Salz und Wein, zwei Naturprodukte, die in Bex gepflegt und gehegt werden und für Lebensfreude und menschliches Wohlergehen vitale Bedeutung haben. Sie tauchen aus dunklem Untergrund hervor. Emergence, auftauchen, aus dem mysteriösen, unbekannten Universum. Nicht zufällig haben die Ausstellungsmacher das Wort Emergence als Leitgedanke für diese 12. Ausgabe von Bex & Arts, wie sich der Anlass offiziell nennt, aufgegriffen. Wie Reben und Salz gehört seit über 30 Jahren Kunst der Gegenwart zu den Kostbarkeiten von Bex. Ein geglückter Brückenschlag in neue Zeiten. Die Triennale hat in der Kulturagenda der Romandie längstens einen festen Platz gefunden.
Blick auf Reben und Alpen
Als Ausstellungsfläche für diesen Sommer-Event dient der Parc de Szilassy, wunderbar gelegen oberhalb der Ortschaft. Eine Aussichtsterrasse mit Blick auf die Weinberge im Hintergrund und direkt vor einem auf das unvergleichlich schöne und imposante Alpen-Panorama mit den Walliser und Waadtländer Gipfeln. Der Park erstreckt sich über ein siebeneinhalb Hektar grosses Gebiet, hügelig, mit prächtigen alten Bäumen bepflanzt. Für die 50 vorwiegend Schweizer Künstlerinnen und Künstler, ausnahmslos international tätig, bekannt und anerkannt, bildete diese heile Welt eine Quelle der Inspiration par excellence. Sie alle haben ihre Werke speziell für Bex & Art an Ort und Stelle kreiert. Am Rande des Parks ein kleiner, privater Friedhof mit den Gräbern der früheren und längst verstorbenen, aus Ungarn stammenden Besitzer und Bewohner, der Familie Szilassy. Sie hat das Besitztum vor Jahrzehnten dem Kanton Waadt geschenkt, der die Anlage jeweils für die Ausstellung zur Verfügung stellt. Ein Friedhof, der vor ein paar Jahren auch schon direkt in die Ausstellung miteinbezogen wurde..
Kunst und Natur
Ein feinfühliges und hochprofessionelles feminine Kuratorenduo, bestehend aus Noémie Enz (1980) und Jessica Schupbach (1981), beide gebürtig aus Lausanne, hat die Ausstellung zum zweiten Mal gestaltet und mit ihrem persönlichen Stil geprägt. Der Park wurde zur Bühne für dieses Freilichtspektakel der besonderen Art. Die Kunstwerke verteilen sich in der Landschaft und tauchen wie kleine Oasen vor einem auf. Schmale Pfade und Weglein, führen über sommerliche Wiesen und durch farbenprächtige Blumenfelder zu den 43 Skulpturen und Installationen. Sie alle stehen in direkter Beziehung zur Natur und zur Umwelt. Selten wird eine so verblüffende Symbiose zwischen Kunst und Natur erzielt und wahrgenommen. Die Künstler laden Besucherinnen und Besucher ein, mit ihren Visionen die Welt und Umwelt von heute, neu zu entdecken. Auch die oft so fragwürdige und zutiefst gestörte Beziehung Mensch/Natur wird schonungslos freigelegt. Es ist erklärte Absicht der Organisatoren, Bex & Arts neu auszurichten. „Die Erfolge der Vergangenheit dürfen uns nicht daran hindern, einen künstlerischen Neubeginn zu wagen, um nicht im Konservatismus stecken zu bleiben“, erklärt François Cadosch, Präsident der Stiftung Bex & Arts. Die Ausstellung wird von prominenten Sponsoren unterstützt.
Spaziergang durch den Park
Der Spaziergang durch den Park macht den Wandel spürbar und führt von Überraschung zu Überraschung. Phantasie und Einfallsreichtum waren grenzenlos. Plötzlich ertönen menschliche Stimmen und Klänge aus einer dunklen Baumkrone. Etwas weiter ein farbiger Block, einem Felsstück ähnlich, ist mit Seilen an Baumstämmen festgehalten und verhindert sein Abrutschen am steilen Hang: Laisse béton ! Ein Werk des deutschen Künstlers Karsten Födinger. Er verweist auf Risiken und heikle Situationen auf Baustellen. Eric Hattan aus Wettingen AG hat einem toten, von der Sonne verbrannten Baumstamm Leben eingehaucht, indem er Glocken anhängte und zum tönen brachte. Der Bündner Pascal Häusermann skizziert mit einem schlichten Metallgerippe die Linien eines Bahnnetzes in den Himmel und will so mit Correspondances die Anbindung von Bex an die Welt deutlich machen. An einem steilen Abhang ist ein Fundament für ein Gebäude erstellt. So vermutet der Betrachter auf den ersten Blick. Nein, es ist ein Werk von Markus Kummer aus Zug. Mit Runup verweist er auf Begonnenes, Unfertiges, auf Unnatürliches, das in der Natur vor einem auftaucht. Mit einer äusserst eigenartigen Konstruktion hat der Schaffhauser Yves Netzhammer mit Klangskulptur eine Symphonie der Formen und Töne komponiert, die von Wind und Natur in lebendige Poesie verwandelt wird.
Das sind ein paar typische Beispiele der weniger attraktiven „auftauchenden“ Kreationen deren künstlerische Ausdruckskraft vielleicht nicht immer auf den ersten Blick augenfällig ist. In einer eindrucksvollen plastischen Sprache wird jedoch das unsichtbar Wesentliche unserer Zeit in einfachen, manchmal banalen Darstellungen sichtbar gemacht. Eingriffe und Veränderungen in der Natur werden hinterfragt.
Die Highlights von Bex
Was in der diesjährigen Ausstellung vermisst wird, sind sicher die grossen spektakulären Installationen, die in früheren Jahren prägend und besonders attraktiv wirkten. An originellen Highlights fehlt es in Bex diesen Sommer jedoch keineswegs. Dazu zählt eindeutig die amüsante und geniale Wort-Konstruktion der Waadtländerin Claudia Comte. HAHAHA wurde aus riesigen, rohen Baumstämmen und mit übergrossen Nägeln zusammengezimmert. Ein gigantischer Schriftzug, der Ironie, Gleichgültigkeit , Freiheit, eine Spur Arroganz und Distanzierung zu allem Umgebenden anzeigt. Das Werk. wie aus dem Boden gewachsen, dominiert die Landschaft, steht im oberen Teil des Parks, direkt gegenüber der Dents du Midi.
Im Vordergrund steht auch ein Kunstwerk von Olivier Estoppey aus Lucens VD, Un Matin d’0r fin. Eine ungewöhnliche Kreation in Form einer riesigen Kuppel, überdeckt von einem, einer Stickerei ähnlichem, Drahtgeflecht, in der Mitte 3,5 Meter hoch und mit einem Durchmesser von 32 Metern. Fünf Pfauen, faszinierende elegante Kreationen, suggerieren Lebendigkeit. Ein eindrucksvolles, faszinierendes Werk, das Irdisches mit Überirdischem verbindet. Geheimnisvoll wie ein riesiger Ameisenhaufen. Eine Welt für sich ist hier entstanden, voller Poesie und nahtlos in geistige Dimensionen eingefügt. Canvas Tree nennt der in Lausanne geborene und heute in den USA lebende und wirkende Christopher Füllemann seine unübersehbare Skulptur, die in groben bunten Stücken, wie mit dicken Pinselstrichen in die Landschaft gezeichnet wurden. Skulptur und Gemälde in einem. Der Park-Architektur selbst nachempfunden. Eine Arbeit auch, die in Form und Farben den Einfluss der amerikanischen Kunst der Gegenwart erkennen lässt.
Vom Apfel zu den Himmelskörpern
Nicht unerwähnt bleiben sollen noch zwei Werke. Das erste, Alphabétisation de l’autarcie des aus Locarno stammenden Pascal Schwaighofer (lebt und arbeitet heute in Zürich, Rotterdam und Mendrisio). Er hat ein Plakat für Apfel in den Parc de Szilassy geholt und es von seinen wirtschaftlichen und politischen Fesseln befreit und zum makellosen Kunstwerk erhoben. Ein Bild für Fruchtbarkeit und Sünde, für Wohlergehen und Erfolg zugleich. Und schliesslich verdient die Arbeit des in den USA geborenen und in Zürich lebenden und wirkenden Christian Waldvogel Aufmerksamkeit. Waldvogel ist nicht nur Künstler sondern auch Wissenschaftler (Studium ETH) und interessiert sich an Astronomie. Sein in Bex, unter einem grossen Baum platzierte Planetarium veranschaulicht das komplexe Wechselspiel der Himmelskörper. Das Werk besteht aus ineinandergreifende Metallreifen und den im Inneren schwebenden Planeten und gewährt einen Blick in die komplexen mysteriösen Mechanismen im Weltraum. Auf seine Art verleiht Waldvogel der Ausstellung in Bex und der Kunst der Gegenwart beeindruckende, planetare Dimensionen.
Bex VD, Parc de Szilassy, 12. Triennale, Emergence, Skulpturenausstellung.
Täglich geöffnet 10.00 bis 19.00 Uhr. Bis 5.Oktober 2014. Eintrittspreis: Erwachsene 16 Fr., Senioren 14 Fr. Kinder bis 12 Jahre gratis. Katalog. Verpflegung im Park möglich,-
Bex in Kürze
Bex, dessen Ursprung in die Nacht der Zeit verborgen ist, zählt heute über 5000 Einwohner. Die Ortschaft befindet sich, von Saint Maurice, also aus dem Wallis kommend, gleich am Übergang in das Waadtland. Die Gemeinde liegt in unmittelbarer Nähe von Bahn und Strasse (u.a. die A9 mit der Ausfahrt Bex), die aus dem Rhônetal zum Genfersee führen, und somit den Anschluss von Bex an Süd und West gewährleisten. Das Städtchen hat einen Bahnhof und ist Haltstelle der meisten IR-Züge. Mit der Regionalbahn BVB erreicht man in wenigen Minuten das Zentrum der etwas abseits, ca. 400 Meter über Meer gelegenen Ortschaft. Und dann zu Fuss die Kunstausstellung. Bex verdankt sein Renommée dem Tourismus und vor allem seinem Salz und seiner Weine, speziell dem Roten, im waadtländischen Sortiment eine Rarität. Der Salzabbau im Inneren des Berges wird immer noch aktiv betrieben. Das Unternehmen gehört zu den Schweizer Salinen. Der Besuch der Salzminen ist eine Attraktion.