Am Wochenende gab der iranische Aussenminister Ali Akbar Salehi auf der Internationalen Sicherheitskonferenz in München bekannt, dass sich sein Land mit der Sechsergruppe (USA, Russland, Frankreich, Grossbritannien, China und Deutschland) auf den Ort und das Datum für die Wiederaufnahme der Atomverhandlungen geeinigt hat. Damit landete er auf dem früher „Wehrkundetagung“ genannten Forum einen Scoop, denn nicht einmal die Vorsitzende der Sechsergruppe, die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton, war zuvor von Teheran über die Annahme ihres jüngsten Vorschlags informiert worden.
Auch bilaterale Gespräche mit USA?
Salehi sagte auch, dass Iran für Direktverhandlungen mit Washington über die Beilegung des Atomstreits „offen“ sei. „Wir müssen aber erst abwarten, ob die USA diesmal ehrlich sind und ihre Drohrhetorik einstellen“, schränkte der Aussenminister sein Angebot ein.
Immerhin erblickte der ebenfalls in München anwesende US-Vizepräsident Joseph Biden darin „einen Schritt vorwärts“. „Wir nehmen diese Statements mit positiver Einstellung zur Kenntnis“, erklärte er. Auch die USA seien zu bilateralen Gesprächen mit Iran bereit, sobald die iranische Führung ernsthaft verhandle. Nur der Übung halber werde man nicht mit den Iranern reden.
Skepsis begründet
Einige Medien sehen in diesen Erklärungen bereits eine „vorsichtige“ oder „zaghafte“ Annäherung. Doch in der Geschichte der seit zehn Jahren geführten und bisher erfolglosen Verhandlungen hat es solche Annäherungen schon öfter gegeben. Die iranische Seite hat sogar Abkommen unterzeichnet und ihre Unterschrift kurz darauf widerrufen. Beispiele sind die zeitweilige Auslagerung von mittelhoch angereichertem Uran in Drittstaaten oder das Zusatzprotokoll über die Inspektion der Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien. „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ kommentieren westliche Diplomaten immer wieder.
In einem in München aufgezeichneten Interview der „Süddeutschen Zeitung“, das auch im „Tages-Anzeiger“ erschien, verbreitet Salehi Optimismus. Er meint, dass das Dossier jetzt auf dem richtigen Weg sei und beide Seiten Flexibilität zeigen müssten. Solche Unverbindlichkeiten gehören zum Repertoire der iranischen Diplomatie. Wenn es ums Konkrete geht, weicht Teheran aus. Daran scheiterten im abgelaufenen Jahr vier Treffen zwischen der Sechsergruppe und den Vertretern Irans, nachdem die Verhandlungen zuvor 15 Monate lang auf Eis lagen.
Salehi - ein Kenner der Materie
Salehi wiederholt in dem Interview die Behauptung, Iran habe alle Fragen der IAEO hinsichtlich der möglichen „militärischen Dimension“ seines Nuklearprogramms beantwortet. Die IAEO stellt in ihren Berichten jedoch das Gegenteil fest und hat noch immer keine Erlaubnis erhalten, die stillgelegte Militäranlage von Parchin nach Spuren von vermuteten Experimenten mit Zündern für Atombomben zu untersuchen.
Das Aneinandervorbeireden lässt sich nicht einfach aus den unterschiedlichen Kulturen ableiten. Salehi ist ein gebildeter Mann, dem das westliche Denken bestens vertraut ist. Der Nuklearphysiker hat seine Studien an der Amerikanischen Universität in Beirut begonnen und am Massachussetts Institute of Technology (MIT) in Boston promoviert. Von 1997 bis 2005 war er Botschafter Irans bei der IAEO in Wien. In dieser Funktion musste er 2002 eingestehen, dass Iran 18 Jahre lang in einer geheimen Anlage in Natanz Uran anreicherte und damit den Atomwaffensperrvertrag brach. Eine Zeitlang war Salehi persönlich für das iranische Nuklearprogramm verantwortlich.
In Teheran nicht viel Einfluss
Der iranische Aussenminister hat aber in Teheran selbst nicht viel zu bestimmen. Alle Stränge der Macht laufen beim geistigen Führer, dem 73jährigen Ajatollah Ali Chamenei, zusammen. Delegationsleiter bei den Gesprächen mit der Sechsergruppe ist Said Dschalili, der als „persönlicher Vertreters“ Chameneis bezeichnet wird. Dschalili hat bisher keinerlei Flexibilität erkennen lassen, sondern seine Verhandlungspartner bloss mit dem Herunterleiern der bekannten Standpunkte ermüdet.
Der rote Faden dieser Vorlesungen ist, dass zuerst der Weltsicherheitsrat die gegen Iran verhängten Wirtschaftssanktionen aufheben müsse, bevor Teheran irgendwelche Gegenleistungen erbringt.
Russen, Chinesen, Westmächte in einem Punkt einig
Diese Rechnung geht nicht auf – darin sind sich die Russen und die Chinesen mit den Westmächten einig. Das einzige erfolgversprechende Herangehen, bei dem keine Partei ihr Gesicht verlieren würde, wäre eine Reihe abgestufter paralleler und überprüfbarer Massnahmen. Eine solche Paketlösung wäre aber nur möglich, wenn das Regime in Teheran tatsächlich die Atomwaffenoption aufgibt.
Die IAEO berichtete kürzlich, Iran habe einen Teil seines auf 20 Prozent angereicherten Urans in ein Pulver umgewandelt, mit dem Reaktorbrennstäbe hergestellt werden können, aber keine Atomsprengsätze. Vielleicht ist das ein erster Schritt. Für ein umfassendes Abkommen reicht er aber nicht.