Seit 2017 besitzt Kapstadt ein neues Wahrzeichen. Ein ehemaliges Silo wurde vom englischen Gestalter Thomas Heatherwick zum Zeitz Museum of Comtemporary Art Africa (MOCAA) umgebaut. Das Ziel ist es, in den grosszügigen Räumen zeitgenössische afrikanische Kunst zu zeigen.
Die südafrikanische Metropole Kapstadt profitiert von der herausragenden landschaftlichen Kulisse mit dem Ausblick auf das Meer auf der einen Seite und dem Tafelberg auf der anderen Seite, der einen ähnlichen Stellenwert hat wie der Pilatus für Luzern. In den letzten Jahren entstand im ehemaligen Hafengelände die Victoria&Alfred Waterfront, ein neues, für Touristen konzipiertes Zentrum mit unzähligen Geschäften, Restaurants und Plätzen. Zum ganzen Komplex gehört nun auch das MOCAA, wofür ein alter Getreidespeicher mit zwei unterschiedlich hohen Volumen spektakulär umgebaut wurde.
Ermöglicht hat dieses Unternehmen der 1963 geborene deutsche Wirtschaftsmanager Jochen Zeitz, der als Bewunderer afrikanischer Kunst und Kultur 2008 die Zeitz Foundation of Intercultural Ecosphere Safety gegründet hatte. Diese in Kenia domizilierte Organisation fördert vielfältige Projekte in den Bereichen Erhaltung, Gemeinschaft, Kultur und Wirtschaft, insbesondere in den Ländern von Schwarzafrika. Für seine umfangreiche Kunstsammlung suchte Zeitz einen Ort, wo er die Werke ausstellen konnte. Die für die Erneuerung des Hafengeländes von Kaptstadt zuständige Gesellschaft finanzierte den Umbau des Silos, während Zeitz die Dauerleihgabe seiner Sammlung sowie die Übernahme der Betriebskosten garantierte.
Das Umbauprojekt wurde dem 1970 geborenen Thomas Heatherwick anvertraut, der seit 1994 in London ein Studio für dreidimensionales Design führt. Mit seinem Team erforscht er kreative Umsetzungen von gestalterischen Herausforderungen in unterschiedlichen Bereichen, wozu auch die Planung von architektonischen Artefakten gehört, aber nicht nur. So stösst man im über 600-seitige Werkkatalog auch auf Skulpturen, Möbel, Adventskalender, den neuen Londoner Bus, einen Teppich, eine Uhr und etliches mehr. Sein jüngstes, 2019 errichtetes Werk, eine aus 154 Treppen bestehende, 46 m hohe Struktur in New York, hat sich bereits als neue Attraktion von Manhattan etabliert.
57 Meter hoher Getreidespeicher
In Kapstadt bestand das Problem, die beiden Teile des 1921 gebauten und 2001 ausser Dienst gestellten Speichers zu einem Ganzen zu verschmelzen. Der 57 m hohe Kopfbau erhielt im oberen Bereich eine Gitterstruktur, in die mehrteilige, nach aussen gebauchte Fenster eingepasst wurden. Der untere Teil blieb hingegen roh. Daran schliesst sich der nur halb so hohe Getreidespeicher mit insgesamt 42 Zylindern, jeder mit einem Durchmesser von fünf Metern. Heatherwick beliess die aussen sichtbaren Rundungen der Zylinder als Rahmen und entfernte im Innern zwölf Zylinder, um die Museumsräume unterbringen zu können.
Im restlichen Röhrenbündel schnitt er einen eiförmigen Hohlraum aus, wodurch unterschiedliche, an Zellen erinnernde Schnitte geschaffen wurden. Dieser Leerraum fungiert als eine Art Empfangshalle, die auf jedem Stockwerk neue, überraschende Raumeindrücke erzeugt. Das Äussere ist durch den Kontrast vom verwitterten Beton des Altbaus und der kristallinen Verkleidung geprägt.
Noch wenig präsente afrikanische Kunst
So überzeugend der Eingriff auch ist, es drängen sich kritische Fragen in Bezug auf den kulturellen Kontext des neuen Museums auf. Zwar ist die Apartheidpolitik in Südafrika offiziell beendet, aber der Graben zwischen Schwarzen und Weissen ist nach wie vor tief. Das MOCAA ist Teil eines hauptsächlich von Weissen frequentierten Areals. In unmittelbarer Nähe werden in einem modernen Gebäude Luxusfahrzeuge von Ferrari und Bentley ausgestellt. Entlang von ausgebauten Wasserbecken erheben sich luxuriöse Residenzen, die von hohen, mit Elektrozäunen versehenen Mauern sowie bewachten Gates hermetisch abgeriegelt werden.
In den Kopfbau des MOCAA ist ein Hotel integriert, das für eine Übernachtung einen vierstelligen Betrag fordert ... in Schweizer Franken. Und ob die Schwelle in das Museum für alle überwindbar ist, darf angesichts des stolzen Eintrittspreises von rund 15 CHF bezweifelt werden. Afrikanische Bürger und Bürgerinnen erhalten eine Ermässigung, aber nur während eines schmalen Zeitfensters an einem einzigen Tag. Und was das Ausstellungsprogramm betrifft, muss man wohl noch einige Jahre warten, bis man ein erstes Urteil fällen kann. Bei meinem Besuch waren zwei Stockwerke durch eine grosse Schau des international bekannten südafrikanischen Künstlers William Kentridge, eines Weissen, belegt. Möchte das Museum wirklich einen Einblick in die gesamte afrikanische Kunstszene gewähren, müsste in näherer Zukunft schwarzafrikanischen Kunstschaffenden eine grössere Präsenz garantiert werden.
www.zeitzfoundation.org; https://zeitzmocaa.museum
Lit.: Thomas Heatherwick: Making. London: Thames&Hudson, 2015.