Zunächst einmal machen sich alle ans Zurückrudern, die bei einer Ablehnung der Kapitulationsurkunde des Rechtsstaats Schweiz Tod und Teufel, Pech und Schwefel, grössere oder kleinere Untergänge an die Wand gemalt haben. Davon liess sich der Ständerat ins Bockshorn jagen, der Nationalrat nicht. Die angenommene Deklaration zuhanden der USA, dass die Schweiz weiterhin eine rasche Lösung anstrebe, wird die Amis nicht sonderlich beeindrucken. Also wie weiter?
Alles beim Alten
Zunächst einmal bleibt alles beim Alten. Die 12 Banken, die in der vordersten Linie des Beschusses durch US-Behörden stehen, werden weiterverhandeln und dealen. Alle Banken, die in Gruppe zwei oder drei gerutscht wären, können vorläufig aufatmen. Die Horrorszenarien, dass sie 40 oder mehr Prozent des verwalteten Vermögens von US-Kunden abliefern müssten, sind nach diesem Beschluss des Nationalrats nicht eingetroffen. Das ist eine gute Nachricht. Für die Bankangestellten gibt es die gute Nachricht, dass sie sich weiterhin gegen die Auslieferung ihrer Daten wehren können, ausser, sie arbeiten bei einer Bank der Gruppe eins, aber das war auch vorher so.
Natürlich werden die Amis nun nicht sagen: «Also gut, dann halt nicht, dann lassen wir’s.» Wir werden ja demnächst erfahren, ob es die sogenannte «Todesliste» gibt, von der die Sonntagspresse raunte, also abschussbereite fünf Klagen gegen Schweizer Banken selbst. Das wäre nach dem aktuellen Stand der Dinge sehr wahrscheinlich tatsächlich das Todesurteil für eine betroffene Bank. Aber gemach.
Schutzschirm oder Eigeninteresse
Der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, mischte sich unglaublicherweise in die Politik ein und wollte die Abstimmungen im Parlament beeinflussen, indem er sagte, dass die SNB einen Schutzschirm namens Dollar-Clearing nicht aufspannen «will, darf». Bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit der SNB, eine solche Stellungnahme ist unstatthaft und nach Meinung bedeutender Kenner der Materie auch falsch. Das wäre also eine mögliche Massnahme, sollte eine Schweizer Bank alleine durch eine Klage in Gefahr geraten.
Zudem wissen die Amis ja, leider besser als die Schweiz, worin ihr Eigeninteresse besteht. Sie wollen keine Credit Suisse plattmachen, weil das auch ihren Finanzplatz in Mitleidenschaft ziehen würde. Es ist eher fraglich, ob sie sich an einer Kantonalbank vergreifen wollen, bei der ja via Staatsgarantie zumindest eine kantonale Regierung ins Spiel käme. Sie könnten sich natürlich, wie im Fall Wegelin, eine weitere Privatbank vorknöpfen. Nach der Devise: Wenn euch Wegelin nicht genug Angst gemacht hat, dann hängen wir die nächste Bank auf.
Es geht ums Geld
Geht es den USA um die unerbittliche Verfolgung von Steuerhinterziehern im Ausland, vor allem von solchen, die meinten, sich unter das Schweizer Bankgeheimnis flüchten zu können? Ja, auch. Aber nicht in erster Linie, sonst hätten sie sich schon längst daran gemacht, im Wirkungsbereich ihrer eigenen Gesetze die grössten Steueroasen der Welt unter Wasser zu setzen. In erster Linie geht es den am Staatsbankrott entlangtaumelnden USA, bei denen ja mangels Budget immer mehr staatliche Dienstleistungen eingestellt werden, ums Geld.
Mit dem Riesenschnüffelmonster FATCA, dem leider auch die Schweiz wohl zustimmen wird und dessen Umsetzung weltweit Hunderte von Millionen kostet (die Finanzinstitute, nicht die USA), wird nach vernünftigen Schätzungen allerhöchstens ebenfalls weltweit ein einstelliger Milliardenbetrag in die leere Staatskasse gespült. Dagegen sind die, auch vom Bundesrat, herumgebotenen möglichen Zahlungen von 8 bis 10 Milliarden alleine aus der Schweiz natürlich eine verlockende Sache. Vor allem, wenn man die unter Mithilfe der Schweizer Regierung ohne grosse Anstrengungen gekriegt hätte.
Wie weiter?
Deutschland, Frankreich und alle weiteren Staaten, die schon darauf warteten, durch diese von den USA geschlagene Bresche in die Tresore Schweizer Banken zu marschieren, sind natürlich enttäuscht. Auch für sie dumm gelaufen.
Recht nervös sind die Bankführer in den Chefetagen der 12 bereits im Nahkampf stehenden Banken. Der fein ausgedachte Plan, dass es nach der Lex UBS auch noch eine Lex Credit Suisse geben sollte, die man natürlich unter keinen Umständen so nennen durfte, ist nicht aufgegangen. Die fast übermenschlichen Anstrengungen, in den letzten Tagen vor den entscheidenden Abstimmungen das Ruder noch rumzuwerfen, haben nicht gefruchtet.
Schlimm und schlimmer
Nun stehen die Chefs vor einem Problem, das sie hassen wie der Teufel das Weihwasser. Sollten, müssten sie allenfalls selbst Verantwortung übernehmen? Nachdem sie den Schweizer Staat nicht zu einem zweiten Rechtsbruch bewegen konnten, den Rechtsbruch ihrer Mitarbeiter in den USA damit heilen, dass sie selbst geforderte Informationen ausliefern? Und sich damit in der Schweiz strafbar machen würden? Wäre eigentlich ein gangbarer Weg. Da es aus diesem Schlamassel keinen sauberen Ausweg gibt, sondern nur die Wahl zwischen schlimm und weniger schlimm, liegt das eigentlich auf der Hand.
Wenn sie an ihre eigene Propaganda vor der Abstimmung glauben, dass eine Ablehnung des US-Deals im schlimmsten Fall den Untergang bedeuten würde, muss doch alles erlaubt sein, was ihn verhindert. Im Ernstfall lieber ins Gefängnis gehen, als am Bankrott der Bank schuld sein. Ein persönlicher Opfergang zur Verhinderung eines grösseren Opfers. Meiner Treu, wäre das ein leuchtendes Beispiel von Verantwortlichkeit. Selbst ich würde mich ehrfurchtsvoll verneigen. Leider ist diese Gefahr sehr gering.