Er sitzt im Gefängnis und mischt dennoch kräftig mit. Weil er selber nicht antreten durfte, hat Alberto Fujimori, der zwischen 1990 und 2000 diktatorisch herrschte und im April 2009 wegen massiver Menschenrechtsverletzungen und Korruption zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde, seine Tochter Keiko ins Rennen geschickt.
Fujimori - wieder ein zugkräftiger Name
Die 35-jährige politische Quereinsteigerin hat im Wahlkampf klar zu erkennen gegeben, dass sie als Staatsoberhaupt wie ihr Vater auf eine Politik der harten Hand setzen und Ruhe und Ordnung zum obersten Prinzip erheben würde. Sie verhehlte auch nicht, dass sie alles daran setzen wolle, um ihren Vater so rasch als möglich aus dem Gefängnis zu holen.
Fujimori kann ungeachtet seiner Misswirtschaft und der Verbrechen während seiner zehnjährigen Amtszeit nach wie vor auf eine verhältnismässig grosse Anhängerschaft zählen. Es überrascht deshalb nicht, dass Keiko Fujimori, die für die bevorstehende Wahl extra die Partei „Fuerza 2011“ gründete, trotz einer dürftigen politischen Agenda in praktisch allen Umfragen auf gegen 20 Prozent kam.
Sie liegt damit mehr oder weniger auf gleicher Höhe wie Ex-Präsident Alejandro Toledo (2001-2006) und der ehemalige Funktionär des Internationalen Währungsfonds und Wirtschaftsministers unter Toledo, Pedro Pablo Kuczynski. Terrain eingebüsst hat in den letzten Wochen der frühere Bürgermeister der Hauptstadt Lima, Luis Castañeda.
Sowohl Kuczynski als auch Castañeda verfolgen wie der scheidende Staatschef Alan Garciá, dem die Verfassung eine direkte Wiederkandidatur verbietet, in der Wirtschaftspolitik einen stramm neoliberalen Kurs. Aber auch vom rechtsliberalen Toledo, der vor zehn Jahren als erster Indiostämmiger ins höchste Staatsamt gewählt worden war und die in ihn gesetzten Hoffnungen bei weitem nicht erfüllte, wären keine grossen Korrekturen zu erwarten.
Humala distanziert sich von Chávez
Der Nationalist Ollanta Humala hingegen stellt als einziger seinen Landsleuten eine Abkehr vom einseitig auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftsmodell in Aussicht. Er möchte die nationale Souveränität stärken, den Einfluss ausländischer Investoren reduzieren, die „strategischen Bereiche“ des Landes schützen und die einheimische Produktion weit intensiver als bisher fördern. Wie er das genau bewerkstelligen will, hat er bisher allerdings nicht gesagt. Letztlich ist sein Programm genau so unverbindlich wie die der anderen Anwärter.
Seine Umfragewerte beeinträchtigt das nicht. Der 48-jährige Ex-Militär führt deutlich und dürfte, falls die Prognostiker einigermassen richtig liegen, die erste Runde für sich entscheiden können. Ein solcher Erfolg ist ihm schon vor fünf Jahren gelungen, in der Stichwahl unterlag er dann aber klar gegen den rechten Sozialdemokraten García.
Humala scheiterte damals nicht zuletzt deshalb, weil ihn Venezuelas umstrittener Staatschef Hugo Chávez offen unterstützte, zum Missfallen vieler Peruaner. Diesmal betont der Kandidat der Nationalistischen Partei bei jeder Gelegenheit, dass sich seine Politik keineswegs am venezolanischen Projekt eines Sozialismus des 21. Jahrhunderts orientiere. Ferner ersuchte er Chávez höflich, aber bestimmt, sich nicht abermals in den Wahlkampf einzumischen. Das hindert Humalas politische Gegner nicht daran, ihn immer wieder in die Nähe des selbst ernannten Revolutionsführers zu rücken und das Schreckgespenst eines „kommunistischen Umsturzes“ an die Wand zu malen.
Wer Humala in die Stichwahl begleiten wird, lässt sich aufgrund der Umfrageergebnisse schwer abschätzen. Einheimische Beobachter räumen vor allem Toledo gute Chancen ein. Der Ex-Präsident wäre dann wohl auch der Favorit in der entscheidenden zweiten Runde, da die Mehrheit der Wähler in ihm wahrscheinlich das kleinere Übel sähe.
Und falls Keiko Fujimori Zweite wird? Dann stünden sich zwei radikale Anwärter gegenüber. Und das, warnte dieser Tage der Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa, der 1990 selber peruanischer Präsident werden wollte, aber gegen Alberto Fujimori unterlag, „wäre eine Wahl zwischen Krebs und Aids“.
Nicht alle profitieren vom Boom
Wer immer schliesslich gewinnt: Auf das neue Staatsoberhaupt warten grosse Herausforderungen. Die peruanische Wirtschaft verzeichnete unter der Regierung García dank der hohen Exporterlöse für Rohstoffe wie Kupfer, Zink, Blei, Silber und Gold Wachstumsraten von durchschnittlich sieben Prozent jährlich. Die privaten Investitionen – kräftig gefördert durch Steuererleichterungen und andere Anreize - erreichten einen Viertel des Bruttoinlandprodukts. Die peruanische Wirtschaft gehört heute zu den solidesten in Lateinamerika.
Doch bei weitem nicht alle der rund 30 Millionen Peruaner profitierten vom Aufschwung. Zwar sank die Armutsrate laut offiziellen Angaben von über 50 auf 34 Prozent. Beinahe drei Viertel der werktätigen Bevölkerung ist jedoch im informellen Sektor beschäftigt und verfügt damit über keinerlei sozialen Schutz. Die Einkommensunterschiede sind nach wie vor riesig, der Bildungsbereich weist enorme Lücken auf, und auch im Gesundheitswesen herrscht grosser Reformbedarf.
Immer wieder blutige Proteste
Weil die Wirtschaft am Grossteil des Volkes vorbei wuchs, kam es zu zahlreichen Streiks und anderen Protestaktionen gegen die Regierung. Auch die Rücksichtslosigkeit, mit der Präsident García die Ausbeutung der Bodenschätze im Amazonas-Regenwald vorantrieb und Lebensraum der Indianer zerstörte, führte zu Spannungen, die mehrmals in Zusammenstösse zwischen Demonstranten und Ordnungskräften mündeten und Dutzende von Menschenleben kosteten.
Die Popularität des Staatschefs, dessen Regierungszeit von diversen Korruptionsskandalen geprägt war, sank schon bald rapid. García focht das wenig an. Er räumte zwar nach besonders heftigen Protesten jeweils ein, dass bei einem beträchtlichen Teil des peruanischen Volkes Unzufriedenheit herrsche, hielt aber bis heute unbeirrt an seinem ultraliberalen Kurs fest. Und wenn nicht alles täuscht, wird auch das künftige Staatsoberhaupt höchstens gerinfügig von diesem Weg abweichen.