Ahmed Schafik ist ein ehemaliger Luftwaffengeneral der ägyptischen
Streitkräfte und ein früherer Minister für Zivilluftfahrt unter Präsident Mubarak. Dieser hatte ihn kurz vor seinem Sturz zum
Ministerpräsidenten Ägyptens bestimmt. Später war er bei den Präsidentschaftswahlen Gegenkandidat von Mohammed Mursi und unterlag diesem 2012 in der Stichwahl.
Er dürfte damals die Unterstützung der Armee genossen haben. Das Wahlresultat war sehr knapp: 50,1 Prozent der Stimmen für Mursi; 48,27 Prozent für Schafik. Nach seiner Niederlage in der ersten postrevolutionären Präsidentschaftswahl gründete er eine Partei, die noch heute besteht: die "Ägyptische Patriotische Bewegung". Am vergangenen Samstag ist Schafik jedoch von der Präsidentschaft seiner Partei zurückgetreten.
2012 hatte er sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt. Damals war gegen ihn ein Strafverfahren wegen Korruption eröffnet worden. Doch ein Jahr später wurde er freigesprochen, und er hätte nach Kairo zurückkehren können. Er blieb jedoch in den Emiraten.
Verbotenes Fernsehinterview
Eine Fernsehstation in Kairo hatte kürzlich ein Interview mit Schafik aufgezeichnet, das am letzten Freitag in der Sendung „Die schwarze Schachtel“ hätte ausgestrahlt werden sollen. Im letzten Moment wurde die Sendung verboten. Bereits zuvor waren einige Ausschnitte des Interviews publik geworden. Aus diesem Grund wird deutlich, weshalb die Ausstrahlung verboten wurde. Schafik sagte in dem Interview unter anderem:
"Ich habe Dokumente, die mit Leichtigkeit jene belasten könnten, die versuchen, Leute zum Schweigen zu bringen". Auch: "Ich weiss mehr als die Geheimdienste. Es ist besser, jeder schweigt, so dass ich auch schweige. Niemand darf wagen, mir vorzuschreiben, dass ich nicht für das Parlament kandidieren soll."
Druck auf Sisis Gegner
Schafik wird auch gefragt, weshalb er nicht die Vereinigten Arabischen Emitate verlasse und nach Kairo zurückkehre. Er antwortet: "Ein Kämpfer gibt seinen Feinden nicht die Gelegenheit, ihn los zu werden."
Im vergangenen Monat berichtete die Kairoer Zeitung al-Schoruk, "Regierungsbeamte" hätten erklärt, Schafik solle auf politische Pläne verzichten. Sie klagten ihn an, er destabilisiere die "Legitimität des
gewählten Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi." Aus diesen Hinweisen, kombiniert mit dem Ausstrahlungsverbot, geht hervor, dass Sisi und seine Entourage Schafik offenbar als Rivalen und Konkurrenten des Präsidenten einstufen.
Noch immer kein Parlament
Ägypten hat zur Zeit kein Parlament, doch nach der geltenden Verfassung müsste es dringend ein solches wählen. Nach dem Ramadan, der im Juli zu Ende geht, würden dann endlich Parlamentswahlen stattfinden, heisst es. Doch ein festes Datum gibt es noch nicht. Man kann annehmen, dass Schafik sich ins Parlament wählen lassen wollte. Präsident Sisi oder seine Parteigängen wollen dies offenbar verhindern. Wenn dies zutrifft, deutet dies darauf hin, dass Schafik über gewichtige Unterstützung verfügt, wahrscheinlich auch unter Armee-Offizieren.
Über Twitter gab Schafik jetzt bekannt, sein Rücktritt als Parteichef erfolge aufgrund „schwieriger und unnatürlicher Umstande, die mir nicht erlauben, meine Fähigkeiten einzusetzen, um unserer stärker werdenden Partei nützlich zu sein." Er versprach jedoch, er werde "seine Aktivitäten ausdehnen," ohne weitere Informationen zu geben.
Grosse Versprechen – und dann nichts
All dies deutet darauf hin, dass Präsident Sisi nur in der gelenkten ägyptischen Presse volle Zustimmung geniesst. Immer häufiger wird gefragt, was seine Präsidentschaft tatsächlich bringt. Was ist aus seinen grossen Versprechen konkret geworden?
So hat er zum Beispiel mit grosser Publizität verkündet, in der Wüste würde „ein zweites Kairo“ gebaut. Ein Grossbauunternehmer und ein Finanzmann aus den Emiraten hatten ein solches Projekt vorgelegt. Die neue Stadt, deren Pläne auf einer Geberkonferenz in Scharm al-Scheich gezeigt wurden, sollte 45 Milliarden Dollar kosten. Doch später stellte sich heraus, dass der Bauunternehmer von einer ägyptischen Bank finanziert werden wollte. Dies führte dazu dass das Projekt aufgegeben wurde.
Minister entlassen
Sisi musste kürzlich seinen Justiz- und seinen Innenminister auswechseln. Der Justizminister hatte öffentlich erklärt, die Söhne von
Abfallsammlern könnten nicht Justizminister werden; für diese Bemerkung wollte er sich nicht entschuldigen.
Der Innenminister musste die Verantwortung dafür übernehmen, dass Polizisten einen Anwalt zu Tode geprügelt hatten, als er auf einem Polizeiposten Anzeige wegen polizeilicher Übergriffe einreichen wollte. Im Januar hatte zudem die Polizei die bekannte Aktivistin, Schaimaa al-Sabbagh erschossen, als sie an einer Gedenkstätte für gefallene Revolutionäre eine Kerze anzündete. Nach ihrem Tod sprach sie Sisi in einer Rede als "meine Tochter“ an.
„Wo ist der Bulldozer?“
Die beiden Nachfolger der entlassenen Minister gelten jedoch als mindestens ebenso rücksichtslos wie ihre Vorgänger.
Zwar ist Ministerpräsident Ibrahim Mahlab noch im Amt. Doch Sisi sah sich veranlasst, ihn öffentlich zu ermahnen. Während einer Rede wandte sich der Präsident an seinen Regierungschef: "Sie haben mir versprochen, dass Sie wie ein Bulldozer gegen Korruption vorgehen wollten. Wo ist der Bulldozer?"
Kritik aus Washington
Im Mai war den amerikanischen Senatoren ein Bericht über die Lage in Ägypten vorgelegt worden. Darin heisst es, das Land habe sich unter Sisis Führung weiter von der Demokratie entfernt. Die ägyptischen Zeitungen berichteten darüber. In dem Bericht an die Senatoren werden Dekrete des Präsidenten erwähnt, die die Demonstrations- und Meinungsfreiheit stark einschränken. Erwähnt wird auch, dass die Gefängnisse überfüllt sind. Offiziell gibt es 16‘000 Gefangene, nach inoffiziellen Schätzungen sind es mehr als 40‘000.
Die ägyptischen Kommentatoren nehmen dies zum Anlass zu fragen: "Wie lange kann Sisi noch alleine regieren?". Sie weisen darauf hin, dass als erster Schritt die Wahl eines Parlaments unumgänglich sei. Ferner sei es nötig, gegen Korruption und Bürokratie nicht nur ab und zu mit Einzelmassnahmen vorzugehen. Es brauche eine grundlegende, systematische Reform des ägyptischen Regierungsapparats.