Aufgebaut wurde dieser Zertifikatslehrgang (CAS) in Foreign Affairs & Applied Diplomacy mitsamt einer gleichnamigen Fachstelle an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die in Winterthur ansässige School of Management and Law der ZHAW erkannte die Lücke und will nun dem wachsenden Bedürfnis Rechnung tragen.
Initiiert wurde die neue Fachstelle vom jetzigen Studienleiter Max Schweizer. Der ehemalige Diplomat mit dem Titel eines Ministers war während über 30 Jahren unter anderem in Madrid, Riad, Pretoria, Helsinki, in den baltischen Staaten und in Ankara für das Eidgenössische Departement des Äussern (EDA) im Einsatz. In Genf, als Stellvertretender Missionschef der ständigen Vertretung der Schweiz bei der WTO und EFTA, befasste er sich von 2007 bis Sommer 2012 vor allem mit Freihandelsabkommen (EFTA) und der multilateralen Liberalisierung des Welthandels bei der Welthandelsorganisation.
Aussergewöhnlich an diesem viermonatigen Kurs (jeweils Freitag nachmittags und Samstagmorgen) ist der starke Praxisbezug. Die gut 100 Lektionen sind aufgeteilt in zwei Module: Zuerst wird unter dem Titel „Globale Herausforderungen und Antworten“ auf die Internationalen Beziehungen und Organisationen eingegangen. Modul II widmet sich danach den Schweizer Prioritäten in der Aussenpolitik sowie der angewandten Diplomatie. Die immer wichtiger werdenden kantonalen und regionalen Aussenbeziehungen werden dabei mitberücksichtigt.
Mit einem „Diplomatic Introductory Event“ gab Max Schweizer am Freitag in Winterthur den Startschuss für die neue Studienreihe. Journal21 sprach mit ihm.
Journal21: Wie viele Personen haben sich angemeldet?
Max Schweizer: Für den CAS Weiterbildungskurs „Foreign Affairs and Applied Diplomacy“, der in Englisch angeboten wird, haben sich 14 Personen eingeschrieben.
Was sind das für Leute?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die Altersspanne reicht von etwa zweiundzwanzig bis sechzig Jahren. Wir haben z. B. Vertreterinnen von Kantonen, eine Dame aus dem EDA/Deza, einen Absolventen „ Internationale Beziehungen“ einer Universität, eine Person die den EDA-Aufnahmewettbewerb gerade absolvierte und eine die das demnächst versuchen will etc. Der Weiterbildungskurs scheint bis in die USA auszustrahlen, eine Dame reist extra aus North Carolina an.
Wie viel müssen die Studierenden für den Studiengang bezahlen?
Der Kurs kostet CHF 6‘ 700.- , also ein stolzer Preis! Dieser muss allerdings so berechnet werden, dass die vom Steuerzahler finanzierten, staatlichen Institutionen die privatwirtschaftlichen Anbieter nicht einfach in die Ecke drängen.
Ihre Kurse wollen „internationale Kompetenz“ vermitteln. Kann man in hundert Lektionen internationale Kompetenz erwerben?
Interessenten, die den oben erwähnten Preis bezahlen, wollen ihre bereits vorhandene Kompetenz ausbauen und vertiefen. Sie interessieren sich für den Bereich Foreign Affairs and Applied Diplomacy, und haben längst damit begonnen, sich diesbezüglich auch selbst weiter zu bilden durch die tägliche Lektüre. Die Grundeinstellung stimmt; wir versuchen ihnen basierend darauf eine möglichst gute Weiterbildung zu offerieren, mit bewährten Praktikern.
Solche Studiengänge verursachen ja Kosten, Sie müssen die Referenten bezahlen, etc. Wie viele Studenten pro Studiengang brauchen Sie, um längerfristig selbsttragend zu sein?
Das Weiterbildungsangebot ist mit 14 Teilnehmern praktisch selbsttragend; für nächstes Jahr führen wir eine Interessentenliste. Im Vergleich zu anderen CAS ist unserer in sehr kurzer Zeit zu Stande gekommen, und wird als erster CAS-Kurs der School of Management and Law in Englisch angeboten.
Erhalten Sie Subventionen oder finanzielle Unterstützung zum Beispiel von einer Wirtschaftskammer?
Nein, wir haben ganz bewusst keinen unserer Partner, die uns mit Rat und ihrem Logo unterstützen, darauf angesprochen; das Angebot muss sich so selber im berühmten „Markt“ bewähren.
Wie hat die Wirtschaft auf Ihr Projekt reagiert?
Die Wirtschaftsverbände, die Kantone und die Medien haben positiv auf das Vorhaben reagiert: sie sehen offenbar aus ihrer Praxis, dass im zur Diskussion stehenden Bereich ein gewisser Nachhol- und Vertiefungsbedarf vorhanden ist.
Brauch es wirklich das, was Sie einen „diplomatischen Hub für die Nord- und Nordostschweiz“ nennen?
Die Kurseröffnung beginnt mit einem öffentlichen Anlass der den kantonalen Aussenbeziehungen gewidmet ist (vgl. Programm). Die Vertreter der Kantone Aargau, Schaffhausen, Thurgau und Zürich, alles ausgezeichnete Kenner der Materie, werden diese Frage diskutieren und beurteilen! Wir bieten das Forum dazu und mit a. Botschafter Christian Blickenstorfer, Präsident von SwissDiplomats – ZurichNetwork, die Gesprächsleitung. Er war bis vor kurzem nicht nur Botschafter in Berlin, sondern kennt auch die „Bundesperspektive“ bestens.
Die diplomatischen Zentren in der Schweiz sind Genf und Bern. Braucht es da wirklich noch ein Zentrum in Winterthur? Verzettelt und konkurrenziert man sich da nicht?
Ich glaube hier liegen verschiedene Missverständnisse vor! „Winterthur“ wird nie ein „diplomatisches Zentrum“ sein oder sein wollen, es geht um Vermittlung von Wissen und Erfahrungen. - Von Genf bis St. Gallen gibt es keinen Anbieter, der das so praxisnah wie wir versuchen, die Wirtschaftsverbände und die für Aussenbeziehungen bei den Kantonen zuständigen Stellen haben das sofort bemerkt. – Sollte die Diskussion der Kantonsvertreter aber erbringen, dass es einen zusätzlichen Kristallisationskern braucht, also eine Stelle, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch praktische Leistungen erbringt, dann muss das geprüft werden.
Am Eröffnungstag stehen die Beziehungen der Nord- und Westschweiz zu Baden-Württemberg zur Diskussion. Auf der Liste der Referenten stehen aber – mit einer Ausnahme – alles Schweizer. Man ist also fast unter sich. Können so Probleme ernsthaft diskutiert werden?
Das Ziel der Diskussionsrunde ist nicht in erster Linie, die bilateralen Schwierigkeiten zu besprechen, sondern der Frage nachzugehen, ob in Teilbereichen die jetzigen Strukturen stimmen, und dies auf der Seite der vier genannten Kantone. Das ist quasi eine helvetisch-interne Diskussion, zu der aber auch z. B. Medienvertreter als Beobachter aus Stuttgart willkommen sind.
Sie nennen immer wieder den Ausdruck „kantonale Aussenpolitik“. Wir glaubten immer, Aussenpolitik sei Sache des Bundes.
Ja, das ist ein Irrtum! Grenzkantone und Grenzgemeinden haben immer auch einen Teil der Aussenbeziehungen zu pflegen, in Ergänzung zur Aussenpolitik des Bundes. Die Fülle an konkreten Schwierigkeiten, die auf dieser Ebene gelöst wird, ist beeindruckend und erheischt Respekt.
Sie loben die regionalen und kantonalen Aussenbeziehungen. Kommen die Kantone, wenn sie Aussenpolitik machen, nicht in die Quere mit dem Bund?
Wir haben einen föderalen Staatsaufbau, da hat der Bund weder die umfassende Kompetenz noch das Wissen, um alle Meso- und Mikro-Probleme an der Grenze selbst zu lösen. Wie zwei Grenzgemeinden z. B. die Abwasserproblematik sinnvoll lösen oder im Bereich des Brandschutzes kooperieren, hat nichts mit Bundespolitik zu tun. Von der Gemeinde können sie auf die regionale Stufe gehen und finden unzählige Beispiele sinnvoller Kooperation, die sie etwa mit „kleiner Aussenpolitik“ umschreiben können. – Natürlich gibt es dann Bereiche in welchem die Interessen eines Kantons mit denen des Bundes nicht identisch sind: in diesen Feldern laufen Prozesse ab, die Jahre in Anspruch nehmen, bis, eventuell, ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen hergestellt ist.
Wünschten Sie sich, dass auch kantonale Politiker an Ihren Kursen teilnehmen?
Mit drei Vertreterinnen aus kantonalen Verwaltungen sind wir schon gut bedient, wir freuen uns aber auch auf politisch Engagierte, sofern ihr Zeitbudget das noch zulässt.
Wie zum Beispiel geht man in Ihrem Studiengang den Fluglärmstreit mit Deutschland an?
Diese Thematik muss historisch angegangen werden, dabei kann man die Versäumnisse und Interessensgegensätze gut aufzeigen genauso wie die Rolle der verschiedenen Akteure.
Es gibt ja viele Studiengänge für angehende Diplomaten. Was machen Sie besser als diese?
Wie schon erwähnt gibt es in der Schweiz keinen Kurs, der so viel Praxisbezug wie der unsere aufweist, und zudem in so kompakter Weise angeboten wird. Nach der Absolvierung können die Teilnehmer zudem Mitglied eines Netzwerkes werden (SwissDiplomats – ZurichNetwork), das ihnen Zugang zu vielen Informationen und Einsichten verhilft.
Nehmen wir ein Beispiel. Wie gehen Sie das Thema „Bankgeheimnis“ an?
Das ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie (für viele) überraschend „nationale Lösungen“ unter koordinierten, internationalen Druck geraten können – und aufgegeben werden müssen! Eine thematisch-chronologische Einführung durch einen Zeitzeugens aus der OECD ist geplant sowie eine kritische Darstellung des entsprechenden Verbandes. Die eigentliche Lektion hier ist die Ablaufmechanik und die Ablaufgeschwindigkeit zu verstehen – sowie der hier gegebene, unausweichliche Zwang zur Anpassung. Nicht erst in der sogenannt „globalisierten Staatenwelt“ gibt es solche Anpassungsdiktate, es gab sie auch früher immer wieder wie uns jedes Geschichtsbuch lehrt. Wer sich mit Aussenbeziehungen befasst bekommt dafür ein feineres Sensorium.
www.fad.zhaw.ch
www.sml.zhaw.ch