In Jemen ist nicht Ahmed Ali Saleh, der älteste Sohn des im vergangenen Dezember von den Huthis erschossenen langjährigen Staatschefs, Ali Abdullah Saleh, zum Nachfolger und Rächer seines Vaters geworden. Das hatte man erwartet, zumal er er selbst am 5. Dezember, einen Tag nach der Ermordung seines Vaters, Entsprechendes öffentlich gelobt hatte.
Loyalität
Ahmed war der Kommandant der gut ausgerüsteten Elitetruppe der Präsidialgarden gewesen, aber als solcher 2013 entlassen und als jemenitischer Botschafter in die Vereinigte Arabische Republik (VAR) gesandt worden, nachdem sein Vater im Jahr zuvor unter dem Druck der Golfstaaten und des Sicherheitsrates als Präsident hatte zurücktreten müssen.
Doch seine Offiziere und Soldaten hatten General Ahmed die Treue bewahrt, und sein Einfluss hatte entscheidend mitbewirkt, dass die jemenitische Armee sich in Einheiten aufspaltete, die entweder weiterhin gegenüber dem abgesetzten Präsidenten loyal blieben oder die zu dem von der Uno geförderten neuen Präsidenten hielten. Der neue Präsident ist Rabbo Abdul Mansour al-Hadi. Vorher war er Vizepräsident unter Ali Abdullah Saleh und seit 2012 „Übergangspräsident“.
Vergeblicher Kampf gegen die Huthis
Der abgesetzte langjährige Altpräsident, Ali Abdullah Saleh, schloss sich mit seinen ehemaligen Feinden, den Huthis, zusammen und brachte die ihm weiterhin loyalen Teile der Armee in dieses Bündnis ein. Sein Sohn Ahmed wurde von der Uno mit Sanktionen belegt, weil er zur Spaltung der Armee und damit zur Entstehung des Bürgerkrieges in Jemen entscheidend beigetragen habe.
Aus der Zusammenarbeit der militärischen und politischen Anhänger des Altpräsidenten mit den Huthis resultierte die Machtübernahme der Huthis in den meisten bewohnten Teilen Jemens einschliesslich der Hauptstadt Sanaa vom Jahr 2014 und die Vertreibung des neuen Präsidenten, al-Hadi, zuerst aus Sanaa und später aus ganz Jemen nach Saudi Arabien. Ein Jahr später, am 25. März 2015, griffen die Saudis in den jemenitischen Bürgerkrieg zu Gunsten Präsident Hadis ein und stellten sich gegen die neue Macht der Huthis, welche die Saudis als ein politisches Instrument Irans ansahen und fürchteten.
Der Krieg, den die Saudis und ihre Verbündeten in erster Linie aus der Luft führten, brachte keine Entscheidung. Die Huthis verloren Südjemen, doch konnten sie sich in Sanaa und in den dicht besiedelten Teilen des gebirgigen Nordens halten.
Ehrenvolle Gefangenschaft
Die Allianz zwischen Ali Saleh Abdullah und den Huthis zerbrach im Dezember 2017, als der Altpräsident versuchte, mit seinen Anhängern und den ihm zuneigenden Militärs die Liaison mit den Huthis aufzulösen und mit der saudischen Koalition gemeinsame Sache zu machen. Nach Kämpfen in Sanaa musste der Altpräsident aus der Hauptstadt fliehen und wurde auf der Flucht von den Huthis erschossen.
Die Kämpfe in Sanaa, die zwischen zwischen den Huthis und den Anhängern des Altpräsidenten ausbrachen, wurden von einem Neffen Ali Abdullah Salehs und einem Vetter des Generals Ahmed geleitet, Tariq Muhammad Abdullah Saleh. Ahmed selbst befand sich damals in der VAE nicht mehr als Botschafter sondern in einer Art ehrenvoller Gefangenschaft.
Eine Hilfsarmee für die VAE
Tareq und seine Anhänger verloren den Kampf um Sanaa, und sein Tod wurde gemeldet. Doch er entkam, erhielt Unterstützung durch die VAE und sammelte die militärischen Anhänger des Altpräsidenten um sich. In Südjemen, wo der Einfluss der VAE massgebend ist, wurde nahe bei der Stadt Mokha (aus welcher der Mokka-Kaffee stammt), westlich von Aden, ein grosses Sammel- und Ausbildungslager mit finanzieller und Waffenhilfe der VAE errichtet. Tareq, der den Rang eines Generals in der jemenitischen Armee innehat, wurde sein Kommandant. Diese Truppen sind nun zum ersten Mal gegen die Huthis eingesetzt worden. Sie versuchen, weiter nach Westen und dann der Rotmeerküste entlang nach Norden vorzustossen. Dort gibt es eine seit Monaten festgefahrene Offensive der VAE-Truppen und -Söldner, die als Endziel auf den Hafen von Hodeida gerichtet war, aber nie weit vordringen konnte.
Von der Strasse, die dem Meer entlang von Mokha nach Hodeida führt, gibt es eine Abzweigung in Richtung Osten in die Berge Zentraljemens hinauf und zu Taez, der drittgrössten Stadt Jemens nach Sanaa und Aden. Um diese Abzweigung drehen sich die gegenwärtigen Kämpfe. Falls die Truppen des Generals Tareq sich durchsetzen könnten, stünde ihnen die Strasse nach Taez offen.
Proteste in Taez gegen General Tareq
In Taez gibt es eine besondere, allerdings typisch jemenitische Konstellation. Es ist den Stadtbewohnern, überwiegend Sunniten, gelungen, die zaiditischen Huthis aus ihrer Stadt zu vertreiben. Doch diese haben sich jetzt in den Bergen rund um Taez herum festgesetzt und halten die Stadt unter einer losen Belagerung. Die Saudi-Koalition unterstützt den Aufstand von Taez gegen die Huthis mit Bomben. Doch die Hauptträger des Widerstandes gegen die Huthis sind Kämpfer, die den Muslimbrüdern und deren Verbündeten angehören. Die Muslimbrüder sind ihrerseits ein Rotes Tuch für die VAE, weshalb die Truppen aus Südjemen nie sehr energisch gegen die Huthis eingesetzt wurden, die Taez unter ihrer Belagerung halten. In Taez hat es bereits Demonstrationen gegen General Tareq gegeben. Die dortigen Stadtmilizen, die unter dem Einfluss der Brüder stehen, erklären, er habe, als er noch zusammen mit seinem Onkel, dem Altpräsidenten, auf Seiten der Huthis stand, gegen Taez gekämpft und sei „der Schlächter unserer Milizen“ gewesen. Nie würden sie sich seinen Truppen unterstellen.
Warum General Tareq nun als der wichtigste Rächer seines Onkels, des abgesetzten und später erschossenen Präsidenten, auftritt und nicht dessen als engster Mitarbeiter und als designierter Nachfolger geltender ältester Sohn, Ahmed, bleibt unklar. Möglicherweise war Ahmed den Herrschern der VAE nicht genehm, oder aber er konnte oder wollte nicht mit al-Hadi zusammenarbeiten, welcher der Uno und der saudischen Koalition als der Präsident der legalen, jedoch meist in Riad überlebenden jemenitischen Regierung gilt. Ohne Zweifel bleibt jedoch General Ahmed Ali Saleh einflussreich in den ihm und seinem Vater zuneigenden Teilen der jemenitischen Armee. Und möglicherweise wird er doch noch eine Führungsrolle übernehmen, wenn sich sein Vetter, General Tareq, mit seinen Truppen gegen die Huthis nicht durchsetzen kann.
Verlust eines wichtigen Führers der Huthis
Die Huthis haben soeben durch einen Bombenschlag der saudischen Koalition in Hodeida ihren zweitwichtigsten Führer verloren. Er war Saleh as-Samad, ein Vetter des Gründers der Huthi Bewegung, des Badr ad-Din al-Huthi, selbst ausgebildeter zaiditischer Theologe und Kämpfer der ersten Stunde. Er bekleidete zuletzt das Amt eines Vorsitzenden des Obersten Souverainitätsrates, den die Huthis im vergangenen August gegründet hatten. Er war ein Vertrauensmann des gegenwärtigen Houthi-Chefs, Abd al-Malik al-Huthi. Die Saudis sollen 20 Millionen Dollar auf seinen Kopf ausgesetzt haben. Er galt als ein Angehöriger des eher verhandlungsbereiten „politischen“ Flügels der Huthi, und durch seinen Tod dürfte der „militärische“, auf weiteren Krieg setzende Flügel an Gewicht gewonnen haben. In Sanaa haben die Huthis gelobt, sie würden für den Bombenschlag Rache üben.