So unerfahren, wie ihre Gegner sie hinstellen, ist sie nicht. Immerhin stand sie schon mit 19 als First Lady an der Seite ihres Vaters Alberto Fujmori, nachdem sich dieser von seiner Frau getrennt hatte. Jetzt, 17 Jahre später, will Keiko Fujimori selber Präsidentin werden. Die erste grosse Hürde auf dem Weg ins höchste Staatsamt hat sie bereits am 10. April geschafft, als sie in der ersten Wahlrunde mit 24 Prozent der Stimmen das zweitbeste Ergebnis erzielte und sich damit die Teilnahme an der Stichwahl vom kommenden Sonntag sicherte. Besser als sie schnitt nur der 47-jährige Ex-Oberst Ollanta Humala ab, der es auf 32 Prozent brachte.
Der opportunistische Drang zur Mitte
Wird der Nationalpopulist auch nach dem alles entscheidenden zweiten Umgang die Nase vorne haben? Laut den letzten Meinungsumfragen ist der Wahlausgang völlig offen. Auch deshalb, weil sich viele Wähler erst in letzter Minute entscheiden. Sowohl Fujimori als auch Humala buhlten in den vergangenen Wochen krampfhaft um die Gunst der politischen Mitte. Die drei Kandidaten der gemässigten Rechten, die sich im ersten Wahlgang gegenseitig Stimmen abgenommen und damit den Weg für die beiden radikalen Bewerber geebnet hatten, wollten sich offiziell nicht auf eine Wahlempfehlung festlegen. Der ehemalige Wirtschaftsminister Pedro Pablo Kuczynski verhehlt aber nicht, dass er lieber Fujimori als Präsidentin sähe, während Ex-Staatschef Alejandro Toledo (2001 – 2006) nach eigenem Bekunden Humala vorzieht.
Eindeutig für Fujimori Partei ergriffen hat der scheidende Präsident Alan García, wohl in erster Linie darum, weil er bei ihr damit rechnen kann, dass sie seinen stramm neoliberalen Wirtschaftskurs fortsetzen wird und nicht wie Humala auf eine gerechtere Einkommensverteilung setzen und den Einfluss des Staates in der Wirtschaft verstärken will. Auch der konservative Kardinal José Luis Cipriani sowie ein beträchtlicher Teil der in der Mehrzahl rechtsbürgerlichen Medien unterstützen die politische Quereinsteigerin, die extra für die jüngsten Wahlen die Partei „Fuerza 2011“ gegründet hatte und die hauptsächlich in der Hauptstadt Lima auf eine starke Anhängerschaft zählen kann. Humala hingegen verfügt vor allem in den ländlichen Gebieten über eine solide Wählerbasis.
Freudlose Empfehlung des Nobelpreisträgers
Eine absolute Katastrophe wäre ein Sieg von Keiko Fujimori in den Augen von Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa. Der Schriftsteller hatte 1990 selbst für das Präsidentenamt kandidiert, war aber völlig überraschend seinem praktisch aus dem Nichts aufgetauchten Herausforderer Alberto Fujimori unterlegen. „El Chino“, wie seine Landsleute ihn nannten, obwohl er japanischer und nicht chinesischer Abstammung ist, regierte Peru zehn Jahre lang mit Härte im Kampf gegen die Inflation und die linksextreme Guerillagruppe „Leuchtender Pfad“. In seiner zweiten Amtszeit mehrten sich die Vorwürfe wegen Korruption, systematischer Erpressungen und massiver Menschenrechtsverletzungen. Im April 2009 wurde er in Lima zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die Richter machten ihn für zwei Massaker verantwortlich, bei denen ein Killerkommando der Regierung 25 Zivilisten getötet hatte.
Sollte jetzt Fujimoris Tochter Keiko Präsidentin werden, warnt Vargas Llosa, würde damit die „schlimmste Diktatur in der peruanischen Geschichte legitimiert“. Vor dem ersten Wahlgang hatte der liberalkonservative Schriftsteller die Alternative Keiko Fujimori oder Humala noch als eine „Wahl zwischen Krebs und Aids“ bezeichnet. Wie viele seiner Landsleute traute er auch Humala nicht über den Weg, weil dieser zu Beginn seiner politischen Karriere einer Bewegung angehörte, die ultranationalistisches Gedankengut mit dem ideologischen Erbe der orthodoxen Linke vermischte. Lange Zeit verhehlte der Ex-Militär auch seine Sympathien für Hugo Chávez und dessen Projekt eines Sozialismus des 21. Jahrhunderts nicht. In den vergangenen Monaten und Wochen distanzierte er sich aber bei jeder Gelegenheit deutlich vom venezolanischen Staatschef. Sein Modell orientiere sich an der Politik des populären brasilianischen Ex-Präsidenten Lula und nicht an den revolutionären Vorstellungen von Chávez, beteuerte er. Damit wurde er für Vargas Llosa zumindest zum kleineren Übel. Schweren Herzens, gestand der Nobelpreisträger der spanischen Tageszeitung „El Pais“, werde er seine Stimme dem Linksnationalisten geben. Nur so könne verhindert werden, dass Alberto Fujimori und seine Gefolgsleute abermals an die Macht kämen
Die widerrufene Gnade der Tochter
Die Befürchtung, dass nach einem Wahlsieg von Keiko Fujimori ihr Vater als graue Eminenz im Hintergrund die Fäden ziehen würde, ist nicht unbegründet. Ihr dürftiges Wahlprogramm trägt klar die Handschrift von Alberto Fujimori. Wie er setzt sie auf eine Politik der harten Hand und plädiert u.a. für die Wiedereinführung der Todesstrafe für sehr schwere Verbrechen. Vor dem ersten Wahlgang hatte sie ihren Vater, zu dem sie stets eine enge Beziehung pflegte, noch als besten aller peruanischen Präsidenten gepriesen. Sie liess auch keine Zweifel aufkommen, dass eine ihr erster Handlungen als Staatschefin darin bestehen würde, Alberto Fujimori zu begnadigen. Inzwischen hat sie, um Stimmen in der politischen Mitte zu gewinnen, diese Ankündigung halbherzig widerrufen und versprochen, das Präsidentenamt nicht zugunsten ihres Vaters zu nutzen. Diesen Sinneswandel halten freilich nicht bloss ihre politischen Gegner für wenig glaubwürdig. Aber selbst wenn Keiko Fujimori tatsächlich Wort halten würde, bestünde keine Gewähr, dass ihr Vater in den nächsten fünf Jahren Perus Geschicke nicht zumindest mit lenken würde. Alberto Fujimori ist auch noch hinter Gittern ein mächtiger Mann. Wer wüsste das besser als seine Tochter Keiko, die getreue Sachwalterin seines politischen Erbes.