32 Mal fand in diesem Frühsommer die Schlacht von Murten erneut statt, und stets gewannen die Berner Eidgenossen unter Adrian von Bubenberg gegen das übermächtige Heer von Karl dem Kühnen. Die 81 Darsteller und Darstellerinnen und sieben Pferde der erfolgreichen Grossinszenierung „1476“ auf dem Original-Kriegsschauplatz über dem Murtensee liessen keinen Zweifel daran, wie die Geschichte damals abgelaufen ist und wer – sowohl bei Abendsonne wie bei Platzregen – jeweils siegreich von dannen zog. Und wer sich zwar noch an gähnend langweilige Geschichtsstunden aus der Schulzeit, jedoch nicht mehr an Fakten erinnert, erhielt auf gedeckter Tribüne 150 Minuten lang eindrücklichen und differenzierten Nachhilfeunterricht zu einem bewegten Kapitel Schweizergeschichte.
Was wäre, wenn ...?
Doch: Was wäre, wenn seinerzeit alles anders gelaufen wäre? Adrian von Bubenberg und Karl der Kühne nicht Jugendfreunde mit einem Rest menschlichen Respekts geblieben wären?
Wenn das Wetter eine andere Rolle gespielt, der Ruhetag des burgundischen Heeres erst anderntags stattgefunden hätte? Das stolze Patrizier-Bern hätte wohl zu Frankreich gehört, die späteren Eroberer der Waadt eher Bücklinge vor dem französischen Hof machen müssen…
Der Historiker und Journalist Hans-Peter von Peschke hat sich einen alten Traum erfüllt und kenntnisreich ein spannendes Buch mit Kurzgeschichten zu zwanzig Wendepunkten aus der gut 2000-jährigen Geschichte geschrieben.
Lust an Alternativen
Was wäre, wenn Cäsar an den Iden des März dem Attentat entgangen wäre? Was, wenn das mittelalterliche Europa von den Mongolen überrannt worden wäre? Was, hätte der Bayernkönig Ludwig II. Bismarck getrotzt? Sähe die Welt anders aus, wäre der Machtkampf zwischen Trotzki und Stalin anders herausgekommen? Hätte sich etwas geändert, wenn Deutschland 1954 nicht die Fussball-Weltmeisterschaft gewonnen hätte? Und – um auch ein Kapitel noch neuerer Geschichte zu analysieren – was wäre passiert, hätten sich die Hardliner im Kreml gegen Gorbatschow durchgesetzt?
Das Buch ist mehr als eine Spielerei mit „Was-wenn“-Geschichten. In Tabellenform werden jeweils die reale und die fiktive Version einander gegenüber gestellt. Es geht also nicht nur um Gedankenspielereien, die Texte zeichnen auch historisch weniger Bewanderten die Fakten der damals entscheidenden Ereignissen nach. Hans-Peter von Peschke sammelt seit Jahren kontrafaktischen Geschichten und Bücher dieses Stils. Schon früher hat er sowohl beim Bayerischen Rundfunk wie bei Radio DRS entsprechende Sendungen und Diskussionsrunden gestaltet.
„Ich stellte fest, dass die Lust am mehr oder weniger ernsten Nachdenken über alternative Geschichtsszenarien nicht nur an Biertischen beliebt war“, erinnert sich der Journalist und Autor. Und irgendwann wurde das Hobby zum Buchprojekt: Einerseits sollte das Ganze amüsant, spannend und vor allem verblüffend sein, andererseits zu kniffligen Gedankenspielen anregen, eine historic science fiction, die aber das Wort science ernst nimmt.“ Jetzt liegt das Werk vor.
Hans-Peter von Peschke, Was wäre wenn – alternative Geschichte, Theiss Verlag 2014