Wenn Hans seinem Kollegen Heiri 100 Franken leiht, dann wissen beide: Das ist entweder ein Kredit oder eine Beteiligung an Heiris Geschäft. Auch wenn beide keine Finanzspezialisten sind, werden Rückzahlungsdatum, eventuell Zinsen und allfällige Sicherheiten besprochen. Ganz anders sieht das aus, wenn im lichterloh brennenden Euroland mal kurz 100 Milliarden Euro ins Feuer gestellt werden. Da sind alle Fragen offen.
Wer haftet?
Fundamental bei jeder Kreditgewährung ist: Wer haftet für die Rückzahlung? Im Fall Spaniens: der Staat oder die zu unterstützenden Banken oder der Rettungsschirm? Der deutsche Finanzminister Schäuble und andere Politiker sagen: der spanische Staat. EU-Gruppenchef Juncker, Währungskommissar Rehn und sogar Klaus Regling, neu ernannter Chef des noch nicht existierenden Überschirms ESM, sagen: Der Rettungsschirm haftet, zunächst der EFSM, dann der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus). Spanien selbst sagt wohlweislich nichts. Eigentlich unvorstellbar, aber es geht noch absurder, sonst wäre es ja nicht EU-Politik.
Kredit oder Beteiligung?
Kredit bedeutet, dass das Geld wieder zurückbezahlt wird. Vom Schuldner oder einem Bürgen. Die spanischen Banken bräuchten aber in erster Linie nicht Kredite, sondern frisches Eigenkapital. Wer das einschiesst, ist logischerweise Mitbesitzer der Bank. Und am wichtigsten: Wenn die Bank trotz neuem Eigenkapital bankrott geht, dann ist dieses Geld weg. Das ist halt im Kapitalismus so.
Nun widersprechen die Satzungen der EFSF vollständig und die des ESM eigentlich auch jeglichem Erwerb von Beteiligungen. Die beiden Fonds sind nur für Kreditvergaben autorisiert. Kredite an spanische Banken, unabhängig davon, wer dafür haftet, nützen aber nichts. Billige Kredite könnten sie auch von der Europäischen Zentralbank bekommen.
Absurd in jeder Richtung
Wenn die spanischen Banken Kredite bräuchten, sie aber mangels Sicherheiten von der EZB nicht bekämen, dann müsste der spanische Staat als Bürge einspringen. Wenn er das mangels eigenen Refinanzierungsfähigkeiten nicht mehr kann, dann müsste er vollständig unter den berühmten Europäischen Rettungsschirm springen.
Bekämen aber die spanischen Banken stattdessen Eigenkapital, dann wäre das nur wieder rückzahlbar, wenn sie anschliessend verkauft würden. Aber wer will denn heutzutage eine spanische Bank kaufen? Oder nochmal anders: Wenn der spanische Staat, trotz dieser grossartigen 100-Milliarden-Hilfe, so hohe Zinsen wie noch nie für zehnjährige Staatsanleihen zahlen muss, wieso soll er dann in der Lage sein, diese 100 Milliarden zu verzinsen und allenfalls sogar zurückzuzahlen?
Ein elendes Gemurkse
Als sei das des Unfugs nicht genug: Die Planung, dass diese 100 Milliarden vom ESM begeben werden, ist ja längst obsolet geworden. In Deutschland wird vom Bundesverfassungsgericht erst am 12. September entschieden, ob eine Beteiligung Deutschlands an diesem Ungetüm überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ausgang offen.
Selbst wenn das Gericht der weitgehenden Verlagerung der Fiskalhoheit vom deutschen Parlament nach Brüssel zustimmen sollte, ist es im Moment ja gar nicht absehbar, in welchem Zustand sich Spanien in anderthalb Monaten befinden wird. Neue Sparpakete, Massendemonstrationen, die Provinz Valencia ist bereits pleite, weitere werden folgen, in der finanziellen Situation der iberischen Halbinsel ist genügend Sprengstoff drin, dass es sich schon vor Mitte September um einen kompletten Sanierungsfall handeln kann, der mit 100 Milliarden Nothilfe auch nicht mehr zu retten ist.
Aber gezahlt wird
All das ist beängstigend, unübersichtlich, ungelöst. Das Einzige, was sicher ist: Die erste Tranche von 30 Milliarden wird umgehend überwiesen werden. Verdächtig ist auch, dass zuerst von einer Sicherheitsobergrenze von 100 Milliarden gesprochen wurde, die Spanien garantiert nicht voll ausschöpfen werde. Wie prognostiziert, ist davon inzwischen natürlich keine Rede mehr. Dagegen macht der Schuldendienst mit 39 Milliarden demnächst den grössten Budgetposten im Staatshaushalt aus. Damit das und die astronomisch steigenden Arbeitslosenhilfen bezahlt werden können, soll das Staatsbudget im kommenden Jahr um 9,2 Prozent steigen.
All das trägt einen klaren Stempel: bevorstehender Staatsbankrott. Oder eine nochmalige Rettungsaktion in nie dagewesenen Dimensionen. In diesem Schlamassel werden die 100 Milliarden sang und klanglos verschwinden. Auf Nimmerwiedersehen. Aber bezahlt werden müssen sie natürlich. Vom europäischen, in erster Linie vom deutschen Steuerzahler.