Kiki Kogelnik (1935–1997) sei ein wandelndes Kunstwerk, sagte der Pop-Künstler Claes Oldenburg über die Österreicher Künstlerin, die meist in den USA lebte. Im Kunsthaus Zürich ist ihrem farbig-bunten Werk zu begegnen.
Eine Entdeckung ist Kiki Kogelnik nicht. Sie erhielt das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst – allerdings erst ein Jahr nach ihrem Krebstod. Sie hatte manchenorts in prominenten Museen Einzelausstellungen – darunter auch eine grosse und mit wichtigen Werken bestückte Schau in La Chaux-de-Fonds im Jahr 2000. Und 2022 war sie mit 20 Werken in der Hauptausstellung «The Milk of Dreams» der Biennale Venedig vertreten. Aber ihrer künstlerischen Bedeutung entsprechend ist sie kaum im Bewusstsein der kunstaffinen Schweizer Öffentlichkeit verankert, und doch ist sie eine der wenigen Pop-Künstlerinnen überhaupt – am ehesten vergleichbar mit der Belgierin Evelyne Axell (1935–1972), der vor vier Jahren im Muzeum in Susch zu begegnen war. Und sie ist die einzige namhafte Pop-Künstlerin Österreichs mit internationaler Ausstrahlung. Diese Aussagen sind allerdings zu relativieren: So ganz in die Pop-Schublade will Kiki Kogelnik nicht passen, und sie geht auch nur halbwegs als österreichische Künstlerin durch: Sie wurde wohl in Kärnten geboren und besuchte die Akademien in Wien, lebte aber seit 1962 in New York und verkehrte in internationalen Kunstkreisen.
Dass das Kunsthaus Zürich gemeinsam mit zwei weiteren Institutionen eine Retrospektive der Künstlerin erarbeitet hat und sie nun in dritter Station in Zürich auch zeigt, ist verdienstvoll. Zugleich gehört die Zürcher Ausstellung in einen grösseren Kontext von Initiativen von Schweizer Museen, die sich in letzter Zeit schwergewichtig älteren, teils verstorbenen Künstlerinnen und ihren Werken widmeten. Ganz generell konzentrieren sich gegenwärtig viele Museen (zum Beispiel Basel, Bern, Luzern, Zürich) auf Künstlerinnen – eine Reaktion auf einen tatsächlichen jahrelangen Mangel, was die Präsenz von Frauen in den Museumsprogrammen betrifft.
«A Love Godess of Pop» unter Männern
Kiki Kogelnik war nicht nur «A walking work of art», sondern – so sagte es der Musiker Morton Feldman schon 1964 – auch «A Love Godess of Pop Art». Sie war in der bunten und mitunter wilden Welt des amerikanischen Pop eine höchst begabte Selbstdarstellerin, versiert im Umgang mit allen Medien, mit Malerei, Collage, Keramik und Skulptur, auch mit Aktionen und Performances oder Filmen. Aber sie war als Frau trotz aller Vernetzung auch eine Ausnahme: Nicht nur der amerikanische Pop, Pop überhaupt war schwergewichtig eine Domäne der Männer (mit Frauen als «Musen» allerdings), die sich in ihrer an Lifestyle gemahnenden Kunst einem mindestens diskutablen Frauenbild hingaben. Beispiele sind Tom Wesselmann, Mel Ramos und teils auch Andy Warhol und Roy Lichtenstein oder, in England, Eduardo Paolozzi und Allen Jones.
Kiki Kogelnik mochte, so lässt sich aus der Zürcher Schau ableiten, da kaum einfach mitmachen. Sie malte wohl in den 1970er Jahren in grossen Formaten Frauen, nach neuesten Modejournalen leicht und ihre jugendlichen Körperformen schmeichelnd gekleidet, aber selbstbewusst und kräftig ausschreitend oder in fröhlicher Lebenslust tanzend. Da ist nichts von den gleichzeitig entstandenen aufreizend posierenden Reklamefiguren von Mel Ramos und nichts von der zelebrierten, aber flachen Erotik Tom Wesselmanns. Stilistische Nähe zur Pop Art wird man aber schon feststellen – in der flächigen, auf jedes Relief verzichtenden Malweise, in den deutlich zeichnenden Konturen, in den klar gesetzten Farben.
Kogelnik und Warhol
Ein interessantes Zusammentreffen: Andy Warhol, den Kogelnik in New York traf, schuf in den 1960er Jahren das tausendfach verbreitete Porträt der 1962 verstorbenen Sex-Ikone Marilyn Monroe. Auch Kiki Kogelnik gab manchen ihrer kurz nach 1960 entstandenen grossen Hochformaten in Öl und Acryl den Titel «Marilyn Monroe» oder nur «Marilyn». Einige von ihnen zeigte sie 1962 in ihrer ersten Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan in Wien, die der charismatische Monsignore Otto Mauer mit Schwergewicht auf der damaligen österreichischen Avantgarde betreute. Im Umkreis (oft spöttisch «Mauerblümchen» genannt) dieser offen und lebendig geführten Galerie bewegte sich Kiki Kogelnik zusammen zum Beispiel mit der um 16 Jahre älteren Maria Lassnig oder mit dem etwa gleichaltrigen Markus Prachensky. Von Marilyn Monroe ist auf diesen gestischen und emotional höchst aufgeladenen Malereien wenig bis nichts zu erkennen – ausgenommen ein 1962 entstandenes Bild, auf dem ein üppiger Frauenkörper, eingezwängt in einen knappen Bikini, zu erahnen ist. Es geht da eben nicht, wie bei Warhol, um die unendliche mechanische Wiederholung der immer gleichen Ikone Marilyn, sondern um die entschiedene Selbstbehauptung einer 27-jährigen, höchst talentierten Künstlerin, die 1961 eine ihrer Malereien, zweifellos sarkastisch, mit «Mann mit quadratischem Herz» betitelte.
Die Haut des Marsyas
Das Grundthema aller Arbeitsphasen Kiki Kogelniks ist der menschliche Körper – von den erwähnten Marilyn-Malereien über die beschwingten Bilder tänzelnder junger Frauen bis zu den Bildfindungen der Neunzigerjahre, in denen sich die Künstlerin mit Skelett- und Totenschädelmotiven auseinandersetzte (auch da zeigt sich eine Parallele zu Warhol und seinen «Scull»-Bildern der 1970er Jahre). Oft geschah das in intensiv farbigen Keramikskulpturen. Vielschichtig ist ihr körperbezogenes Arbeiten vor allem in den «Hangings» ab den 1970er Jahren. Es handelt sich um Vinyl-Folien in einer sich an der Ästhetik der Pop-Zeit orientierenden leuchtenden Farbigkeit in der Form menschlicher Körper oder Körperfragmente, die sie an Kleiderbügeln und auf Kleiderständern präsentierte, als seien es in trendigen Warenhäusern angebotene Modeartikel.
Zu den Formen gelangte sie, indem sie die Körperkonturen von Menschen aus ihrem Umkreis auf Packpapier nachzeichnete, ausschnitt und auf die Vinyl-Folie übertrug. Ambivalent sind diese Arbeiten, weil sie in ihrer farbigen Präsenz an den von Konsum- und Medienwelt inspirierten Pop anschliessen, andererseits aber – und der Eindruck dominiert in dieser Werkgruppe – an den seinerseits widersprüchlichen, zwischen Schönheit und Gewalt pendelnden Mythos des von Apoll zur Strafe gehäuteten Marsyas gemahnen.
Das mit der Mondlandung am 20. Juli 1969 auf einem ersten Höhepunkt angelangte Weltraumzeitalter trieb Kiki Kogelnik an zu neuer und ausgeweiteter Untersuchung des Verhältnisses vom Körper zum Raum, zur Schwerelosigkeit und vom Körper zur Robot-Technik. Da wird der Körper wohl nicht direkt zur Maschine, doch er weitet sich mithilfe von Technik aus zum Cyborg, zum mit allerlei Räderwerk versehenen «Maschinenmenschen».
Ein ab 1964 sich während drei Jahrzehnten immer wieder abgehandeltes Motiv in Kogelniks Werk sind die Selbstporträts. Dem eigenen Bildnis wandten und wenden sich viele Künstlerinnen und Künstler zu, doch im Unterschied zu manch anderen ist bei Kogelnik nichts von Selbstmitleid zu spüren. Eher schreibt sie sich mit diesen Werken ein in den Kontext ihres Lebens im Kunstbiotop New York. So lässt sich «Self-Portrait» von 1964 als wilden, auch erotisch aufgeladenen Tanz einer ganzen Gruppe lesen. Aus dem kleinformatigen Selbstporträt von 1994 – in «klassischer» Pop-Manier, mit deutlichen Konturen und klaren Farbflächen gemalt – blickt uns die todkranke Künstlerin unverhohlen in die Augen.
Gleissendes Licht
Die rund 150 Werke Kiki Kogelniks (malerische Grossformate, Zeichnungen, Objekte, Muranoglas- und Keramikobjekte sowie einige Dokumente, darunter ein Filmdokument) sind im obersten Geschoss des Chipperfield-Baus des Kunsthauses auf eher knappem Raum ausgestellt. Sie vermitteln ein gutes Bild über die Kreativität der Künstlerin. Die Kunstwerke sind einem scharfen Spotlicht ausgesetzt, was wohl mit der Beleuchtungsanlage in diesen Räumen des Chipperfield-Baus zusammenhängt, die nicht auf ein diffuses und neutrales Licht hin angelegt ist. Das gibt den Malereien und Objekten wohl Präsenz, aber auch eine Distanz schaffende Härte und manche ungewollte und störende Schattenwürfe. Die Schau entstand als Wanderausstellung. Ihr programmatischer Titel «Now Is the Time» (so auch der Titel des Bildes eines tänzelnden Mädchens von 1972) akzentuiert die Aktualität des Werkes von Kiki Kogelnik. Frühere Stationen waren das Bank Austria Kunstforum in Wien und das Kunstmuseum Brandts in Odese (Dänemark). In Zürich betreute sie Cathérine Hug als Kuratorin. Der Katalog mit diversen Essays erschien im Verlag Kehrer Heidelberg (52 Franken).
Kiki Kogelnik, geboren 1935, aufgewachsen in Bleiburg in Kärnten (Österreich), starb 1997 in Wien. Sie studierte an den Akademien in Wien und gehörte in den 1950er Jahren u. a. mit Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Wolfgang Hollegha und Markus Prachensky und anderen zur Avantgarde um die Galerie nächst St. Stephan in Wien. Nach einem Paris-Aufenthalt beschloss sie, nach New York zu übersiedeln, wo sie während rund vier Jahrzenten fast ausschliesslich lebt und arbeitet. Nach abstrakten Anfängen wandte sie sich in New York Pop-Art-Formen zu und pflegte Kontakte mit Künstlern wie Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg, Marisol Escobar, Roy Lichtenstein. Thematisch ist sie neben kosmischen Vorstellungen vor allem dem menschlichen Körper zugeneigt. Sie erhielt verschiedene Auszeichnungen wie zum Beispiel 1995 den Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst und das österreichische Ehrenkreuz für Wissenshaft und Kunst, das ihr 1998, ein Jahr nach ihrem Tod, verliehen wurde. Einzelausstellungen in den USA und in Österreich, aber u. a. auch in der Tate Moderne in London, in Oxford, in Ungarn, in Humlebæk (Dänemark) sowie 2020 in La Chaux-de-Fonds.
Kunsthaus Zürich
bis 14. Juli