaus vergleichbar sein mit den vorigen drei Wahlen: Keine Partei wird die Mehrheit der 120 Mandate erringen. Die deswegen notwendigen Koalitionsverhandlungen dürften somit schwer bis sehr schwer werden. Und am Ende wird man sich auf einen Termin im Herbst einigen: den der nächsten Wahl. Der fünften innerhalb von zweieinhalb Jahren.
Kann Netanjahu eine neue Koalition zusammenbringen?
Letzteres dürfte vor allem dann eintreten, wenn es dem bisherigen Regierungschef, Benjamin Netanjahu (72), gelingen sollte, den Auftrag zur Regierungsbildung zu ergattern: Netanjahus rechter „Likud“ wird zwar stärkste Partei bleiben und knapp 30 Mandate erringen, aber für eine Regierungskoalition braucht er mindestens 61. So hat Netanjahu zwar mehrere kleinere Rechtsparteien umworben, unter ihnen auch Anhänger des (1990 in New York ermordeten) rechtsradikalen Rabbi Meir Kahane. Aber nicht alle Parteien, die sich „rechts“ nennen, sind auch bereit, Netanjahu zu unterstützen.
Ähnlich bei den religiösen Parteien: Die meisten Orthodoxen sehen in der Regierungkoalition ein Mittel, ihre eigenen orthodoxen Ansichten in der Gesellschaft durchzusetzen. Die Pandemie-Krise hat vielen Israelis demonstriert, wohin das führen kann: Orthodoxe waren die prononciertesten Gegner vieler der auch in Israel verordneten Anti-Corona-Schutzmassnahmen.
Yahir Lapid als Gegenspieler des Regierungschefs
Linke und linksliberale Parteien wiederum sind – wie anderswo auch – im Niedergang begriffen und es ist schwer vorstellbar, dass sich aus dieser Richtung eine regierungsfähige Mehrheit finden lässt. Mit Ausnahme von „Yesh Atid“ („Es gibt eine Zukunft“) des Journalisten und ehemaligen Ministers Yair Lapid. Die bereits vor neun Jahren gegründete Partei lehnt den orthodoxen Einfluss auf die Politik ab, vor allem aber: Sie will ein Ende der Regierungszeit von Netanjahu. Aus diesem Grund hatte sie sich Ende 2019 mit dem Ex-General Benny Gantz zur „Blau-Weiss“-Bewegung zusammengeschlossen und war dreimal erfolgreich bei den Wahlen angetreten. Aber nicht erfolgreich genug: Netanjahu gelang es immer wieder, eine knappe Mehrheit für seine Koalition zu erlangen. Immerhin kam es aber vor einem Jahr zu der Vereinbarung zwischen Netanjahu und Gantz, dass man gemeinsam gegen Corona antrete und im November dieses Jahres das Amt des Regierungschefs tauschen werde.
Für „Blau-Weiss“ war dies der Weg in die Bedeutungslosigkeit. Netanjahu war nicht an einer „Rotation“ interessiert, so betrieb er zielstrebig die Ausschreibung dieser vierten Wahlen. Mit dem zwar nicht verkündeten, aber doch allen bekannten Ziel, endlich mehreren Korruptions-Prozessen zu entgehen, die Netanjahu ins Haus stehen. „Yesh Atid“ tritt nun wieder als selbständige Partei an und es werden ihr knapp 20 Mandate vorausgesagt – zwei Drittel der 30 erwarten „Likud“-Mandate. Zusammen mit mehreren kleineren linksliberalen Parteien und vielleicht auch einem Teil der israelisch-arabischen Abgeordneten könnte Lapids Partei zu einer Herausforderung für den „Likud“ werden.
Benny Gantz und die mögliche „Trickkiste“
Kommt es so, dann wird sich vielleicht auch Gantz mit dem Überbleibsel von „Blau-Weiss“ anschliessen. Natürlich nicht als Koalitionspartner Netanjahus, sondern um diesen loszuwerden. Dazu müssen Gantz und andere mögliche Kleinparteien aber erst die 3,25% Sperrminorität – das Pendant von 4 Mandaten – überwinden. Sicher keine leichte Aufgabe.
Wenn aber auch Netanjahu keine neue Regierungskoalition bilden kann, dann findet Gantz Trost für sein eigenes schlechtes Abschneiden: Er weist darauf hin, dass ohne eine Regierungs-Neubildung die bisherige ja als Übergangsregierung im Amt bliebe. Und der gehöre er weiterhin als Verteidigungsminister und Rotations- Ersatzpremier an. Sollte er von Netanjahu gelernt und sich eine eigene „Trickkiste“ zugelegt haben?
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Noch einige Fakten zu den Wahlen:
- Das Ergebnis soll bereits am Donnerstag bekannt gegeben werden.
- Nachdem bereits der oberste Chef des Pharma-Konzerns Pfizer, Bourla, einen Besuch in Israel vor den Wahlen abgelehnt hatte, weil er nicht zum Wahlhelfer werden wolle, hat auch der Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate, Mohammed bin Zayed, dieses Argument benützt, um das Scheitern eines Kurzbesuches von Netanjahu in den VAE zu erklären: Das Abkommen zwischen Israel und den Emiraten sei nicht dazu da, sich in Wahlen einzumischen.