Muhamed Bin Salman Al Saud ist der 31-jährige Lieblingssohn des saudischen Königs Salman. Seine Beförderung vom Stellvertretenden zum Ersten Kronprinzen macht ihn zum mächtigsten Mann Saudi-Arabiens – nach dem König. Da der König unter einer schwachen Gesundheit leidet und sein Sohn den Zugang zu seinem Vater regelt, kann man ihn sogar als den mächtigsten Mann des Königreiches ansehen. Bisher konnte der nun abgesetzte Kronprinz, Muhamed Bin Nayef, als Rivale und Gegenmacht zu seinem jüngeren Vetter, dem neuen Kronprinzen, gelten.
Abgesetzter Antiterror-Spezialist
Muhamed Bin Nayef, der nun abgesetzte Kronprinz, galt in den USA als der „Antiterror-Zar“ des Königreichs. Er war in Washington auch als solcher dekoriert worden. Er hatte als Innenminister gedient und seine ganze Karriere als Chef der Polizei- und Geheimdienste durchlaufen. Er war in dieser Position seinem Vater, Prinz Nayef Bin Abdul Aziz, gefolgt, der das Innenministerium unter sich hatte und bis zu seinem Tode 2012 ebenfalls Kronprinz war.
Der Sohn hatte eine Ausbildung beim amerikanischen FBI und bei Scotland Yard durchlaufen, bevor er als Gehilfe seines Vaters im Innenministerium wirkte. Ihm, Muhamed Bin Nayef, dem nun abgesetzten Kronprinzen, wurden die Erfolge im Kampf gegen die radikalen Islamisten im Königreich zugeschrieben. Sie verhinderten, dass das Königreich den Terrorwellen anheimfiel, die um die Jahrhundertwende und im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts über Saudi-Arabien hinweggingen. Unter seiner und seines Vaters Aufsicht waren Hunderte, wenn nicht Tausende von (angeblichen) Terroristen in saudische Gefängnisse gesteckt oder hingerichtet worden. Viele weitere wurden in einer eigens dazu geschaffenen Anstalt „entradikalisiert“ – die meisten, aber nicht alle, erfolgreich.
Gegen Mohamed Bin Nayef selbst waren drei Anschläge verübt worden; einem davon entging er 2009 nur knapp mit einer leichten Verwundung. Ein Selbstmordattentäter, der aus Südjemen kam und sich Bin Nayef als „Reuiger“ anzunähern verstand, hatte eine Bombe in seinem After versteckt.
Rochade mit Zustimmung des Thronrats
Das Innenministerium und die mit ihm verbundenen Sicherheitsdienste bildeten bisher ein Machtzentrum unter Bin Nayef, das der Karriere des Lieblingssohns des seit Januar 2015 herrschenden Königs Salman im Weg stand. Kurz bevor er seine Absetzung anordnete, hatte König Salman seinem Innenminster, Bin Nayef, die Befugnis entzogen, Anklage gegen verdächtige Personen zu erheben. Der König hatte einen Staatsanwalt ernannt, dem diese Aufgabe zugeteilt wurde, und dessen Amt wurde direkt dem König, nicht mehr dem Innenminister, unterstellt. Kurz darauf war die Absetzung Nayefs erfolgt.
Der Ernennung des neuen Kronprinzen stimmten nach den Aussagen des saudischen Fernsehens 31 der 34 Mitglieder des saudischen Thronrates zu. Diesem Rat gehören die wichtigsten Prinzen der ersten und der zweiten Generation nach dem Reichsgründer, König Abdul Aziz Al Saud, und einige andere einflussreiche Persönlichkeiten an. Der neue Kronprinz ist zuständig für das Verteidigungsministerium, das unter anderem den Krieg gegen Jemen beaufsichtigt. Er ist auch gleichzeitig der Vorsitzende eines Wirtschaftsrates, dem es obliegt, die Wirtschaft Saudi-Arabiens nach einem Plan, den der 31-Jährige Kronprinz selbst aufgestellt hat, radikal umzubauen und bis 2050 aus einer Rentenwirtschaft (die auf Erdöleinnahmen beruht) in eine produktive, moderne Wirtschaft umzuwandeln.
Der bisherige Thronfolger wurde auch in seiner Funktion als Innenminister abgesetzt. Wer dieses gewichtige Amt nun übernehmen wird, ist noch unklar.
Ein erklärter Feind Irans
Der neu ernannte Kronprinz hat sich erst kürzlich, Anfang Mai, sehr energisch und öffentlich gegen Iran ausgesprochen. Er erklärte im saudischen Fernsehen, ein Dialog mit Iran sei unmöglich, weil die dortigen Schiiten die Herrschaft über alle Muslime anstrebten, und er sagte auch, Saudi-Arabien werde nicht zuwarten, bis Iran das Königreich verunsichere. Vielmehr würden die Saudis ihrerseits Iran erschüttern, indem sie dort in gewissen verwundbaren Provinzen den Widerstand gegen Teheran schüren könnten.
Er spielte damit auf Aussenprovinzen Irans an, wie das arabophone Khusistan (Zentrum der iranischen Erdölwirtschaft), die kurdischen Landesteile und die der Belutschen im Südosten Irans, wo es überall Herde der Unzufriedenheit gibt. Teheran hat von diesen Aussagen Kenntnis genommen und seinerseits Drohungen gegen Saudi-Arabien ausgestossen. Auch der Krieg in Jemen, der nun schon seit über zwei Jahren wütet, wird bekanntlich im Königreich damit gerechtfertigt, dass dort die Iraner angeblich hinter der Erhebung der Huthis stünden und diese nach Kräften mit Geld und mit Waffen unterstützten.
Aktionsbündnis mit dem Machthaber der Emirate
Das gegenwärtige politische Ringen mit Qatar – teilweise ebenfalls damit begründet, dass Qatar allzu freundliche Beziehungen mit Iran unterhalte – dürfte verdeckt mit dem Wechsel der saudischen Thronfolge zusammenhängen. Es gab schon vor der neuen Thronregelung Stimmen, die behaupteten, der regierende Prinz, General und Armeechef der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed al-Nahyan, habe sich mit seinem jüngeren saudischen Freund und Kollegen, Prinz Muhammed Bin Salman, dahin verständigt, dass sie gemeinsam gegen Qatar vorgehen wollten. Zudem habe er dem bisherigen zweiten Thronfolger seine Hilfe für den Aufstieg zum ersten Thronfolger zugesagt. Dies als Gegenleistung dafür, dass Qatar in Acht und Bann getan werde. General Muhamed al-Nahyan regiert die Emirate als Vertreter seines Bruders, des eigentlichen Emirs, der 2014 einen Herzschlag erlitt.
Die VAE-Führung ist den Muslimbrüdern besonders feindlich gesinnt. Sie wirft ihnen vor, einen Putsch gegen ihre Herrschaft in den Emiraten geplant zu haben. Qatar dagegen gilt als eine Schutzmacht der Brüder. Inwieweit und mit welchen Mitteln der De-facto-Herrscher der Emirate zur Absetzung des bisherigen Thronfolgers in Saudi-Arabien beitragen konnte, ist allerdings nicht ersichtlich. Möglicherweise hat der „Kampf“ gegen Qatar einfach dazu gedient, die Aufmerksamkeit in Riad von den Vorbereitungen zum Wechsel der Thronfolge abzulenken, oder auch dazu, innerhalb der Herrscherfamilie möglichst grosse Einstimmigkeit hervorzurufen; für diesen Zweck könnte die Konfrontation mit „dem Feind“ in Qatar auch gedient haben.