Amerikanische Schiffe durften damals nur zwei Häfen anlaufen und sich dort mit Proviant versorgen. Der grösste Teil des Landes blieb in jener Zeit für die meisten Fremden unzugäglich. Das sorgte bei ihnen für Unruhe.
„Sie haben solch einen Überfluss an Kohle, dass Sie ohne Schwierigkeiten einiges davon an uns verkaufen können. Unsere Seeleute brauchen Kohle für ihre Dampfschiffe und sind darauf angewiesen, sie von Ihnen zu erhalten“, schrieb Millard Fillmore, Präsident der USA, an eine ihm unbekannte Person, die er mit dem Titel „Kaiser von Japan“ anredete. Fillmore war fest davon überzeugt, dass der „Kaiser von Japan“ in der Stadt Edo sitze, die heute Tokyo heisst.
Demonstration der Stärke
Der Brief datiert vom Jahr 1852. Einen Postweg von Washington nach Edo gab es damals nicht. Jemand aus den USA musste den Brief persönlich in Edo überbringen. Das geschehe am besten mit einem ordentlichen Kriegsschiff - ordentlich, denn es musste mit Dampf betrieben sein, der damals eindrucksvollen High Tech. Daniel Webster war Fillmores Mann für die Aussenbeziehungen und hatte den Brief entworfen. Er war der Drahtzieher des Plans, eine amerikanische Mission nach Japan zu entsenden. Sie hatte nicht nur den Brief des Präsidenten auzuhändigen, sondern kein geringeres Ziel, als Japan für den Welthandel zu „öffnen“.
Daniel Webster war entschlossen, seinen Versuch zum Erfolg zu führen. Deswegen inszenierte er eine Demonstration amerikanischer Stärke. Während die amerikanische Westküste erst nach und nach unter die Kontrolle der Washingtoner Regierung geriet, schien der Pazifik für die USA bereits offen zu stehen. Japan sollte ein Stützpunkt auf der Route von Kalifornien nach China werden. Doch die wenigen amerikanischen Dampfschiffe kreuzten vor der Atlantikküste und den Panamakanal, durch den sie hätten in den Pazifik fahren können, gab es noch nicht.
Perry muss von der Atlantik-Küste starten
Die Dampfschiff-Expedition musste also von der Ostküste starten, zunächst den Atlantik überqueren, dann Afrika umfahren (den Suez-Kanal gab es auch noch nicht), durch den Indischen Ozean kreuzen und dann an der Ostküste Asiens nach Norden bis Japan ziehen. Dazu erschien Webster der Commodore Matthew Calbraith Perry, ein alter Seebär mit schon 56 Jahren, am besten geeignet. Präsident Fillmore berief ihn als Kommandant der Expdition. Perrys Flotte bestand aus vier kanonenbestückten Dampfern.
Perry fuhr zunächst über den Atlantik. Die Niederländer berichteten derweil in Japan genau von den Schiffbewegungen von Europa mit Ziel Japan. Die Regierung in Edo (heute Tokyo) wusste daher schon, wer und was auf sie zukam. An der kleinen Bucht von Kurihama an der Ostküste der Hauptinsel Honshu, in gebührender Entfernung vom Strand, wähnte sich Perry am Ziel. Man schrieb im Westen den 8. Juli 1853. Jetzt hatte Perry Präsident Fillmores Brief zu überreichen, der als Prachtausfertigung in einer aufwendigen Schatulle mitreiste. Ausserdem musste er für Kohle sorgen und Japan für den Welthandel „öffnen“. So stand es in der Instruktion, die ihm Webster mit auf den Weg gegeben hatte.
Die "Schwarzen Schiffe"
Der Ort war gut gewählt. Die Wahl zeigte seemännisches Können. Die Fischer am Strand hingegen trauten ihren Augen kaum, als sie die vier schwarzen rauchenden Ungetüme Perrys in der sonst friedlichen Bucht sichteten. Der Ort Uraga erstreckt sich über einige Hügel an der Spitze einer kleinen Halbinsel, die sich nach Osten in den Pazifik schiebt und die Einfahrt in die Bucht von Edo markiert. Wer um Asien herum den Seeweg nach Edo wählt, muss diesen Punkt passieren.
Der Bericht der Fischer von Kurihama von den „Schwarzen Schiffen“, wie Perrys Ungetüme in Japan seither genannt werden, lief über den Ortsvorsteher von Uraga an die Regierung in Edo. Dort versuchte man zunächst, die Angelegenheit niedrig zu hängen. Man hoffte, Perry werde die Zeit ausgehen, so dass er würde aufgeben müssen, benannte den Ortsvorsteher von Uraga als Beauftragten der Regierung für die Verhandlungen mit Perry. Ziel der Regierung in Edo war es zunächst, Perry klar zu machen, dass er nach Nagasaki würde weiterreisen oder unverrichteter Dinge zurückkehren müssen. Perry hingegen wollte die Inhalte der Instruktion Websters in die Wirklichkeit vertraglicher Beziehungen zwischen Japan und den USA umsetzen.
Japan auf China zentriert
Die Positionen der beiden Seiten waren nicht nur unvereinbar, sondern stiessen auch wechselseitig auf Unverständnis. Die Regierung in Edo operierte in Kategorien des Systems der internationalen Beziehungen, das seit alters her auf China konzentriert gewesen war. Dieses System war hierarchisch. In ihm hatte die chinesische Regierung den obersten Rang inne, war also niemandem gleich. Deswegen gab es in den 1850er Jahren in China keine einem Aussenministerium vergleichbare Behörde. Die Gestaltung der Beziehungen der chinesischen Regierung mit anderen Herrschern und Regierungen oblag hingegen dem Amt für die Zeremonien. Wer immer mit der chinesischen Regierung in Beziehungen zu treten wünschte, erhielt einen Rang mit den dazu gehörigen Zeremonien zugewiesen. Hauptelement der Wahl der Zeremonien war die Bestimmung des Ämterrangs der Verhandlungsführer auf chinesischer Seite.
Gegenüber Perry verfuhr die japanische Regierung zunächst analog, indem sie mit dem Ortsvorsteher von Uraga einen rangniederen Amtsträger Perry gegenüber stellte. Man wollte ihm zeigen, wie wenig man von ihm hielt. Perry hingegen merkte schnell, dass die Regierung in Edo ihn mit einem rangniederen Beamten abspeiste, und pochte auf den Grundsatz der rechtlichen Gleichheit und forderte, dass er mit einem ihm gleichrangigen Vertreter der japanischen Regierung die Verhandlungen führe.
Perry schneidiges Auftreten
Er habe den Brief seines Präsidenten an den „Kaiser von Japan“ bei sich. Dieser sei in Edo; nur dort werde er diesen Brief überreichen. Wenn die Regierung in Edo fortfahre in dem Versuch, dies zu verhindern, werde er seine Waffen einsetzen müssen. Perrys schneidiges Auftreten begann zu wirken. Zwar wusste er von dem friedlichen Charakter seiner Mission, aber der schloss seiner Meinung nach die blosse Androhung des Einsatzes von Waffengewalt nicht aus.
Die Regierung entschied, zunächst in einem Punkt nachzugeben. Sie gestand Perry zu, die Verhandlungen am Ort zu führen, und berief Akira Hayashi, eine Art Universitätspräsident, als Verhandlungsführer. Hayashi besaß das erforderliche Mass an Gelassenheit und Selbstbewusstsein, um Perry gewachsen zu sein. Ein gelehrter Zivilist und ein erfahrener Soldat, beide ungefähr gleich alt, wussten, dass sie ihre Kräfte auf historischem Parkett messen würden. Hayashi begab sich nach Uraga und auf Perrys Schiff.
Kohle nur in ausgewählten Häfen
Es sieht so aus, als habe Hayashi zunächst Perry reden lassen. Perry händigte den Brief des Präsidenten aus und gab sich große Mühe, sein Ansinnen zu begründen. Sehr bald würden viele amerikanische Dampfschiffe den Pazifik befahren. Japan liege an der Route nach China und sei als Station für den Kohlennachschub unabdingbar. Die US-Regierung verlange daher die „Öffnung“ japanischer Häfen für Schiffe, die Kohle an Bord nehmen müssten. Zudem sei es ein Unding, dass Japan für den Welthandel geschlossen sei. Schließlich sei es bei Beachtung der Menschenrechte nicht hinnehmbar, dass die japanische Regierung sich nicht nur weigere, schiffbrüchig gewordene Landsleute heimkehren zu lassen, sondern diese im Fall der Rückkehr auch noch mit der Todesstrafe bedrohe.
Hayashi hielt sich mit den Kohlegeschäften nicht lange auf. Wohl wissend, dass in Japan nur wenig Kohle vorhanden war, gestand er zu, dafür eintreten zu wollen, dass amerikanische Schiffe in ausgewählten Häfen, insbesondere Nagasaki, Kohle würden laden können, soweit sie verfügbar sei. Eine allgemeine „Öffnung“ aller japanischen Häfen auch nur für amerikanische Schiffe käme nicht in Betracht. Die Regierung sei an Gesetze gebunden, die sie nicht auf Druck von außen ändern werde.
Japan braucht keine Importe
Dann wandte Hayashi sich dem Freihandel zu und hielt Perry einen offenbar ausführlichen Vortrag über Wirtschaftsfragen. Warum solle Japan dafür sorgen, dass amerikanische Geschäftsleute reicher werden könnten, frug er rhetorisch. In Japan sei alles vorhanden, was zum Leben erforderlich sei. Daher sei keine Notwendigkeit gegeben, wesentliche Güter von irgendwoher zu importieren. Dort gebe es ein ausgefeiltes System von Gewerbe und Handel, das seinen eigenen Regeln folge. Diesen hätten sich Amerikaner zu unterwerfen, wenn sie mit Japan in Beziehung treten wollten. Schließlich gab Hayashi Perry zu verstehen, dass in Japan jedes Menschenleben geachtet werde und mindestens genau so viel zähle wie in den USA.
Perry hatte den Argumenten Hayashis nur wenig entgegenzusetzen, so verlegte er sich aufs Fingerhakeln über Kleinigkeiten. Keinesfalls werde er Nagasaki zum Laden von Kohle anlaufen. Der Punkt war in der Tat von zentraler Wichtigkeit. Denn Nagasaki liegt an der Westküste des Archipels, dem asiatischen Kontinent zugewandt. Dampfschiffe, die über den Pazifik kämen, würden nach Nagasaki zunächst den Archipel durchfahren müssen, ehe sie die gewünschte Kohle würden laden können. Das würde mehr Tonnage für Kohle bedeuten und weniger für Fracht – ein schlechtes Geschäft.
Vorüergehender Rückzug
Also bestand Perry darauf, dass Häfen an der Ostküste des Archipels „geöffnet“ würden. Hayashi gab auch in diesem Punkt nach: US-Schiffe könnten in den Häfen von Shimoda auf der Halbinsel Izu und von Hakodate auf der Insel Hokkaido anlanden. In beiden Häfen könnten die Besatzungen amerikanischer Schiffe Kohle an Bord nehmen, soweit sie vorhanden sei, und sich außerdem mit Proviant versorgen. Beide Häfen waren für die Regierung in Edo so gelegen, dass dort anlandende fremde Schiffe leicht zu kontrollieren waren, und trugen Perrys Forderung Rechnung.
Perry blieben die Einzelheiten unbekannt. So gab er sich mit dem Resultat zufrieden. Die Durchsetzung der allgemeinen Handelsfreiheit und der Menschenrechte verschwanden von der Tagesordnung. Den Entwurf eines Vertrags übergab er Hayashi mit der Ankündigung, er werde sich zunächst etwas in der Gegend umtun und wiederkommen.
Der Vertrag von 1854
Im Frühjahr 1854 kehrte in die Bucht von Edo zurück. Vor dem Fischerdorf Kanagawa liess er ankern. Die Verhandlungen über den Vertrag begannen. Die Regierung in Edo hatte einen japanischen Text erstellt und war bereit, den Vertrag mit Perry gemeinsam zu unterschreiben. Dass aus dem Bestehen des Vertrags künftig Probleme in Japan selbst entstehen würden, wusste man in Edo. Doch zunächst hatte das pragmatische Ziel Vorrang, Perry mit friedlichen Mitteln auf den Weg zurück nach Amerika zu schicken.
Der Vertrag wurde am 31. März 1854 in Kanagawa, heute ein Stadtteil von Yokohama, unterzeichnet. Perry nahm das Dokument mit, fuhr zunächst nach Hakodate, um den dortigen Hafen in Augenschein zu nehmen, und kehrte dann in die USA zurück. Die „Öffnung“ Japans außer dem Zugeständnis des Zugangs zu den beiden Häfen Shimoda und Hakodate unterblieb.
Serie von skuzessioiven Öffnungen
Antworten auf die Fragen, wann und wie Japan dann doch geöffnet wurde, hängen davon ab, wen man fragt. Lord Elgin, Leiter der britischen Ostasienexpedition der Jahre 1857-1859, war optimistisch: es sei ihm gelungen, die Tür einen Spalt breit zu öffnen, und Japan werde sich weiter öffnen lassen, ohnen dass die britische Regierung Gewalt anwenden müsse. Dennoch soll die Regierung auch militärische Mittel bereithalten. Max von Brandt, preussisch-deutscher Diplomat, der die meiste Zeit seines Berufslebens in Ostasien verbrachte, meinte im Jahr 1895 nach dem für die japanische Seite erfolgreichen Krieg mit China geführt hatte, japanische Produkte würden nun die Märkte in Ostasien beherrschen, aber Europa könnten sie nicht erreichen. Dazu sei Japan nicht weit genug für europäisches Wirtschaften geöffnet worden.
Lily Abegg, Schweizer Journalistin, die während des Zweiten Weltkriegs aus Japan berichtete, staunte, die Sessel in den Lobbys von Hotels, die als westlich ausgegeben wurden, seien viel zu klein und zu eng für europäische Standards. Die Öffnung des Lands hatte die Kultur noch nicht erreicht. Otto Brenner, schließlich, Boss der deutschen Industriegewerkschaft Metall und Chef des Internationalen Metallarbeiterverbands, versuchte in den frühen 1960er Jahren einer Kampagne der westdeutschen Regierung zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit entgegenzuarbeiten, indem er japanische Arbeiter dazu aufforderte, ihre Arbeitsregelungen europäischen Standards anzupassen - das heisst, sie sollten sich weigern, mehr als die Europäer zu arbeiten. Auf diese Weise sollte die japanische Konkurrenz auf dem deutschen Markt ausgeschaltet werden. Noch damals hatte Japan sich dem internationalen Trend zur Arbeitszeitverkürzung nicht geöffnet.
Ken’ichi Goto schließlich, Historiker an der Waseda-Universität in Tokyo, glaubte im Jahr 1999, seit 1854 hätte sich eine ganze Serie von sukzessiven Landesöffnungen aufeinander aufgebaut, deren letzte damals gerade andauere.
Der Autor ist seit 1989 Professor für Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Tsukuba und Gastdozent an der International University of Japan