Und sie bewegt sich doch, die Genfer Syrienkonferenz, wenn auch nur widerwillig und auf Druck der Grossmächte. Am Donnerstagabend wurde die erste Runde der „innersyrischen Gespräche“ mit einigen Mini-Fortschritten abgeschlossen. Gleichzeitig kamen die USA und Russland überein, ihre Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts zu beschleunigen.
Kerry und Putin koordinieren Druck auf Asad
Vier Stunden lang sassen US-Aussenminister John Kerry und Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreml zusammen. Hauptthema war der Krieg in Syrien. An den Beratungen nahm auch der russische Aussenminister Sergej Lawrow teil. Kerry sagte anschliessend, die beiden Staaten würden gemeinsam versuchen, den politischen Prozess eines Übergangs in Syrien voranzutreiben. Er erwarte, dass Russland dem syrischen Präsidenten Bashar al-Asad „hilft, in den nächsten Tagen die richtige Entscheidung zu treffen und den Weg einer echten Transition einzuschlagen.“
Dass eine solche „Hilfe“ nicht ohne robuste Einflussnahme der Grossmächte geht, liegt auf der Hand. Lawrow sprach von einer Vereinbarung mit den USA, „die für einen politischen Prozess notwendigen Bedingungen zu schaffen.“ Dazu gehöre der rasche Beginn von direkten Gesprächen in Genf zwischen der syrischen Regierungsdelegation und dem gesamten Spektrum der Opposition,“ sagte Lawrow vor der Presse.
Derzeit reden die Vertreter des Regimes in Damaskus und der verschiedenen Oppositionsgruppen nämlich nicht miteinander, sondern werden getrennt vom Uno-Vermittler Staffan de Mistura empfangen, der eventuelle Vorschläge weiterleitet. Als führende Oppositionsbewegung hat sich das von Saudi-Arabien geförderte „Hohe Verhandlungskomitee“ (HNC) etabliert – ein Sammelsurium von Assad-Gegnern unter der derzeitigen Leitung des religiösen Fundamentalisten Mohamad Allusch.
Der Führer der salafistischen Kampfgruppe „Dscha’isch al-Islam“ ist für den Leiter der Regierungsdelegation, den syrischen Uno-Botschafter Baschar Dschafari, ein rotes Tuch. „Bevor sich Allusch an den Verhandlungstisch setzt, muss er seinen Bart abscheren,“ meinte Dschafari abschätzig.
Die syrischen Kurden wurden wegen des Einspruchs der Türkei nicht nach Genf eingeladen. Nach den Worten von de Mistura könnte sich das aber ändern. Sowohl von den Verhandlungen wie auch vom Waffenstillstand ausgeschlossen sind gemäss einer Entscheidung des Weltsicherheitsrats der „Islamische Staat“ und die Al-Nusra-Front. Sie werden als Terroristen-Organisationen eingestuft. De Mistura hat 87 verschiedene Gruppen gezählt, die im syrischen Bürgerkrieg mitmischen. Mit den meisten davon hat der Uno-Vermittler gesprochen.
Wenigstens keine Türen zugeschlagen
De Mistura verbucht es bereits als einen Erfolg, dass während des zweiwöchigen Auftakts der indirekten „innersyrischen Gespräche“ keine Türen zugeschlagen oder Dramen inszeniert wurden. Die Regierungsseite hat ein Papier eingebracht, das sich allerdings auf Prozeduren beschränkt und alle heissen Fragen ausklammert. Sie fürchtet offenbar echte Verhandlungen. Die Opposition unterbreitete einen Acht-Punkte-Plan. Darin geht es aber im Wesentlichen um die Entmachtung Assads und die Freilassung aller politischen Gefangenen.
Vor einer Woche übergab De Mistura beiden Seiten eine Liste von 29 Fragen, auf die er präzise Antworten verlangte. Diese sind nicht eingetroffen. Zum Abschluss der Gesprächsrunde fasste de Mistura daher zwölf „essentielle Prinzipien“ über die Zukunft Syriens zusammen, von denen er glaubt, dass eine gewisse Übereinstimmung zwischen den in Genf vertretenen Konfliktparteien herrscht. Bislang widersprach keine Seite. Der Text soll an der nächsten Runde der innersyrischen Gespräche um den 10. April herum als Verhandlungsgrundlage dienen.
Zu einem vorsichtigen Optimismus trägt die von den USA und Russland verordnete Waffenruhe bei, die trotz einzelner Verstösse nun bereits einen Monat hält. De Mistura rechnete vor, dass nach den Statistiken seiner Mitarbeiter dadurch rund 3000 Menschenleben gerettet wurden. Auch die humanitäre Hilfe für die von verschiedenen Truppen belagerten Orte erreiche jetzt 384'000 von insgesamt einer halben Million eingeschlossenen Zivilisten. Zu wenig, aber ein Anfang.