Laut einer Meinungsumfrage bei 1256 Schweizerinnen und Schweizern zwischen 15 und 74 Jahren wünschen sich zwei Drittel von ihnen Schweden als Nachbarland. (Ob da die innige Beziehung von Herrn und Frau Schweizer zu den allgegenwärtigen Produkten eines schwedischen Möbelhauses einen Einfluss hatte?) 49 Prozent würden auch gerne neben den Niederlanden wohnen, bei 42 Prozent liegen die Sympathien bei Dänemark und Grossbritannien. Ob als Konsequenz der Umfrage nun bei der UNO ein Antrag gestellt wird, diese Länder neu rund um die Schweizer Grenzen herum zu gruppieren, war nicht zu lesen.
Eigentlich eine demokratische Errungenschaft
Dass die Meinungsäusserungsfreiheit eine der grossen Errungenschaften einer demokratischen Gesellschaft und zudem ein Menschenrecht darstellt, ist unbestritten. Doch scheinen nicht wenige diese Freiheit als Aufforderung zu verstehen, zu allem und jedem ihren Senf dazuzugeben. Dies wiederum schlägt sich etwa nieder in sogenannten „Shitstorms“, die über Leute hereinbrechen, wenn sie ihre ungefragte, unbeliebte oder gar ungehörige Meinung in die Welt hinausposaunt beziehungsweise -getwittert haben, die dann unzählige andere ebenfalls ungefragt und oft ebenso ungehörig kommentieren. Gleiches widerfährt Journalisten auf Medien-Online-Portalen, kann doch die geneigte Leserschaft ihre Meinung – ob nun fundiert oder nicht – beliebig und sofort unterhalb des Artikels anfügen. Wer einen Computer bedienen kann, wird so gleich selbst zum Medienschaffenden.
Meinungsäusserung scheint eine Art Hobby geworden zu sein, ein Jekami, für das man sich weder besonders qualifizieren noch anstrengen muss. Irgendeine Meinung – ob relevant oder nicht – zu irgendetwas – ob relevant oder nicht – hat ja schliesslich jeder. Mitmachen ist alles. Dies machen sich nicht zuletzt Meinungsforschungsinstitute und teilweise auch die Medien selbst zunutze. Da wird umgefragt und evaluiert, dass es eine Freude ist! Ob am Telefon, im Internet oder auf der Strasse, zu politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Themen, Meinungen werden gesammelt wie reife Früchte. Denn jede Meinung ist vermeintlich besser als keine.
Nicht vergessen: Meinungsäusserung per Stimmzettel!
Besonders beliebt sind Meinungsumfragen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen. Die Resultate werden von Experten analysiert, die Analyse nach der nächsten Umfrage korrigiert, die dritte Runde führt zu neuen Prognosen, die sich dann nach der Abstimmung als falsch erweisen, was wiederum Expertenmeinungen hervorruft, welchen andere Meinungen konträr gegenüberstehen und so weiter und so weiter. Dass der Stimmzettel eigentlich der Ort wäre, auf dem unsere Meinung wirklich gefragt ist, scheint allerdings eine Mehrheit häufig zu vergessen, betrachtet man die Stimmbeteiligungen.
Nicht selten bleibt der Zweck all dieser Übungen im Dunkeln. Oder wollten sie schon immer wissen, ob die Schweizer lieber Rösti, Polenta oder Pasta essen? Überrascht es sie, dass Froschschenkel und Schnecken nicht hoch im Kurs sind? Finden Sie eine Schokoladeausstellung im Verkehrshaus fehl am Platz oder nicht? Was halten Sie davon, dass Frachtschiffe sicherer sind als Kreuzfahrtschiffe? Haben Sie dazu gerade keine eigene Meinung? Das ist nicht weiter schlimm, wählen Sie einfach eine der bereits vorgekauten (a: „Ich verzichte auf Kreuzfahrten – das ist mir zu gefährlich“; b: „Kein Problem. Ich fühle mich trotzdem sicher.“). Oder planen Sie Ihre nächste Kreuzfahrt auf einem Frachtschiff.
Geld verdienen mit Umfragen
Gefragte wie ungefragte Meinungsäusserungen sind also im Trend. Nach dem Motto „Ihre Meinung ist uns etwas wert!“ locken Umfrageplattformen gar mit Prämien oder Bargeld. Da wird das Hobby gleich zur Einnahmequelle. „Sag der Welt Deine Meinung und verdiene Geld mit Umfragen über Dein Handy“, heisst es da etwa. Bloss: Hat die Welt wirklich darauf gewartet, dass man ihr übers Handy die Meinung sagt? Auch eigene Umfragen lassen sich auf diesem Weg einfach starten. Meine würde lauten: „Was halten Sie von Meinungsumfragen?“
Ihre Meinung dazu dürfen Sie getrost für sich behalten. Ich habe meine ja jetzt unters Volk gebracht. Und falls es jemanden interessiert: Es gibt Meinungen, wonach die Schweiz überhaupt keine Nachbarländer bräuchte, sondern am besten einen eigenen Planeten.