„Die Erinnerung“, sagt der deutsche Dichter Jean Paul, „ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Der Satz ist nie wahrer, als wenn es auf Weihnachten zugeht und mit dem Klingeln der Glöckchen und dem Duft von Nelken und Zimt die Erinnerung an die Wunderwelt der Kindheit in uns aufsteigt. Davon kann sich überzeugen, wer in diesen Tagen die Ausstellung „Obacht Weihnacht!“ in Zug besucht oder das zeitgleich erschienene Buch „Weihnachtszeit“ von Alfred Dünnenberger zur Hand nimmt.
Beides, Ausstellung und Buch, verdankt sich der Sammelleidenschaft eines Menschen, der sich die Erinnerung an die Weihnachtsseligkeit seiner Kindheit durch keinen noch so hektischen Weihnachtsbetrieb hat trüben lassen. Alfred Dünnenberger sammelt seit Jahrzehnten alles, was rund um Advent, Nikolaustag und Weihnachten an kunsthandwerklichen Erzeugnissen gefertigt wurde. Mehr als 1'400 Objekte – Adventskalender, Samichläuse, Engel, Krippen und vor allem Christbaumschmuck – sind seit letztem Samstag im Museum Burg in Zug ausgestellt und in dem prachtvoll ausgestatteten Bildband „Weihnachtszeit“ abgebildet.
In seinem Vorwort zum Buch beschreibt Alfred Dünnenberger die Advents- und Weihnachtszeit seiner Kindheit als einen Hort kostbarer Erinnerungen, die er sich bewahren und an andere weitergeben möchte. Ohne sie hätte er wohl gar nie angefangen, all die entzückenden kleinen Dinge zu sammeln, die jetzt an Christbäumen und in Vitrinen des Museums zu bewundern sind. Ja, ohne sie hätte er wohl gar nie jenes Antiquitätengeschäft in der Zürcher Altstadt betreten, in dem er vor rund 30 Jahren sein allererstes Stück – einen kleinen Jaguar aus Dresden-Karton – erworben und damit den Grundstock zu seiner Sammlung gelegt hatte.
Wie die meisten Sammler hat auch Alfred Dünnenberger klein angefangen, hat hier ein Stück gekauft und dort eins, hat Antiquitätengeschäfte abgeklappert, Kontakte zu Händlerinnen geknüpft, Sammlerbörsen und Flohmärkte besucht und sich nach und nach jene Kennerschaft erworben, die ihn heute auszeichnet. So richtig Fahrt aufgenommen hatte die Sammlertätigkeit jedoch erst nach der Pensionierung, als auf einmal alle Zeit der Welt zur Verfügung stand, um stundenlang im Internet zu surfen und weltweit auf die Suche nach Raritäten zu gehen. Und noch einmal intensiviert wurde sie schliesslich, nachdem vor vier Jahren die Idee zur heutigen Ausstellung sowie zur Publikation des nun vorliegenden Buches aufgekommen war. Jetzt gesellte sich zur Sammelleidenschaft der Ehrgeiz, noch schönere, noch seltenere Stücke zu präsentieren und die Sammlung als Ganze zu dokumentieren und wissenschaftlich aufzuarbeiten.
Wenn man Alfred Dünnenberger fragt, was ihn eigentlich an seinem Sammelgebiet so besonders fasziniere, dann spricht er davon, wie viel Weihnachten ihm bedeutet und wie ihn diese seit Kindertagen bestehende innige Beziehung für die Magie seiner Sammelobjekte empfänglich gemacht habe. Christbaumsschmuck, so sagt er, habe eine ganz eigene Ausstrahlung, die mit der Bedeutung des Festes, aber auch mit der Art seiner Verwendung zusammenhänge. All die vielen Sachen und Sächelchen, die da in den Zweigen hängen, sind ja nicht einfach nur hübsch, süss oder herzig. All diese Sachen und Sächelchen haben ihre Geschichte und erzählen Geschichten: Geschichten von denen, die sie gefertigt, wie von denen, die sie benutzt haben. Es sind nicht alles nur schöne Geschichten, die da erzählt werden. Es gibt in der Sammlung Dünnenberger auch eine Christbaumkugel mit Hakenkreuz, und zwischen den Tannenzweigen hängen neben gläsernen Hirschen und glitzernden Paradiesvögeln auch kleine Kanönchen und U-Boote und gar nicht so selten sogar Orden, die einst für kriegerische Verdienste verliehen worden waren. Im Christbaumschmuck spiegelt sich die Zeit, in der er entstanden ist. Er ist kriegerisch, wenn die Zeiten kriegerisch sind. Er funkelt und prunkt, wenn es den Leuten gut geht. Er ist karg und aus einfachsten Materialien gefertigt, wenn es den Menschen am Nötigsten fehlt. Aber er ist immer da – auch in dunkelster Zeit. Das macht ihn so berührend und historisch, religiös und volkskundlich so ungeheuer interessant.
Den meisten der Stücke aus der Sammlung Dünnenberger sieht man noch heute an, mit wie viel Liebe sie hergestellt und mit wie viel Sorgfalt sie all die Jahre hindurch behandelt wurden. Sie sind kostbar, nicht weil das Material aus dem sie gemacht sind, so besonders kostbar wäre. Sie sind kostbar, weil ihnen noch heute die Freude innewohnt, mit der sie gefertigt wurden. „Glücksgefühle“ lösten sie in ihm aus, sagt Alfred Dünnenberger, wenn er auf seine Besitztümer zu sprechen kommt. Etwas von diesen Glücksgefühlen möchte er mit der Ausstellung und dem Buch an andere weitergeben.
Aber Dünnberger wäre nicht der eminente Sammler, der er ist, wenn er es bei Gemütszuständen wie Glück und Freude belassen würde. Der Sammler ist mittlerweile auch zum ausgewiesenen Kenner einer Materie geworden, die heute als fester Bestandteil volkskundlicher Forschung gelten darf. Diese Kennerschaft will das ursprünglich als Ausstellungskatalog und jetzt zu einer aufwendig gestalteten Publikation angewachsene Buch seiner künftigen Leserschaft vermitteln. Der Band „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ versteht sich deshalb nicht nur als ein Anschauungsobjekt mit vielen schönen bunten Abbildungen, die man sich gerne anschaut, wenn man in vorweihnächtlicher Stimmung ist. Er ist vielmehr von seiner ganzen Anlage her – der Beschreibung der Materialien, der Gliederung nach Sujets und Herkunftsorten – geeignet, zum Nachschlagewerk für all jene zu werden, die ein besonderes Interesse am Thema „Weihnachten“ haben.
Ob Kinder oder Erwachsene, ob volkskundlich interessiert oder nostalgisch bewegt – in der Ausstellung „Obacht Weihnacht!“ kommen alle auf ihre Rechnung. Ein abwechslungsreiches Begleitprogramm mit Märchenstube, Familiensonntag, Happy Hour und Dialogführung gibt der prächtigen Schau zusätzliches Profil.
Ausstellung „Obacht Weihnacht!“, geöffnet Di-Sa 14-17 Uhr, So 10-17 Uhr, Museum Burg Zug, bis 31 Januar 2016. Detaillierte Informationen auf www.burgzug.ch.
Alfred Dünnenberger-Hager: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“, erhältlich im Museumsshop, über www.duennenberger-baar.ch oder über [email protected], CHF 78.-