Am 14. Dezember wurde wahr, woran lange Zeit nur Utopisten glaubten. Nach zwölfjähriger Planungs- und zweijähriger Bauphase wurde in Bern das Haus der Religionen eröffnet, das fortan Juden, Christen, Muslimen, Aleviten, Hindus, Buddhisten, Baha’is und Sikhs Raum zum Feiern und Arbeiten bietet.
Wenn unterschiedliche Religionen aufeinander treffen, begegnen sich immer auch Kulturen. Entsprechend vielfältig gestalteten sich an diesem grauen Dezembersonntag die Eröffnungsfeierlichkeiten im Haus der Religionen am Berner Europaplatz. Musik gesellte sich zum Wort. Farben wetteiferten mit Farben. Und wo eben noch Reden gehalten wurden, durchzogen alsbald die Gerüche der tamilischen Küche den Raum. Menschen verschiedenster Herkunft stauten sich an den Eingängen zu den einzelnen Kultbereichen. Noch warteten die letzten Hindu-Götter auf ihren Farbanstrich und die Teppiche in der Moschee auf die ersten Beter, da wurde das Haus der Religionen schon von so vielen Besuchern – Neugierigen, Interessierten, Gläubigen – gestürmt, dass bereits kurz nach Mittag kein Einlass mehr war.
Ein Glücksfall sei das Haus der Religionen, aber kein Zufall, sagte SRG- Direktor Roger de Weck in seiner Festansprache und wies auf die Bedeutung hin, die der Institution am Europaplatz weit über die Landesgrenzen hinaus zukomme. Ein Haus, in dem acht Religionen unter einem Dach feiern, arbeiten, lehren und lernen, ist bislang einmalig für die Schweiz und einmalig für die Welt. Darauf wiesen sowohl Geschäftsführer David Leutwyler wie auch Stiftungsratspräsident Guido Albisetti in ihren Grussworten mit Nachdruck hin. Denen, die über Jahre hinweg an die Idee geglaubt und unbeirrbar auf ihre Umsetzung hingearbeitet hatten – allen voran Hartmut Haas von der Herrnhuter Brüdergemeine – galt der Dank aller, die an diesem Vormittag das Wort ergriffen.
In einem eindrücklichen Reigen traten sie an, beteten, segneten und sangen, Schweizer Christen, türkische Aleviten, bosnische Muslime, Buddhisten und Hindus aus Sri Lanka , Sikhs aus Indien, Juden aus Bern: Oooom neben Baruch Adonai neben Salam Aleikum neben Segenssprüchen in einer Sprache, die sich auf Anhieb nicht zuordnen liess. „Selig das Haus und der Ort und der Platz…, wo Gottes gedacht und sein Lob gepriesen wird“, lautete eins der Gebete in deutscher Übersetzung. Zugestimmt hätten wohl alle und auch gedankt wie der Tamile Sasi, der im Haus der Religionen nicht nur als Priester und Seelsorger, sondern auch als Koch tätig ist.
Wie die Aleviten, die Muslime, die Äthiopier so können auch die tamilischen Hindus erstmals aus ihren Kellerräumen und Hinterhofgaragen in liebevoll gestaltete Kulträume umziehen. Ihr Tempel mit den vielen bunten Göttergestalten nimmt mit 800 Quadratmetern den grössten Raum ein. Aber auch der buddhistische Tempel, die Moschee, die Kirche mit der abessinischen Ikonostase sowie die Dergâh mit der Feuerschale können sich sehen lassen, wenn sie denn einmal fertig eingerichtet und bezogen sind. Juden, Sikhs, Baha’is und die beiden Landeskirchen hingegen sind zwar am Zentrum beteiligt, haben aber auf eigene Kulträume verzichtet, da sie bereits über entsprechende Räumlichkeiten in der Stadt verfügen.
Das Haus der Religionen in Bern, das seine Existenz einer Initiative der Stadt verdankt, ohne den Einsatz der Herrnhuter Brüdergemeine und zahlreicher anderer engagierter Kreise jedoch nie entstanden wäre, versteht sich explizit als Ort des Dialogs und der Auseinandersetzung zwischen den Kulturen: als einen Ort, so Roger de Weck in seiner Festansprache, an dem man den Konflikten nicht aus dem Weg geht, sondern versucht, sie zu bewältigen. Dabei werden wohl weniger religiöse als vielmehr kulturelle Differenzen im Vordergrund stehen. Die meisten der Gläubigen, die im Haus am Europaplatz ein und ausgehen werden, sind Migrantinnen und Migranten, die vielfach schon in der zweiten Generation in der Schweiz leben, ihren kulturellen und religiösen Hintergrund jedoch weiterhin pflegen. Und auch pflegen sollen, wie die Verantwortlichen des Vereins „Haus der Religionen – Dialog der Kulturen“ betonen. Denn das Ziel, das man sich hier von allem Anfang an gesetzt hat, besteht nicht in der Aufhebung, sondern im Aushalten von Differenzen, ohne dabei die eigene Identität zu verleugnen.
Eine äusserst anspruchsvolle und ambitionierte Aufgabe, die allen Beteiligten viel Goodwill und Überzeugungsarbeit abverlangen wird. Das Haus der Religionen, es steht, daran ist nicht zu rütteln. Ob es auch lebt und sich bewährt, muss sich in Zukunft erst noch zeigen.