Seit den eidgenössischen Wahlen 2023 haben in vier Kantonen Gesamterneuerungswahlen von Parlament und Regierung stattgefunden. Dabei haben sich die parteipolitischen Trends der Nationalratswahlen 2023 bei den Parlamentswahlen grosso modo fortgesetzt. Die Frauenvertretung in den kantonalen Parlamenten und Regierungen ist hingegen leicht angestiegen.
Die Ergebnisse der Nationalratswahlen 2023 können als partielle Gegenbewegung zu den Wahlen von 2019 betrachtet werden, als die ökologischen Parteien stark zugelegt hatten («grüne Welle») und die SVP deutlich verlor. Bei den Nationalratswahlen 2023 gewann die SVP 2,3 Prozentpunkte an Parteistärke dazu und die Grünen büssten 3,4 Punkte ein. Dieser «Rechtsrutsch», wie er plakativ genannt wurde, wurde gedämpft durch die Verluste der FDP (-0,9 Punkte) auf der rechten Seite und die Gewinne der SP (+1,4 Punkte) auf der linken Seite.
SVP gewinnt, FDP verliert
Seit den Nationalratswahlen 2023 wurden in vier Kantonen die Parlamente neu gewählt: in Uri, Schwyz, St. Gallen und im Thurgau. Das sind Kantone, in denen die bürgerlichen und rechten Parteien überdurchschnittlich stark sind. Grosse Siegerin bei diesen Parlamentswahlen war die SVP (+13 Mandate), grosse Verliererin die FDP (-9). Rotgrün wurde etwas schwächer (SP: -1, Grüne: -3). Die GLP konnte sich mandatsmässig halten, während die Mitte ein Mandat zulegte (die Mitte war 2021 durch den Zusammenschluss der CVP und der BDP entstanden).
Die SVP führte ihren Siegeszug der Nationalratswahlen vor allem in den Kantonen Uri, Schwyz und St. Gallen fort, wo sie um vier bis sieben Mandate zulegte. Im Thurgau jedoch büsste sie drei Mandate ein. Die kleine rechte EDU steigerte sich dort von fünf auf sechs Mandate und die Impfskeptiker und Massnahmenkritiker von «Aufrecht» holten erstmals ein Mandat in einem kantonalen Parlament. In drei Kantonen baute die SVP ihre Position als stärkste Partei weiter aus, sogar etwas im Thurgau (+0,2 Punkte), wo sie betreffend die Mandate Proporzpech hatte. Am stärksten ist die SVP in Schwyz mit 38 Prozent, gefolgt vom Thurgau (32,5%) und von St. Gallen (31,5%). In Uri ist sie, hinter der Mitte, die zweitstärkste Partei (24%).
Die FDP büsste in jedem Kanton Stimmen und Mandate ein. Am stärksten waren die Verluste in Uri und St. Gallen (-4 bzw. -3 Mandate). Im Thurgau und in Schwyz verlor die FDP je ein Mandat. Sie liegt in jedem der vier Kantone mit einer Parteistärke zwischen 13 (TG) und 19 Prozent (SZ) hinter der SVP und der Mitte auf Platz drei.
Die Mitte stagnierte in St. Gallen. In Uri und Schwyz verlor sie je ein Mandat, während sie sich im Thurgau steigerte (+3 Mandate). In Uri bleibt die Mitte die stärkste Partei (31%); in den anderen drei Kantonen ist sie am zweitstärksten, mit einer Parteistärke zwischen 15 (TG) und 23 Prozent (SZ).
Rotgrün geschwächt
Die SP verlor Mandate in Uri, Schwyz (je -2) und St. Gallen (-1). Dank des Gewinns von vier Mandaten im Thurgau resultierte in der Bilanz der SP nur ein Mandatsverlust. Die SP ist in diesen vier Kantonen je die viertstärkste Partei; ihre Parteistärke bewegt sich zwischen 11 (UR) und 15 Prozent (SG). Bei den Grünen neutralisierte sich ein Mandatsverlust im Thurgau und ein Mandatsgewinn in Schwyz. Negativ in ihrer Gesamtbilanz schlugen die Verluste von drei Mandaten in St. Gallen zu Buche.
Die GLP konnte in St. Gallen den Mandatsverlust von Schwyz kompensieren und in Uri den Verlust von drei Mandaten im Thurgau; in Uri nahm sie erstmals Einsitz in den Landrat.
SP verliert Urner Regierungssitz
Seit den eidgenössischen Wahlen 2023 fanden in drei Kantonen Ergänzungswahlen und in vier Kantonen Gesamterneuerungswahlen für die Regierung statt. Bei den Ergänzungswahlen in Neuenburg und Basel-Stadt konnte die SP ihren Sitz verteidigen. In Glarus jedoch ging der FDP-Sitz an die SVP. Hinsichtlich der Vertretung der Geschlechter änderte sich bei diesen drei Ergänzungswahlen nichts. Die drei zurücktretenden Männer wurden wieder durch Männer ersetzt.
Bei den Gesamterneuerungswahlen in den vier Kantonen UR, SZ, SG, TG gab es zwischen den Parteien nur eine Sitzverschiebung. Im Kanton Uri schaffte der bisherige sozialdemokratische Regierungsrat Dimitri Moretti die Wiederwahl nicht. Die Mitte (CVP) verdrängte ihn und verfügt nun – erstmals wieder seit zwanzig Jahren – über die absolute Mehrheit der Sitze (4 von 7). Die SP ist nun – abgesehen von der Periode von 2000 bis 2004 – erstmals seit 1968 nicht mehr in der Urner Regierung vertreten. In der Zentralschweiz isst die Linke hartes Brot: Zurzeit ist die SP von den sechs Zentralschweizer Kantonen nur gerade in der Luzerner Kantonsregierung vertreten (mit Ylfete Fanaj).
Keine parteipolitischen Veränderungen gab es in der Regierungszusammensetzung der Kantone Thurgau, St. Gallen und Schwyz, wo die jahrzehntealten Formeln bestätigt wurden.
Frauen steigern ihre Vertretung leicht
Anders als bei den Nationalratswahlen 2023, wo der Frauenanteil von 42 auf 38,5 Prozent zurückging, steigerten die Frauen insgesamt ihre Vertretung in den kantonalen Parlamenten und Regierungen, allerdings nur leicht und auf deutlich niedrigerem Niveau.
Bei den Parlamentswahlen in den vier Kantonen stieg der Frauenanteil insgesamt um zwei Prozentpunkte auf 26 Prozent. In St. Gallen betrug die Steigerung zwei Prozentpunkte (auf 28%) und in Schwyz elf Punkte (auf 20%). Mit dieser Steigerung schaffte es der Kanton Schwyz nach acht Jahren, die rote Laterne in Sachen Frauenvertretung an Obwalden abzugeben (18% Frauen). Kleiner wurde der Frauenanteil in Uri (-3 Punkte auf 22%) und im Thurgau (-1 Punkt auf 31%).
Nach diesen Parlamentswahlen sind die Frauen in den vier Kantonen bei der SP, den Grünen und bei der GLP am stärksten vertreten. Ihr Frauenanteil bewegt sich zwischen 41 und 54 Prozent. Bei der Mitte beträgt der Frauenanteil 26 Prozent, bei der FDP 21 Prozent und bei der SVP 15 Prozent. Am stärksten im Vergleich zu den Wahlen 2020 war die Steigerung in den vier Kantonen bei der GLP, der SP und der SVP; die SVP vergrösserte ihren Frauenanteil von zehn auf 15 Prozent.
Urner Regierung wieder mit Frauenbeteiligung
Seit den eidgenössischen Wahlen 2023 ist die Zahl der Frauen auch in den Kantonsregierungen leicht angestiegen (+2). Im Kanton Uri nahmen die Frauen nach vier Jahren Unterbruch wieder Einsitz in die siebenköpfige Regierung. Céline Huber von der Mitte-CVP schaffte die Wahl auf Anhieb und mit einem guten Ergebnis; mitgeholfen haben dürfte der Druck der Öffentlichkeit, welche den anachronistischen Zustand einer frauenlosen Regierung behoben haben wollte. Im Kanton St. Gallen schaffte es die Fraktionspräsidentin der SP, Bettina Surber, den Sitz des zurückgetretenen Fredy Fässler gegen die Ansprüche der wählerstarken SVP zu verteidigen. Damit stieg die Frauenvertretung in der siebenköpfigen St. Galler Regierung auf drei.
Im Thurgau wurden die Frauensitze der SP und der SVP in der Regierung wieder durch Frauen besetzt. Weil aber bei einer Ergänzungswahl von 2022 ein Mitte-Sitz von einer Frau an einen Mann ging, ist die Frauenvertretung im Thurgau im Vergleich zu 2020 um ein Mandat kleiner geworden (2 von 5).
Nach diesen Wahlen vom Frühling 2024 regieren in sämtlichen Kantonen der Schweiz fünfzig Frauen und 104 Männer. Der Frauenanteil beträgt somit 32,5 Prozent, was im Vergleich zu 2020 eine Steigerung um sieben Prozentpunkte darstellt (+11 Frauen). Zurzeit gibt es noch zwei Kantonsregierungen, in denen nur Männer Einsitz haben: Aargau (seit 2016) und Wallis (seit 2021). In vier Kantonen sind die Frauen in der Mehrheit: in Zürich, Solothurn, Waadt und Genf.
Link zu den detaillierten Zahlen des Bundesamtes für Statistik
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/politik/wahlen/kantonale-wahlen.html