Wenn das Amerika ist, mit einem Kabinett eingeschüchterter Arschkriecher, die vor dem Grossen Führer in die Knie gehen, einem Vizepräsidenten, der alle zwölf Sekunden Mussolinis Ersatzdarsteller ein Kompliment macht, und einem Weissen Haus, das an „alternative Fakten“ glaubt, dann ist es die Zeit, „wenn alle ausser dir den Kopf verlieren und der Meinung sind, du wärst schuld daran“.
Wenn das Amerika ist, wo der Grosse Führer Alliierte bedroht, die sich ihm nicht fügen, den anti-islamischen Rassismus britischer Faschisten neu twittert, den islamischen Bürgermeister Londons beleidigt, sich einen Terroranschlag in Schweden ausdenkt, einen Telefonanruf des mexikanischen Präsidenten erfindet, behauptet, die Geschichte mit Russland sei eine „totale Fabrikation“, dann musst du es aushalten, „wenn du die Worte, die du mal gesprochen, aus Narrenmäulern umgedreht vernimmst“.
Wenn das Amerika ist, weniger als ein Jahr nach Trumps Amtsantritt; ja, wenn das immer noch Amerika ist, wo die republikanische Abgeordnete Diane Black aus Tennessee dem Grossen Führer dafür dankt, „uns zu erlauben, Sie als unseren Präsidenten zu haben“, und der republikanische Senator Orrin Hatch aus Utah sagt, Trumps Präsidentschaft werde „vielleicht die grösste je“ sein, und der Grosse Führer eine Steuersenkung feiert, die seiner Familie Millionen spart, aber die CHIP-Versicherung für kranke Kinder auslaufen lässt, dann musst du „bemeistern Herz und Sinn, zu halten die eigene Spur, die jeder längst verliess“.
Wenn das weder Turkmenistan noch bereits das Land des Newspeak ist, am Ende aber unser Amerika, wo unser seltsam frisierter Grosser Führer mit seiner kindischen Gereiztheit alle abweichenden Medien anklagt, „FAKE NEWS“ zu verbreiten, die Justiz attackiert, einen Autokraten bewundert und sich angeblich zugunsten eines „Mittelklasse-Wunders“ Tag und Nacht für seine reichen Kumpel stark macht, dann musst du „dein Herz bezwingen und alle Sinne, nur das zu tun, was du von dir verlangst“.
Wenn das, jenseits allen Missbrauchs, noch immer Amerika ist, wo die Regierung des Grossen Führers den Centers for Disease Control and Prevention empfiehlt, Begriffe wie „Fötus“, „transgender“, „auf Wissenschaft basierend“ oder „Diversität“ (…) nicht mehr zu verwenden, und der Klimawandel keine strategische Bedrohung mehr (oder innerhalb der Regierung als Begriff nicht erlaubt9 ist, dann ist es Zeit, die Mahnung des Dichters zu beherzigen: „Die dich belügen, strafst du nicht mit Lüge“.
Wenn das Amerika ist, unser Amerika der Regierung für und durch das Volk, und du kannst nicht glauben, wie tief der Grosse Führer zu sinken gewillt ist, wieviel tiefer er sinkt, als es je möglich schien, und du manchmal den Drang verspürst, die alles umgebende Krassheit und Vulgarität von deiner Haut zu waschen, denn sie dringen in dich ein, egal, welchen Schutz du auch trägst, und du erschrickst, wie die G.O.P. (die republikanische Partei) zu einer Ansammlung von Höflingen verkommen ist, die sich gegenseitig in Lobpreisungen ihres plutokratischen Realityshow-Prinzen überbieten, dann ist es Zeit, der Worte des Dichters zu gedenken:
„Wenn du dich nicht verlierst in deinen Träumen
und du nicht ziellos wirst in deinem Geist,
wenn du Triumph und Niederlage hinnimmst,
beide Betrüger gleich willkommen heisst.“
Wenn das Amerika ist, wo der Grosse Führer dich glauben machen will, dass 2+2=5 sind, und dich in seinen Kaninchenbau herunterziehen will und sich kaum dazu durchringen kann, Neo-Nazis vorbehaltlos zu verurteilen, und du dich vielleicht an Worte Hannah Arendts erinnerst, wonach „das ideale Subjekt totalitärer Herrschaft nicht der überzeugte Nazi oder der engagierte Kommunist ist, sondern es die Leute sind, für welche der Unterschied zwischen Fakt und Fiktion (d. h. die Wirklichkeit der Erfahrung) und der Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge (d. h. die Normen des Denkens) nicht mehr existieren“ – wenn du all das gelebt, gefühlt und gedacht hast in unserem schönen und grossräumigen Land, dann musst du bereit sein „und geht auch dein ganzes Lebenswerk zugrunde, du beugst dem Neubeginn dich unbeirrt“.
Wenn das Amerika ist und du weisst, wohin Militarismus, Nationalismus und die Verachtung von Intellektuellen und Künstlern sowie die Pflege von Feinden und die Verachtung einer freien Presse führen können, und es dich schmerzt zu sehen, wie die Welt in den Vereinten Nationen gegen die Vereinigten Staaten stimmt mit der Ausnahme Mikronesiens, Naurus und Palaus (und einigen andern), dann wirst du sehen, dass das, Trumps amerikanische Travestie, in Wirklichkeit eine Lüge, ein Affront und ein Verrat ist.
Amerika kann nicht „Erster“ sein, wie Trump behauptet. Es kann ein Schurke und Rüpel lediglich sein, wenn es sich selbst verrät. Es muss sich selbst bleiben, die Verkörperung eines bestimmten Ideals von Freiheit, Demokratie und Offenheit, oder es ist nichts, lediglich ein ekelhaftes, fettes, gieriges Land, das den Zenit seiner Grösse überschritten hat.
In der ganzen Kolumne habe ich aus Kiplings Gedicht „If“ (Wenn) zitiert, eine Beschwörung an die Adresse seines Sohnes dessen, was es heisst, ein Mann zu sein. Das Gedicht beinhaltet auch folgende Zeilen:
„Setz du deinen Gewinn auf eine Karte
und bist nicht traurig, wenn du ihn verlierst,
und du beginnst noch einmal ganz von vorne
und sagst kein Wort, was du dabei riskierst.“
Jetzt, da das neue Jahr näher rückt, wird Stoizismus obsiegen, wird Anstand vorherrschen, wird Widerstand wachsen, gegen den Raub des Grossen Führers an Wahrheit und Denken. Das ist nicht Amerika. Wir müssen dafür kämpfen und es zurückerobern.
(Übersetzung: Ignaz Staub)